Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Journal '09: 28.11."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 11. 2009 - 21:50

Journal '09: 28.11.

Oscar Bronners differenzierte Sicht auf die Lage der Medien. Und warum eine kleine versteckte Agenda eine Replik nötig macht.

Die Eröffnungsrede von Oscar Bronner zum Mediengipfel in Lech in voller Länge. Und im Video.

Und hier die detaillierte Replik von Luca Hammer.

Oscar Bronner ist der Mann, der mehr oder weniger eigenhändig den heimischen Print-Journalismus mit Anspruch am Leben gehalten hat.
Seine Einführung eines neuen Players (Der Standard) hat der ausgezuzelten Landschaft neuen Schwung verliehen. Die Presse zieht sich seit den Ankunft des Konkurrenten an ihm hoch, der Kurier verdankt ihm seine Qualitätsteigerung und die Abgrenzung zum Boulevard und selbst die Salzburger Nachrichten verbesserten sich vom Ödblatt zum Mitspieler.
Weil es allen Mitbewerbern schlicht zu peinlich war gegen den Newcomer so schnell so alt auszusehen.

Das waren die 80er und 90er und der Großteil der 00er.
Jetzt, im Zeitalter des Übergangs der Medien in eine neue Form sind diese Meriten zwar immer noch präsent, die Herausforderungen und Fragen sind aber andere.
Fragen, denen sich Oscar Bronner stellt.

Zuletzt mit einer sehr prinzipiellen Rede anläßlich eines der (allzu) vielen Medien-Konferenzen im Land, des Mediengipfels in Lech am Arlberg.

Die Rede des Standard-Gründers und Herausgebers ist hier in voller Länge nachzulesen und die paar Minuten, die man dafür veranschlagen sollte, mehr als wert.

Wieder einmal: die Zukunft des Journalismus

Es geht um die leidige Frage der Medien-Konvergenz und um die leidige Frage der Zukunft des Qualitätsjournalismus in einer gesellschaft, die Information großteils nicht mehr als Kaufware, sondern als selbstverständlichen Service betrachtet.

Bronner nennt das Internet "faszinierend", betrachtet es in einer Reihe mit "Gespräch, Brief, Flugblatt, Buch, Zeitung, Film, Radio, Fernsehen". Er spricht von mühsamen Umstellungsschwierigkeiten und einer zu suchenden (und findbaren) Koexistenz. Weil ja auch kein anderes der alten Medien/Kommunikationsformen bislang je verloren ging.
Das ist nicht ganz richtig (das Fax etwa ist schon tot), und muss selbstverständlich auch nicht so bleiben - wenn die Informations-Zukunft sich etwa ans neuronale Netz andockt, dann gibt es Tabula Rasa für alles bisher Existente.

Aber die Bronner'sche Haltung unterscheidet sich angenehm von der seines ein paar Jahre jüngeren Kollegen Thurnher. Bronner sieht keine Notwendigkeit seine Stimme zu erheben und mit Stammtisch-Gegrantel anzureichern um die Gefahren der Mechanismen, die die Zukunft beherrschen werden zu thematisieren.

Bronners gefühltes Atout sind nämlich nicht die Schein-Werte der alten Ausrüstung (das klassische "Des-hamm-imma-scho-so-gmocht!"), sondern die tatsächlichen Werte der Herangehensweise, also die viel bedeutsameren inhaltlichen Produktionsbedingungen. Er nennt da "Unabhängigkeit, Überparteilichkeit, Wahrhaftigkeit, Lauterkeit, Fairness" und "Kommunikation auf Augenhöhe" - ganz ohne "versteckte Agenda".
Bronner spricht nicht eine Sekunde von "Objektivität" oder überstrapaziert den definitorisch selten aufgelösten Begriff der "Qualität".

