Erstellt am: 30. 11. 2009 - 21:28 Uhr
Liebe, Krieg, Rache
Zu den für mich schönsten Dingen am Kino überhaupt gehört ja die Konfrontation mit extremen Emotionen, das Spiel mit der Identifikation, die kleine Portion Katharsis.
Politische Korrektheit mag im alltäglichen Umgang essentiell sein, ebenso Respekt, Einfühlungsvermögen, Höflichkeit. Im dunklen Saal drinnen, zurückgelehnt im Sessel, dürfen rohe Triebe ausgelebt und innere Schweinehunde getätschelt werden.
Da kannst du ganz ungestraft den Stellvertretern auf der Leinwand auf den abwegigsten Pfaden folgen, dich in Situationen imaginieren, denen du in der Realität eher aus dem Weg gehen solltest.
Menschen wie meine Wenigkeit, in deren Köpfen es drunter und drüber geht, würden wahrscheinlich ein kleines bisschen verrückt werden, ohne die regelmäßige Möglichkeit eines solchen Ventils. Deshalb gehöre ich auch prinzipiell zu den Verteidigern eines Kinos, das niedere Instinkte bedient, ohne eine aufgeklärte Reflexion gleich immer miteinzubauen.
Constantin Film
Weil ich mit meinem Zugang wohl nicht alleine dastehe, feiert ein Subgenre des Niedere-Instinkte-Kinos ein finsteres Comeback. Selbstjustiz ist modern in Hollywood, auch Stars wie Kevin Bacon, Jodie Foster, Liam Neeson und zuletzt Al Pacino und Robert De Niro schrecken vor rabiaten Vigilantenfiguren nicht zurück.
Nun gibt "300"-Kraftlackel Gerard Butler den tödlichen Vollstrecker, nachdem er zuletzt mit romantischen Komödien sein Rollenspektrum zu erweitern versuchte. "Law Abiding Citizen" heißt der entsprechende Streifen, der vor kurzem bei uns unter dem Titel "Gesetz der Rache" angelaufen ist.
Und dieser Film verliert keine Zeit. Noch vor dem Vorspann spritzt die Blutsuppe. Ein netter Ehemann von nebenan muss hilflos zusehen, wie Frau und Tochter von Einbrechern vergewaltigt und hingerichtet werden.
Das Lachen der Mörder hallt in den Gerichtssaal nach. Dort werden Deals abgeschlossen, Anwälte schütteln sich die Hände. Während der Komplize in die Todeszelle wandert, kommt der Haupttäter mit wenigen Jahren davon. Unser braver Protagonist ist am Boden zerstört, und an diesem Punkt sind wir noch ganz bei ihm.
Constantin Film
Zehn Jahre später ist die Zeit für erbarmungslose Rache gekommen. Bei der Hinrichtung des Komplizen wird getrickst, die dauert dreifach so lang, der Oberbösewicht endet nach seiner Freilassung zerstückelt in vielen Einzelteilen.
Der Verdacht fällt sofort auf den Familienvater, der sich auch willig verhaften lässt. Aber das Töten hört nicht auf. Aus seiner Zelle heraus zieht der hasserfüllte Racheengel gegen die korrupte Justiz in den Krieg, vor allem auch gegen seinen eigenen Anwalt.
Im Sinne der einleitenden Worte hier hätte "Law Abiding Citizen" endlich mal ein fieses guilty pleasure werden können, aber das geht sich dann doch beim besten Willen nicht aus. Das wirklich Schlimme an diesem Thriller ist nicht bloß seine Berechenbarkeit, seine dämlichen Figuren, sein genüsslicher Sadismus.
Was alles zunichte macht, ist, dass Regisseur F. Gary Gray seinen Film als ernsthaften Diskusssionsstreifen verkauft. Dabei ist "Gesetz der Rache" einfach nur ein schundiges Exploitationmovie im Hochglanzgewand, mit Anleihen beim Torture-Porn-Genre à la "Saw". Gerald Butler und Jamie Foxx spielen sich auf Autopilot durch das Gemetzel.
