Erstellt am: 1. 12. 2009 - 22:12 Uhr
Journal '09: 1.12.
In den letzten Tagen war, zb hier in einer bitteren Analyse der Medien-Realität oder auch hier in einer programmatischen Ansage von Oscar Bronner viel von "Augenhöhe" die Rede.
Der Augenhöhe, in der man (so sagt es die Sonntagsrede der Theorie) von seiten der OldSchool-Medien dem Leser/Hörer/Seher und jetzt eben auch dem User gegenüberstehen würde; was der Praxistest klar widerlegt.
Diese Augenhöhe war auch der Anlass für eine lose (und kurze) Mail-Korrespondenz mit einem hiesigen Medien-Zampano, mit dem es seit einem Jahr immer wieder Debatten (und kurze Korrespondenzen) gibt. Weil er da dem Begriff der notwendigen Augenhöhe ausgewichen ist, habe ich im nächsten Mail einen Grad nachjustiert und vom "nicht so recht nachvollziehbaren Mangel an Respekt" geschrieben. Die kurze Antwort griff den "Mangel an Respekt" auf, kehrte ihn allerdings um.
Mein Gegenüber ging also (und zwar zum wiederholten Mal) nicht wirklich aufs Thema ein, sondern hantelte sich recht steif am Begriff entlang; ohne ihn mit Leben zu erfüllen.
Von der Augenhöhe zum Respekt
Und das hat mich über "Respekt" nachdenken lassen.
Wenn der Begriff des Respekts inflationär verwendet wird, dann führt das schnell dazu, dass es genau gar nichts mehr bedeutet. Was dann (siehe auch: HipHop, US-amerikanischer) in das inhaltlichen Absacken in die Bedeutungslosigkeit führen kann.
Der Respekt, vom dem mein Mail-Partner, der schon zum älteren Eisen gehört, spricht, zeigt mir ein Gesicht, das seinen Ursprung in der Nachkriegszeit hat, als Männer so auszusehen hatten wie Martin Pucher und Respekt eine Einbahnstraße war, den Jüngere Älteren entgegenzubringen hatten, weil's halt immer so war, im Zeitalter des Gouvernanten-Tons, des Benimmtantentums.
Dieser Begriff von Respekt funktioniert Top Down, hat etwas herrenbäuerliches, hochprovinzielles. Auch in der Ehrenprovinz des Wiener Bürgertums. Österreichweit. Unausrottbar.
Und deswegen findet sich dieser Respekts-Begriff wohl auch beim sonst so widerständischem Medien-Hero.
Respekt ist kein Kotau
Da geht es um den Bückling, den die Jugend vor dem Alter zu machen habe, um den Kotau, um das Anerkennen von Autorität.
Mit dem, was ich unter Respekt verstehe, haben diese Verbeugungs-Maßnahmen das nichts zutun.
Respekt ist keine Frage des Alters, des Stands, der erworbenen Meriten oder einer Spezial-Expertise. Und wer ihn über diese Kriterien einfordern, nein einraunzen will ohne seinerseits etwas zu geben, verdient ihn nicht.
Spannend wird es nämlich, und das sagt mir meine verdammte Lebenserfahrung, im Umgang mit den Nachrückern. So etwas wie Weisheit, Neugier oder die clevere Fragestellung kommt nämlich - und um das zu erkennen muss man vielleicht ein gewisses Alter erreicht haben - in den seltensten Fällen von den Gleichaltrigen oder gar den Altvorderen. Die allermeisten bleiben nämlich irgendwann sowas von gnadenlos stehen, was Geist und Verve betrifft. Die wirklichen Inputs kommen von den Jungen. Und das ist das, was Respekt abringt.
Einwurf:
Nicht immer-lieb-zueinander-sein ist ein wichtiger Teil dieses Prozesses zwischen Input-Fordern und Respekt-Geben. Für mich ist ein provokantes Anpieksen, das dann einen Dialog folgen läßt um Eckhäuser wertvoller, als eine auf Konsens und Beschwichtung ausgerichtetes Pseudo-Feelgood-Atmo. Und natürlich steigt der Grad des Respekts mit der Fähigkeit der Anderen, sich in einer Auseinandersetzung zu bewähren.
Ich halte den von den Älteren gepflogenen vorsichtigen Umgang mit den Jungen, das service-orientierte Hinterherwischen, das dauerlächelnde Babysprech-Gehabe und das verächtliche Patronizing für verzichtbar, sogar widerlich und, ja, zutiefst repsektlos. Auch und gerade die Jungen haben ein Recht auf Reibung und Auseinandersetzung und Beschäftigung.
Von den Jungen lernen ist tatsächlicher Respekt
Wenn das fehlt und bloß umgekehrter Respekt vor alter und bereits Erreichtem eingefordert werden, werden die Älteren automatisch zu ihrer eigenen Karikatur, zu dem, was sie - im direkten Vorwurf an ihre Eltern - nie werden wollten und jetzt doch zielsicher geworden sind.
Gerade in Umbruch-Situationen wie in der akuten Lage der Medien ist es, denke ich, also fatal, wenn sich die Bewahrer nicht nur in Bewährtem einkasteln, sondern auch noch den Respekt der Jungen fordern.
Gerade da nämlich ist es notwendig massiv und akut von den Jungen, die mit dem Neuen automatisch cleverer umgehen, zu lernen; oder - wenn man diese Umstellung aus Altersgründen nicht mehr aktiv mitmachen will - sich zumindest damit vertraut zu machen und die andere Sicht zu akzeptieren ohne sie anzuprangern oder mit Tiervergleichen zu belegen.
Das zeugt nicht nur von Abwesenheit dieses quasi überlebensnotwendigen Respekts vor den (immer überlegenen) Alltags-Skillz der Jungen, sondern auch vor einem Rückzug in Moral-Räume der eigenen Eltern-Generation.
Respektlosigkeit als Tugend
Ja, die Jungen dürfen respektlos sein und einen alten Helden kritisieren, trotz noch so toller Taten. Es ist ihr Vorrecht, weil dieser an Moliere oder Nestroy gemahnende Respekts-Begriff nicht viel wert ist.
Und, nein, die Alten, und vor allem die noch Älteren, dürfen niemals den Fehler machen, einer nachwachsenden Generation ihren prinzipiellen Respekt zu versagen, sie zwar partiell zu streicheln, aber dann doch und immer wieder die Heldenepen hinter dem Kamin hervorzuholen und sie als Beleg für Zukunfts-Angstgegrunze zu verwenden.
Und ja, die Alten müssen die ihnen entgegengebrachte Respektlosigkeit als die Tugend annehmen, die das in Wahrheit ist. Und ihrerseits das, was an Kraft und Mut und Schlauheit daherkommt auch dann würdigen, wenn sie's nicht kapieren, sondern vielleicht nur erahnen.
Andernfalls machen sie sich zur tragischen lächerlichen Figur des Ofenbank-Opis.