Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Depeche Mode-Konzerte sind wie Messen"

Clemens Haipl

Wer das liest ist doof.

4. 12. 2009 - 15:10

Depeche Mode-Konzerte sind wie Messen

Sagt man. (Im Sinne von Sonntagsmesse mit Pfarrer im goldenen Kleid- nicht Landwirtschaftsmesse Ried). Wenn Konzerte Messen sind, dann muss Depeche Mode die Religion sein.

Das Christentum hat seinen Höhepunkt - was unbedingte Fantreue und Glaube an Himmel, Hölle und flache Erde anbelangt- irgendwann im Mittelalter gehabt, der Islam steht gegenwärtig ganz gut im Saft, und Depeche Mode? Kommt da noch was oder war da was?

Nicht falsch verstehen: Wenn ich einen tiefgläubigen Depeche Mode-Devotee sehen möchte, brauche ich nur den Spiegel meiner Wahl bemühen. Und wo der herkommt, gibt's noch jede Menge mehr. Aber warum fühlen sich die ersten drei Nummern an, wie wenn sie der Band selbst ein bisschen unangenehm wären? Weil sie vom aktuellen Album kommen? Oder ist das Zufall? Warum geht die Post erst so richtig ab, als gut abgehangene Klassiker, Alter nicht unter 15 Jahren, serviert werden? Aber dann ordentlich! Mein lieber Herr: Walking in my Shoes, Policy of Truth, Never let me down again... you name it (das ist kein Depeche Mode Lied, habe ich gerade selbst erfunden).

Die Visuals sind - würde ich mal sagen - stilprägend. Daran müssen sich die U2s dieser Welt in nächster Zeit messen. Die Hits kennt einfach jeder und es haben sehr viele 40-Jährige laut und falsch mitgesungen. Wie es sich gehört. Das Bier war absurd verwässert, dafür aber sparsam eingefüllt, die Bandshirts lächerlich überteuert, aber dafür nicht zu geschmackvoll. Ein Fest für die ganze Familie - zumindest für die Eltern. Und die älteren Kinder.

Frontman Dave Gahan hat durch wiederholtes "Kristschn" rufen (gemeint war Drummer Christian Eigner, ein hochbegabter Wiener, der behände und engagiert das Schlagwerk bei den Helden aus England bedient) bewiesen, dass es ihm sehr wichtig ist, wissen zu lassen, dass er eben doch weiß in welcher Stadt er heute ist. In Wien eben. Da, wo Kristschn (bandintern "the German" genannt) her ist.

Vielleicht wollte er auch Szenenapplaus für Kristschn provozieren, damit der sich freut und die Band bei sich schlafen lässt. Genutzt hat es nicht viel. Depeche Mode Fans wollen Dave Gahan, Martin L Gore, Andrew Fletcher und Alan Wilder sehen, sonst niemanden. (Letzteren ungeachtet der Tatsache, dass er seit 1995 nicht mehr in der Band ist - was er mit Wolfgang Ambros und Staubsaugerröhren zu tun hat, und warum ich ihn besonders mag erzähle ich ein anderes Mal, wenn Ihr alle brav seid). Nicht einmal wenn der eine Kristschn heißt und "einer von uns" ist - ein Wiener - er ist eben kein Original Depeche Mode. Depeche Mode-Fans haben vor Alan Wilder und Vince Clarke mehr Respekt beim Schuhebinden als vor Christian Eigner beim Schlagzeugspielen (und das kann er v e r d a m m t gut!).

Ich habe im Vorfeld (ja, ich war beim Meet and Greet. Ich bin ein urpeinlicher Fanboy) mit einigen Musikjournalisten gesprochen. Fachleute halt. Und es ist immer wieder das gleiche: Bringen Depeche Mode eine Platte heraus, die nach Depeche Mode klingt jubeln die Fans, die Nummern krachen live, dass es eine Freude ist und gut ist's. Bringen sie aber eine Platte heraus, die künstlerisch wertvoll, reif, tiefsinnig, klug, (gähn... ich schlafe jetzt schon ein) ist, dann jubeln die Kritiker. Aber eben nur die Kritiker. Dass dieses Kritikerurteil in der echten Welt keine Entsprechung hat, habe ich schon oft verwundert zur Kenntnis genommen. Auch wenn alle zehn schreibenden Klugscheißer in Österreich der Meinung sind, dass Sounds of the Universe künstlerisch wertvoll, reif, tiefsinnig, klug, (gähn... ich schlafe jetzt schon ein) ist: zigtausend Konzertbesucher sehen das anders. Oder hat sich da schon wieder der Wähler geirrt? Der Dumme aber auch. Die Platte ist eh super, aber es muss einen Grund haben, warum die Menge dann doch lieber bei Nummern abgeht, die so alt sind, dass sie schon selbst wählen dürften.
Machen wir's kurz: Das Konzert war nach den ersten Pflichtnummern grandios. Megageil. Super, spitze, bistudeppert!

Ein Wort noch zum Meet and Greet: Eine verboten schöne dunkle Amerikanerin hat freundlich aber bestimmt darauf bestanden, dass die Jacken der anwesenden Fans und Journalisten nicht einfach so im Zimmer am Boden liegen, sondern am Gang am Boden. Welche Bedrohung von Winteroberbekleidung ausgeht, habe ich noch nicht herausgefunden, aber Disziplin muss halt sein. Folgerichtig musste man sich lange bevor die Band für 1 (in Worten: "ein") Foto hereinkam in 8er Gruppen aufstellen. ("Stand in a group... no that's not a group! Stand in a goup. A real group. Now... there... very good")

Dave Gahan hat dann den Fans die Hände in schwarzen Latexhandschuhen geschüttelt. Ob dies eine kleine modische Verrücktheit, oder eher der Angst vor Schweinegrippe zuzuschreiben ist, vermag ich nicht zu sagen. Sehr schön, danke!

Tickets zum Depeche Mode Konzert

Radio FM4 / Clemens Haipl

Backstage Aufkleber, Wavebreaker Band, und Ticket- die Statussymbole des DM Fans, drapiert am Computer, dem diese Zeilen innewohnen. Wichtig: Ohrenstöpsel an der Garderobe. Austoben ja, aber mit Maß und Ziel.
Depeche Mode

Radio FM4 / Clemens Haipl

Eines von gefühlten 80 Milliarden Handyfotos an diesem Abend. Völlig wertlos, aber wofür haben Handys sonst Fotofunktionen?
Elisabeth Engstler

Radio FM4 / Clemens Haipl

Elisabeth Engstler beim Telefonieren bei Licht ins Dunkel. Kein Mehrwert für Depeche Mode in dem Sinn, aber wofür haben Handys sonst Fotofunktionen? Außerdem ist sie klug und fesch!!!