Erstellt am: 30. 11. 2009 - 17:52 Uhr
Journal '09: 30.11.
Nachträglicher Gag am Rande: als hätt ich's hier bestellt, wird drei Tage nach dieser Veröffentlichung mein Google-Alert merklich ausgeweitet. Plötzlich sind Blog- und Twitter-Meldungen auch eine Benachrichtigung wert. Merke: was ich merke, merkt Google natürlich auch.
Google ist ja das Böse, voll, ur und immer.
Google spioniert uns via "Earth" aus, liest uns unsere Bücher weg, zensiert für Diktaturen und Militärs, kauft Konkurrenz auf, monopolisiert alles, alertiert uns und dringt auch noch in unseren Wortschatz ein, wäh!
Ja, eh.
Manchmal ist Google aber auch ein simples Feindbild dessen, der sich´s halt zu leicht macht.
Die Zeitungsverleger etwa, ohnehin im suderantischen Jammertal beim Beschwören des Untergang des Abendlandes, der Gutenberg-Galaxis unterwegs, geilen sich am Feindbild Google auf.
Ab morgen etwa versammeln sich weltweit angeflogene Verlags-Bosse im indischen Hyderabad um auf einem Kongress drei Tage lang zu jammern.
Motto: Wie gehen wir mit Google um?
Der jugendliche Medienunternehmer Rupert Murdoch hat unlängst ja angekündigt die Webseiten seiner Medien für Google sperren zu lassen, weil die Inhalte dann nicht mehr so unverschämt gefladert werden können. Dafür will er gemeinsam mit Microsoft einen veritablen Krieg gegen das Google-Imperium anzünden.
Das Imperium will zurückschlagen
Nein, wie lieb.
Da sind jetzt jene, die vorher den Hals nicht vollbekommen haben, seriöse Medien zu Cashcows oder Propaganda-Tools umgebaut haben, jetzt plötzlich besorgt, weil ein neues Geschäfts-Modell ihre Gewinne beschneidet. Weil die Revolution der Neuen Medien wieder den User in die Rolle des Entscheiders gebracht hat.
Die Netz-Zugänge sollen kostenpflichtig werden, die Zeitungen teurer (Oscar Bronner spricht davon, dass der Standard bald 5,40 kosten wird) und überhaupt sollen alle möglichen Räder zurückgedreht werden, in eine Zeit vor der Entdeckung des Feuers am besten.
Das hat alles handfeste und brutale ökonomische Hintergründe, die ich gar nicht kleinreden will (schließlich bröselt hier eine riesenhafte und demokratiepolitisch bedeutende Branche systematisch in sich zusammen) - es stehn nur die kleingeistigen Geschäftsinteressen von Menschen, denen die Dollar-Zeichen in den Augen blinken wie Dagobert Duck, vor sinnhaften Lösungsansätzen.
Der Aufbau des Feindbilds Google ist so ein Fehlschluss.
Klar ist Google als Spiegler aller Nachrichten-Medien gleichzeitig deren Verbreiter und auch Entwerter.
Die tönernen Füße
Aber genauso wie die noch existente Herrschaft der Print-Kolosse steht auch die von Google auf tönernen Fußen.
Weil Google ja in allererster Linie das abbildet, was "the old media" so rausschießt.
Und das wird kein Zukunfts-Modell sein.
Google, egal ob Google-News oder die klassische Web-Suche, listet bei Suchen nach den Essentials (Wikipedia-Eintrag, eigene Website, Amazon) andere Suchmaschinen und Mainstream-Media-Ergebnisse auf. Das, was das Web selber ausmacht, kommt bei Google nicht, oder nur auf den hinteren Rängen, die keiner mehr anschaut, vor.
Google ist in seiner Spiegel-Funktion so sehr Mainstream-Media wie die, die es abbildet.
Deswegen ist Google nicht die Zukunft der Suche im Web (es sei denn, man ändert sich grundlegend, aber Google-Inc ist mittlerweile auch zu schlachtschiffig-schwerfällig um das schnell auf den Weg zu bringen); und deshalb ist Google auch nicht der künftige Feind der Verleger.
Die am Wochenende von mir aus anderen Gründen genauer gelesene Weltwoche bringt das auf einen sarkastisch-überspitzten Punkt: Nur noch Vertreter von vorgestern klagen über Google.
Die neuen Zwerge
Denn die intelligente Suchhilfe für den Digital Native ist der schwerfällige Riese längst nicht mehr. Vor allem die in den Social Networks Umtriebigen (und ich erinnere an ein Journal der Vorwoche, das die 100-Prozent-Beteiligung der österreichischen U20 festgestellt hatte) brauchen längst andere, spezifische Tools. Medien-Kolumnist Kurt W. Zimmermann führt eine Latte kleiner spezieller Suchmaschinen an, die sich vor allem auf Tweets (scoopler.com, oneriot.com, tweetmeme.com oder topsy.com), aber auch auf Social Networks und Blogs konzentrieren und die Old School-Medien außen vor lassen, weil sie wissen, dass ihre User kein Deadwood-Interesse mehr haben.
Keiner dieser lustigen Zwerge kratzt Google auch nur einen Millimeter - es ist allein der andere Zugang, der diesen neuen Search-Engine-Typus weitaus fitter für künftige Anforderungen macht, als es Google und die auf Google fixierten Verleger sind. Dabei geht es einerseits ums Tempo und die Echtzeit-Qualität und andererseits um die inhaltlich ausdiffenzierteren Such-Kriterien.
Und die völlig in Social Networks aufgehenden User der Zukunft (die der Fake-Account des österreichischen Murdoch in seinem Premieren-Tweet mit einem wahren Zitat als motorisch gestört bezeichnet) werden sich künftig natürlich eher auf spezialisierten und beweglichen Search Engines umsehen.
Wie die Zukunft aussehen kann, erzählt hier die BuzzMachine. (Danke an zib21!)
Die, die aktuell (wie z.B. Bing) nichts anderes tun, als Google zu kopieren, sind genauso in der Sackgasse wie die, die an Hand dieses Feindbilds ihre Strategie ausrichten. Weil sie jetzt schon (und schon wieder) die nächste Generation übersehen.