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Christian Stiegler

Doktor für grenzwertiges Wissen, Freak-Shows und Musik, die farblich zu Herbstlaub passt.

3. 12. 2009 - 06:00

Decemberlist, drei

Hotelerlebnisse mit A.A. Bondys satanischen Versen.

A.A.Bondy - When The Devil´s Loose

Fat Possum

Hotelzimmer faszinieren mich. Ich halte prinzipiell die Vermietung einer ständig von anderen Menschen benutzten Unterkunft für einen Akt, der ganz besonders viel Vertrauen voraussetzt. Einerseits verlangt man als Mieter eine Form von heimischer Umgebung, andererseits muss diese in gewissem Maße standardisiert sein, um einem guten Schnitt der Bedürfnisse aller Mieter zu genügen. Hinzu kommt der Austausch von Persönlichkeiten, die sich so einen Raum teilen. Schon allein der Gedanke daran, wieviele Seelen zuvor bereits im selben Bett geschlafen haben, ist eine ziemlich spirituelle Vorstellung. Ich erwähne das, da A.A. Bondy sein Album "When The Devil´s Loose" fast zur Gänze in Hotelzimmern aufgenommen hat.

Ich frage mich, wieviele Hotelzimmer der Mann aus Birmingham, Alabama besucht hat, um seine Songs aufzunehmen. Und in wievielen er eine Ausgabe der Bibel im Nachtkästchen gefunden hat. A.A. Bondy (eigentlich ja Scott Bondy) ist ein gläubiger Mensch, aber eher jemand, der sich nach Rückzug und den einsamen Momenten im Leben sehnt. Die Songs auf seinem Solo-Debüt "American Hearts" waren fast durchwegs von solchen Gefühlen der Einsamkeit geprägt: Spärlich instrumentalisierte Folknummern, hier und da ein Klaviertupfer, mehr nicht.

Satanische Verse

Das ist die Decemberlist
24 Stücke Musik, täglich eines, den ganzen Dezember über, vorgestellt von FM4 MusikjournalistInnen und Webhosts. CDs, die während des Jahres die FM4 Musikredaktion passiert haben und die für uns von Bedeutung waren. Zum Schenken und Beschenktwerden. Von Indie Pop bis Rare Groove, von dänischem Metal bis österreichischem Songwriter Pop.

fm4.orf.at/decemberlist

Auf "When The Devil´s Loose" wird A.A. Bondy diesmal von einer Band begleitet. Er ist nicht mehr die einzige Seele, die seine Songs mit Leben erfüllt. Seine rauhe und unaufgeregte Stimme passt sich den leicht verstimmten Akustikgitarren an, die durch sanft hinzugefügte Feedbacks im Hintergrund dem Werk Tiefe verleihen.

Das Album beginnt mit kaum wahrzunehmenden Kanonenschüssen ("Mightiest Of Guns") und steigert sich bis zum "Mercy Wheel", mit dem Bondy die Zirkulation des sich ständig Wiederholenden einfängt ("Hear the demons sing, as you place your head in the mouth of a lion"). Oder: Das Leben ist wie ein Hotelzimmer. Nicht immer liegt zur Begrüßung ein Stück Schokolade auf dem Kopfkissen.

Ein herausragendes Stück des Albums ist "I Can See The Pines Are Dancing"."This is the leaving of another love/This is the howling at the moon/These are the arms you fell into/I am a fire and i must burn today" singt Bondy darin. Bondys Charaktere sind gewöhnliche Figuren mit animalischen Trieben, welche sie jedoch nicht vor Einsamkeit und Abweisung schützen. Die Songs zeigen die Schattenseiten der Seele, aber ohne diese zu verurteilen.

A.A. Bondys "When The Devil's Loose" ist immer noch ein Geheimtipp, allerdings bietet das Album mehr als Songs über gebrochene Herzen. Auf nur 37 Minuten erzählt jeder Song eine Geschichte aus einem der vielen Hotelzimmer, in denen Bondy aufgenommen und wohl auch übernachtet hat. Zimmer, in denen schon viele Seelen vor ihm übernachtet haben.

Ein kleiner Nachteil des Albums ist Bondys Vorliebe für Fade-Outs. Songs wie "False River" sollten länger als 2:45 dauern und nicht einfach langsam verstummen. Aber auch in fast jedem Hotel muss man vor Mittags auschecken. Ob man will oder nicht.