Wieder einmal: Print vs Web

Dass der Vorreiter und -denker dieser Branche diese zentralen Fragen so diffenziert bewertet, lässt mich sicher ein paar Tage lang von der Verwendung des Begriffs "Holzklasse" absehen - bis dann wieder die Erkenntnis herbeigaloppiert kommen wird, dass Bronner da recht alleine dasteht.

Ich will aber auch von der einen Passage sprechen, die mich kopfkratzen gemacht hat.
Bronner beschreibt (sehr kursorisch) den Verzicht der jungen Generation auf bisherige Medien und deren Exklusiv-Konsum von Nachrichten oder Unterhalung via Computer, und sagt dann: "Ob die Information, die nur noch so aufgenommen wird, den gleichen Tiefgang hat wie man ihn aus klassischen Medien gewinnt, sollte einmal untersucht werden. Ich persönlich bezweifle es."
Einen Satz später konkretisiert er das noch: "Obwohl man auch per Internet dieselben tiefschürfenden Analysen geboten bekommt wie in der Zeitung, bezweifle ich ob sie auch mit der gleichen Aufmerksamkeit aufgenommen werden wie auf dem altmodischen Papier."

Also: Bronner weiß, dass es da wie dort hohe Qualität gibt, es geht ihm nicht um billige Anmache, sondern um einen formalen Vergleich der Kommunikatoren.

Nun ist die Wirkung, die Netz-Information auf die Menschen hat. tatsächlich noch nicht wirklich erforscht; auch weil das erst mit der aktuellen Generation, den Digital Natives wirklich Sinn macht, und es da also noch keine Langzeit-Studien geben kann.

"Das sollte einmal untersucht werden."

Die wissenschaftliche Rezeptions- und Wirkungs-Forschung bewegt sich da auf dünnem Old-School-Eis und rechnet etwa Erfahrungen aus dem Gamer-Bereich auf Social Communities hoch, eine unfaßbare Blödheit ersten Grades, die nur durchgeht, weil die im Abwehrkampf mit dem Umbruch ihrer Forschung befindlichen Proponenten (wie etwa Susan Greenfield(fm4.orf.at noch ein paar Monate unhinterfragt damit durchkommen werden.

Tatsächlich ist das was Bronner vergleichen will, schwierig anzustellen.
Sehen wir uns zb die vorliegende Replik an. Klar könnte sie, wäre Bronners Rede 'in print' erschienen (was ich nicht weiß, in diesem Zusammenhang aber auch wurscht ist), am nächsten oder übernächsten Tag im selben Medium erscheinen und unter Zuhilfenahme von ein paar Zitaten auch für den, der das Ausgangs-Werk nicht kennt, verständlich antworten. Schwer ist das allemal. Und es verleitet auch zu mehr Polemik als nötig - die Diskussionen, die in Print-Medien geführt werden leben großteils davon, dass sie mit Auslassungen und Miß-Interpretationen arbeiten, die deswegen "einigehn", also ein nicht so firmes Publikum abtäuschen können, weil der vorige Text eben nicht im selben Atemzug abrufbar ist.

Zufälligerweise habe ich erst gestern, und das in Unwissenheit darüber, was heute hier geschehen würde (den Hinweis darauf, danke an CC!, hab ich erst später gelesen), über so ein Positiv-Beispiel, just eines aus dem "Standard", und dessen Vorzüge geschrieben.

Im Netz, auf diesem Info-Podium der Vertiefung, ist genau das möglich, sinnhaft und (allerspätestens seit 2.0) auch Usus. Ich kann hier schon allein deshalb keinen unterstellenden Scheiß bauen, weil die Rede, über die ich hier schreibe, ja verlinkt, also per Knopfdruck ablesbar ist.

Eine korrekte Referenzierung, im Print-Bereich technisch schwer möglich und deshalb (zumindest in Österreich) auch nicht mehr als kultureller Wert angesehen, feiert im Netz eine dringend notwendige Rehabilitierung.

