Erstellt am: 13. 12. 2009 - 14:55 Uhr
Decemberlist, dreizehn
Ich muss es einmal ganz ehrlich sagen: Ich bin ein Lulu, was Technik angeht. Ein Wunder, dass ich meinen Computer ein- und ausschalten kann, hin und wieder schaffe ich es auch, ein Foto zu machen und telefonieren mit einem Handy gehört auch zu den technischen Künsten, die ich einwandfrei beherrsche. Alles andere zieht im Schnellflug an mir vorbei. Während andere E-Mails auf Ihrem iPod schreiben, wechsle ich die Kassetten in meinem Walkman aus und bin erstaunt darüber, dass man Musik so einfach und praktisch überall hin mitnehmen kann.
Erst vor kurzem habe ich entdeckt - in einer Zeit, wo andere mit ihrem Kühlschrank erbauliche Gespräche führen - dass ich mit meinem Mobiltelefon Radio hören kann. Also Radio hören, wo immer ich mag. Ein Meilenstein. Zumindest für mich.
Our Brother The Native
So kam es, dass ich an einem schönen Sonntag Abend dieses Jahres mit der Straßenbahn gefahren bin und gleichzeitig den hiesigen Sumpfisten lauschen konnte. Und da war er plötzlich: ein Song von Our Brother The Native.
fat cat records
Ein Song, der mich so in seinen Bann gezogen hat, dass ich zwei Stationen zu weit gefahren bin, um danach schleunigst nach Hause zu laufen, die Band ins Internet einzutippen - ja mit Internet kenne ich mich auch ein bisschen aus - und alle bisherigen Alben zu bestellen.
"All grown" heißt das Lied, das mir den Kopf verdreht hat und ist der vierte Track auf dem bisher letzten, 2009 erschienenen Album, "Sacred Psalms".
We fall apart.
With every passing year.
I know: I cant protect you anymore.
You're all grown.
Megan Mcissac
Our Brother The Native, das sind Joshua Bertram und Chaz Knapp, die beide - muss ich hier ein wenig schockiert anmerken - genau so alt sind wie ich. Mit 21 Jahren schon drei Alben und eine EP herausgebracht zu haben, ist zumindest etwas, wofür man sich nicht schämen muss.
Wer jetzt sofort die Google-Bildersuchmaschine anwirft und sich fragt, warum OBTN dann manchmal zu dritt auf Fotos zu sehen sind, kann beruhigt sein: Erstens liegt das daran, dass sich die beiden immer wieder Gast-Violinisten und andere Musiker bei Live-Auftritten auf die Bühne holen und andererseits daran, dass Our Brother The Native vor einiger Zeit tatsächlich noch zu dritt waren. Der Dritte im Bunde heißt John Michael Foss, dieser vergnügt sich jetzt aber lieber bei den isländischen Label-Kollegen Múm, wofür er sich - meiner Meinung nach - auch nicht schämen muss.
Sacred Psalms
Für "Sacred Psalms" allerdings sind Josh und Chaz ganz alleine verantwortlich. Zehn Tracks befinden sich auf dem Album, alle so groß- und einzigartig, dass jeder einzelne einen Artikel wert wäre. Und trotzdem ist es teilweise unmöglich, die Songs von Our Brother The Native zu beschreiben.
Das ist die Decemberlist
24 Stücke Musik, täglich eines, den ganzen Dezember über, vorgestellt von FM4 MusikjournalistInnen und Webhosts. CDs, die während des Jahres die FM4 Musikredaktion passiert haben und die für uns von Bedeutung waren. Zum Schenken und Beschenktwerden. Von Indie Pop bis Rare Groove, von dänischem Metal bis österreichischem Songwriter Pop.
Was oft mit Scheppern von Töpfen und anderen schwer auszumachenden Geräuschen beginnt, kann im nächsten Moment in ein wunderschönes Naturschauspiel aus Sounds übergehen, welches sich dann erst in den Köpfen des Hörers vollendet, oder im besten Fall ewig weitergeht. Hört sich jetzt wahrscheinlich total esotherisch-kitschig an. "Sacred Psalms" ist tatsächlich alles: impulsiv, explosiv, fantastisch, real, laut und leise. Alles also, nur nicht kitschig.
Irgendwo zwischen Noise, Post-Rock und Ambient sind Our Brother The Native zu hause. Eine breite Spanne also, wie der Abstand ihrer Geburtsorte von Michigan bis nach Kalifornien. Our Brother The Native decken alles ab, was mir an Musik im Moment gerade Freude bereitet. Am liebsten würde ich mir eine Decke aus ihren Soundkonstrukten stricken und mich für immer darin einwickeln. Für mich sind sie so etwas, wie eine Lieblingsband, auch wenn ich von den Instrumenten und Techniken, die Our Brother The Native benutzen, natürlich keinen blassen Schimmer habe.
Megan Mcissac
in a
different light
maybe things
could have been
better.