Poiyfilm
Hemmungslose, tragische Romanzen sind weit oben in meinen Kino-Katharsis-Charts. Enttäuscht vom aktuellen Geplänkel in Sachen Edward und Bella flanierte ich in "The Edge of Love", den jüngsten Brit-Melodrama-Streich.
John Maybury, der die recht fesselnde Francis-Bacon-Studie "Love Is The Devil" und den leider völlig untergegangenen Top-Zeitreise-Thriller "The Jacket" drehte, begibt sich ins Kriegsjahr 1944. Zufällig trifft die glamouröse Vera Phillips in einer Londoner Kaschemme ihre Jugendliebe, den Dichter Dylan Thomas, wieder.
Auf den ersten Blick beginnen die beiden wieder ernsthaft zu flirten, da erzählt Thomas seiner Ex von seiner Ehefrau Caitlin. Nach einigen Drinks zu dritt zieht Vera aus Wohnungsnot bei dem Paar ein. Ein junger Offizier, der sich wiederum in Vera verliebt, verkompliziert bald die ohnehin angespannte Ménage à trois.
Liebe, Sex, Eifersucht und Verrat, "The Edge Of Love" präsentiert das ganze Paket, dazu noch den Zweiten Weltkrieg als Hintergrund, ein fettes Stück Literaturgeschichte als Bonus und dazu Turteleien zwischen Sienna Miller, Keira Knightley oder Cillian Murphy. Besonders den letzteren beiden schaue ich stets gerne zu, während ich die erstere gleich nach dem Kinobesuch zu vergessen pflege.
"The Edge Of Love" wird sich wohl als Ganzes nicht unbedingt in meine Erinnerung einbrennen, zu geschmäcklerisch sind die diversen Paargefechte bisweilen in Bohemienklischees eingebettet. Trotzdem eine Empfehlung, immerhin bietet der Film genug Dramatik und Schönheit, inklusive eines verführerischen Angelo-Badalamenti-Score, um einen trüben Herbsttag zu veredeln.
Senator Film
Vom Herzschmerz-Zugang auf den Zweiten Weltkrieg zu einem tatsächlich erschütternden Blickwinkel auf das aktuelle Irak-Trauma. "The Messenger" gehört, neben "In The Valley Of Elah" oder "Grace Is Gone", zu jenen Streifen, die sich der Problematik der heimkehrenden Soldaten widmet.
Ben Foster ist Sergeant Montgomery, ein junger Kriegsheld, der zurück in die amerikanische Provinz versetzt wurde. Wenn sich sein Handy meldet, muss er mit seinem Vorgesetzten (Woody Harrelson) ins Auto springen und losrasen.
Irgendwo, vor einem fremden Haus, stehen sie später, die beiden Todesboten der US-Army. Der bloße Anblick ihrer Uniformen, ihrer stoischen Gesichter sagen den Angehörigen schon mehr als alle Worte. Während Eltern, Ehefrauen, Familienmitglieder weinen, schreien und zusammenbrechen, dürfen sie keine Emotion zeigen.
In diesen Augenblicken bringt "The Messenger" erschütternd, aber nicht rührselig das Grauen auf den Punkt, das sich hinter dem Begriff "Heldentum" verbirgt. In anderen Momenten lässt der Regiedebütant Oren Moverman eine Sentimentalität in seinen intensiven Film, die er gar nicht notwendig hat.
Sehenswert ist "The Messenger" aber schon alleine wegen Ausnahmeakteur Foster, der wie kaum einer aus seiner Generation die Frustration weißer Arbeiterklassebuben auf den Punkt bringt. In seinem Mienenspiel spiegelt sich die gesamte Unmenschlichkeit, an der Sergeant Montgomery zerbricht.
Senator Film