Die Schwierigkeit der intermedialen Kommunikation

Das ist ja auch die Crux des mittlerweile eh entschlafenen Kurz-Dialogs der Blogger-Community mit dem Falter gewesen: dass im Web immer alles, was zum Verständnis nötig war, angeführt oder per Link zur Verfügung gestellt wurde, während sich die Falter-Repliken auf verknöcherte Positionen wie Verknappung, Verkürzung und offensive Nicht-Reaktion aus unangenehme Vorwürfe (Fehler, Untergriffe, Verfälschungen) zurückzogen.
Und weil man es über Jahre nicht für nötig befunden hat, crossmedial zu denken (also auch in Richtung des Rezipienten) sind die Anstöße aus dem Netz umso verstörender, je unbeweglicher man geworden ist.

Es ist also, bei aller Unerforschtheit der Auswirkungen des reinen Netz-Konsums zumindest erwiesen, dass dieselbe "tiefschürfende Analyse" im Netz schon allein deshalb mit mehr "Aufmerksamkeit aufgenommen" wird, weil sie en passant Zusatz-Materialien und Information mitliefert, die das Print-Produkt nicht liefern kann. Und weil die unangenehmen Begleiterscheinungen der Polemik wider besseres Wissen aufgrund dieser Möglichkeit zur Sofort-Korrektur gar nicht auftreten können.

Insofern ist das "altmodische Papier" zwar nicht der Holzweg, hat aber genau keinen Vorteil - außer dass die Haptik ältere Semester halt mehtr anspricht.

Was mich aber mehr als diese in einen recht unerforschten Raum geworfene Frage wundert, ist Bronners Bemerkung zum "Tiefgang" der Rezeption der klassischen Medien. Denn so wie ich das verstehe, ist das ja auch nicht untersucht. Oder: wenn es so wärem hätte uns Bronner ja die Ergebnisse präsentiert und nicht bloß herumgezweifelt.

Die Untersuchungen in der Schublade

Da wird es jetzt heikel.
Denn ich muss davon ausgehen, dass Bronner, der Herausgeber, seit Jahrzehnten ein Fachmann auf höchstem Level, wohl zumindest das weiß, was ich weiß. Und dass ihm die Ergebnisse der Untersuchungen, die ich jetzt gleich ansprechen werde, nicht nur wie mir ungefähr, sondern gänzlich bekannt sind.

Ich spreche, wieder einmal, von sogenannten "Reader Scan", einer hochsensiblen und brutal genauen Auswertung dessen was der geneigte Zeitungskäufer wirklich liest. Die österreichischen Print-Medien (zumindest die Qualitäts-Tageszeitungen) haben allesamt auf diesen oder ähnliche Dienste zurückgegriffen. Und die Tatsache, warum öffentlich darüber nichts zu hören war und ist, liegt in der Heftigkeit seiner Ergebnisse.

Den natürlich bleiben die meisten Teile der täglich gekauften Presse-Produkte unberührt, undurchgeblättert und in noch viel größerem Maße ungelesen. Einzelne Renommier-Ressorts einzelner High-Quality-Tagesmedien kamen auf ungeahnt beschämende Zahlen, was echte Leser betrifft.

Also: diese Fakten gibt es, in den Tresoren der Verlage, gut gehütet.

Ich habe nichts dagegen, dass ein Kaufmann, der seine Ware loben muss, das tut. Ich habe auch bnichts dagegen, wenn er seine Konkurrenz-Produkte in Frage stellt - vor allem, wenn die Fragen, die er aufwirft, richtig sind. Ich habe auch nichts gegen ein Aufwiegen von Äpfeln mit Birnen, solange es zumindest fachmännisch um Kompott geht.

Ich mag aber nicht mit einer versteckten Agenda behelligt werden, mit dem dann doch nur rhetorischen Wunsch nach einer Untersuchung, die es - zumindest fürs eigene Wirkungsfeld - bereits gibt.