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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

7. 12. 2009 - 17:56

Wider die Wegwerfgesellschaft

Die Stereoanlage nach 30 Jahren im Eimer, trennen kann man sich von dem geliebten Teil aber nicht? Der Flachbildschirm macht keinen Mucks mehr, die Garantie gerade abgelaufen? Hilfe gibt's im R.U.S.Z., dem Wiener Reparatur- und Service-Zentrum.

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Im hinteren Teil eines Innenhofs in Wien Penzing gelegen finde ich das Wiener Reparatur- und Service-Zentrum, kurz R.U.S.Z. genannt. Seit zwölf Jahren werden hier kaputte Haushalts- und Elektrogeräte repariert. Die Werkstatt war lange eine Ausbildungsstätte für Langzeitarbeitslose, die so erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert wurden.

Für ihren letzten Streich, das Anbieten einer Energieberatung für einkommensschwache Haushalte, hat die sozialökonomische Initiative gerade den österreichischen Klimaschutzpreis 2009 erhalten. Unter anderem für die erfolgreiche Verbindung von Umwelt- und Sozialpolitik.

Den Fehler suchen

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Herr Kominik überwacht die Heizung des Geschirrspülers.

In der Werkstatt treffe ich auf Herrn Kominik, er sitzt vor einem halb aufgeschraubten Geschirrspüler und überwacht die Temperaturanzeige. Rund um ihn stehen zerlegte Waschmaschinen. "Bei diesem Geschirrspüler funktioniert scheinbar die Heizung nicht", erklärt er mir. "Hier muss ich den Fehler noch suchen."

Zum R.U.S.Z. ist er über das AMS gekommen: "Ich war früher Fahrradmechaniker", erzählt er, "da habe ich sehr viele mechanische Sachen gemacht und bei den Waschmaschinen funktioniert ja auch vieles mechanisch, deswegen hat mich das AMS auch hierher geschickt." Jetzt ist er seit sechs Wochen hier. "Ich hab' noch einiges zu lernen", meint er grinsend. Sehr viel anders als an seinen bisherigen Arbeitsstellen ist es hier aber nicht, sagt er. Der Umweltgedanke, der ist ihm aber schon wichtig: "Dass man die Geräte so lange wie möglich repariert und dass der Müllberg nicht immer größer wird."

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Waschmaschinen, auf ihre Reparatur wartend.

Alte Geräte wieder zum Leben erwecken

Nebenan sitzen die drei Herren aus dem Bereich Unterhaltungselektronik. Das sind die diffizilsten Geräte, die die meiste Feinfühligkeit verlangen. Und bei denen die Reparatur meistens am teuersten kommt. "Heutzutage wird halt nicht mehr viel repariert", meint Sergej Germ, der hier arbeitet, "das merken wir auch hier, dass die Leute ab einem gewissen Betrag sagen: 'Na, da kauf ich mir was Neues.' Aber wir müssen halt Arbeitszeit verrechnen."

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Diese Arbeit verlangt Fingerspitzengefühl.

Sein Kollege Horst Skribek fügt hinzu: "Immerhin erwecken wir hier alte Geräte wieder zum Leben". Das ist für ihn auch das Besondere an diesem Job. Normalerweise werden bei der Unterhaltungselektronik an die 300 Geräte im Monat repariert. Vor Weihnachten sind es immer ein bisschen mehr. "Weil viele Leute nachschauen: Brauche ich schon etwas Neues?" Ob alles dann wirklich reparierbar ist, hängt auch davon ab, ob noch Ersatzteile lieferbar sind.

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Reparatur- und Ersatzteillager.

Ein Problem, dass sich auch in der so genannten Nostalgie-Abteilung des Öfteren stellt. Hier werden alte Röhrenradios, Wurlitzer oder Tonbandgeräte repariert. "Man bekommt die Teile ja fast nicht mehr", sagt Ernst Wojnar, Spezialist der Abteilung. "Aber wir sind hier ein Team, der Herr Skribek setzt sich dann an die Drehbank und macht die Teile nach, die fehlen, und dann bauen wir das wieder zusammen."

