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Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

6. 12. 2009 - 14:58

Mit dem Korkenzieher zum Sieg

Das Air&Style II/09 korkt und schmeckt dennoch gut. Der diesjährige Straight Jump-Contest zeigt, dass sich Snowboarden stetig weiterentwickelt.

„Vielleicht ist es eine Weinsorte oder ein Spezialverschluss für alte Flaschen.“ Die Innsbrucker, die am Samstag Nachmittag durch die Altstadt schlendern, sind ratlos. Von einem double cork haben sie noch nie etwas gehört. Auch die zwei Mädchen, die eingepackt in dicke Snowboardjacken und Beanies aus Wien angereist sind, runzeln die Stirn: „Vielleicht ist es irgend so ein Snowboardtrick.“ Bingo, aber der Korkenzieher ist nicht nur irgendein Snowboardtrick, sondern der zurzeit gefragteste.

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Oliver Kurzemann/Air&Style

David Benedeks double cork beim Air&Style 2006 in München

Vor drei Jahren konnte sich niemand vorstellen, dass man mit dem Snowboard zwei Salti machen und zusätzlich noch seitlich rotieren kann. Beim Air&Style 2006 in München haben der deutsche Freestyler David Benedek und der US-Trendsetter Travis Rice diesen Trick zum ersten Mal gestanden. Mittlerweile ist der double cork Stammgast im Repertoire vieler Snowboard-Stars.

Höher, weiter, akrobatischer

Schon die Rookie-Session zu Beginn des Air&Style II/09 zeigt, dass sich Snowboarden kontinuierlich weiterentwickelt. Während ich meinen Mund zum x-ten Mal bewusst zuklappen muss, frage ich mich, ob das eigentlich ewig so weitergehen kann. Bei wie vielen Umdrehungen liegt das biologische Limit? Derzeit sind vier Umdrehungen, also 1260er, Standard. Und genau damit gewinnt der 18-jährige Seppe Smits die Rookie-Session. „Es war ein unglaubliches Gefühl. Vor allem, weil ich diesen Trick noch nie vorher gestanden bin. Aber die Menge hier hat mich total gepusht“, grinst der kleine Belgier, dem sein Sieg ein fixes Ticket fürs nächstjährige Air&Style beschert hat. Demnächst macht er sich auf zum Training in die USA, weil er auch bei den Olympischen Spielen im Februar 2010 starten will. Und der Korkenzieher? Wird er den auch üben? „Ach, ich bin nicht so der Backflipper. Ich konzentriere mich lieber auf die flat spins, die machen mir mehr Spaß."

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Rookie Seppe Smits sichtlich eingeschüchtert. Fragt sich nur wodurch??

Der double cork Faktor

„Heuer werden sicher viele den double cork versuchen“, meint ein Journalist eines französischen Snowboardmagazins. „Das Contest-Format zwingt die Fahrer ja fast dazu“. Statt der furchteinflößenden Quarter Pipe aus dem Vorjahr steht dieses Mal ein riesiger Kicker in der Mitte des Bergisel Stadions. Das Air&Style ist zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt und lässt 16 der weltbesten Snowboarder über einen Straight Jump springen – 75 Meter Anlauf, ein 10 Meter Gap, in das man nicht hineinfallen sollte und ein Kicker, der selbst Ästhetiker Steve Gruber, der als Zuschauer da ist, beeindruckt. „Die Landung ist viel steiler als früher, und überhaupt ist das ganze Set Up der Fahrtechnik von heute super angepasst worden“.

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Peetu Piiroinen

Viele der Fahrer gehen aufs Ganze, holen aus dem Kicker und der aufgeladenen Stimmung im Stadion alles raus was geht. Nach der ersten Runde im Battle-Format müssen acht Fahrer gehen - auch Top-Favorit Travis Rice, der ein bisschen enttäuscht, aber froh ist, sich zumindest nicht verletzt zu haben. Drei seiner Kollegen hatten weniger Glück. Schon im Training sind der junge Norweger Mikkel Bang, der Kanadier Seb Toutant und US-Sympathieträger Pat Moore so schwer gestürzt, dass sie beim Contest nicht mehr mitfahren konnten. Stattdessen dürfen der Slowene Marko Grlic und die Österreicher Mark Swoboda sowie der mehrfache Air&Style-Gewinner Stefan Gimpl ihre Tricks in das hell erleuchtete Stadion schleudern. Jeder zusätzliche Grab, jeder Zentimeter Höhe wird vom Publikum mit Jubelschreien belohnt, und bei jedem double cork flippt die Menge regelrecht aus.

Lokalmatador Werner Stock, der es als einziger Österreicher bis in die zweite Runde schafft, hält sich aus der Überkopfsprung-Orgie ein bisschen raus. "Man kann sicher auch ohne double cork gewinnen", meint der 22-jährige Tiroler überzeugt. Doch Recht behält er nicht. Das Publikum will Salti sehen und die Jury scheinbar auch. Wie schon vor drei Jahren in München, als der double cork das Licht der Contest-Welt erblickte, gewinnt auch dieses Mal einer, der keine Angst vor Korken hat. Marko Grlic überzeugt mit einem Switch Backside 1080 Double Corked Mute Grab und nimmt den Ring of Glory und 1000 Punkte für die TTR-Weltrangliste, die er somit anführt, mit nach Hause.

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Platz 1: Marko Grlic (SLO), Platz 2: Peetu Piiroinen (FIN), Platz 3: Andreas Wiig (NOR)

Ohrenschmaus

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Die Schwedenrocker The Hives sind nach der Siegerehrung dran und wirken optisch wie ein Kamel in der Antarktis - weiße Arbeitsanzüge und schwarze Lackschuhe im Kontrast zu leuchtend bunten Jacken, Hosen und Hauben. Gleich zu Beginn des Konzerts küren sie sich gewohnt überheblich zu den wahren Siegern des Stadions. Musikalisch muss ich ihnen Recht geben, styletechnisch aber nicht. Ihr Sound fegt zwar ähnlich wie ein double cork-Tornado auf die Zuschauer hinab, aber die Tricks der Rider waren definitiv um einiges ästhetischer und waghalsiger. Aber wahrscheinlich kann man das auch nur schwer miteinander vergleichen.

Rund 12.000 Menschen haben sich beim Air&Style II/09 wohl nicht nur gut unterhalten, sondern auch noch weitergebildet. Die meisten, die am späten Abend zu Fuß vom Bergisel in Richtung Stadtkern spazieren, können mir ganz genau erklären was ein double cork ist - "ein extrem arger Sprung, bei dem die Boarder wie ein wild gewordener Korkenzieher durch die Luft wirbeln."