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Ein Röhrenradio, kurz vor der Wiederauferstehung.

Ernst Wojnar ist einer der wenigen in Österreich, der sich mit diesen alten Geräten noch auskennt. "Ich hab' das früher mal gelernt", erzählt er. "War aber zwischendurch dreißig Jahre in der Schiffselektronik tätig. Und jetzt bin ich wieder da." Auch in der Nostalgieabteilung gibt es vor Weihnachten besonders viel zu tun: "Viele Leute finden ihre alten Platten wieder", schmunzelt Ernst Wojnar, "und die wollen sie dann irgendwo abspielen."

Mit Bastelleidenschaft zum Wunschtraum

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"Ich bin die TV- und Computer-Abteilung" - Herr Breitfelder

Andere sind weniger durch ihre vorherige Ausbildung, als durch intensive Bastelleidenschaft zum R.U.S.Z. gekommen. So zum Beispiel Herbert Breitfelder. "Es war immer mein Wunschtraum, diesen Beruf zu erlernen, ich habe aber keine Lehrstelle gefunden. Dann habe ich begonnen, das hobbymäßig zu machen. Ich habe mir vom Bazar defekte Geräte geholt, die studiert, Lektüre dazu gekauft." erklärt er. Teilweise hat er bis zu 60 oder 70 alte Fernseher in seinem Keller herumstehen gehabt. "Das war dann schon ein bisschen extrem".

Aber: das Engagement hat sich ausgezahlt: "Irgendwann war ich dann auch soweit, das Ganze beruflich zu machen." Beim R.U.S.Z. kann er sich vor allem mit dem Betriebsklima identifizieren. "Es ist, wie soll ich sagen, sozialer hier. Es gibt nicht so einen Druck wie bei anderen Firmen, es gibt kein Mobbing bei uns. Es ist ein normales Arbeitsverhältnis, könnte man sagen."

Wider die Wegwerfgesellschaft

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Im Kundenbereich, vor der Werkstatt, hat sich inzwischen eine kleine Schlange gebildet. Ein Mann bringt seine dreißig Jahre alte Stereoanlage: "Ich will sie nicht wegschmeißen", sagt er zu mir "Sie ist dreißig Jahre alt, ein gutes Gerät. Jetzt werde ich versuchen, sie reparieren zu lassen."

Die Wirtschaftskrise ist hier nicht zu spüren, im Gegenteil. Die Kundinnen und Kunden wissen, warum sie herkommen. "Ich habe schon einiges reparieren lassen", meint eine Frau, die eine alte Waschmaschine zum Ausschlachten bringt. "Es ist hier viel billiger und freundlicher als bei den Herstellerfirmen." Eine andere Kundin bringt einen Flachbildfernseher. "Er hat auf einmal geraucht und danach keinen Mucks mehr gemacht." Sie lässt zum ersten Mal etwas hier reparieren. "Das Gerät ist mir noch zu neu, um es wegzuwerfen, die Garantie aber abgelaufen." erklärt sie. Der Umweltgedanke ist für sie eher ein zusätzlicher Bonus. Ihr ist es wichtig, "dass Menschen, die Langzeitarbeitslose sind, eine wertvolle und sinnvolle Arbeit haben."

Dass das R.U.S.Z. irgendeine Zielgruppe besonders anzieht, kann man aber eigentlich nicht sagen, meint Roland Futschik, der für die Kundenbetreuung zuständig ist: "Die Kunden sind komplett gemischt. Man kann das nicht pauschalisieren, dass man sagt, das hat etwas mit arm oder reich zu tun. Es gibt durchaus Kunden, die sich das Neueste vom Neuesten kaufen könnten. Die wollen das aber nicht. Die wollen nicht mitziehen bei dieser Wegwerfgesellschaft."