Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fixplatz im Emo-Kinderzimmer"

David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

28. 11. 2009 - 15:35

Fixplatz im Emo-Kinderzimmer

Placebo spielten gestern ein durchwachsenes Set, freuen sich über ihr Standing im Emocore-Zirkus und sind stolz auf ihren neuen Schlagzeuger.

Beginnen wir mit dem neuen Mann an den Trommeln. Vor etwa zwei Jahren trennten sich Sänger und Gitarrist Brian Molko und Bassist Stefan Olsdal im heftigen Streit von ihrem langjährigen Drummer Steven Hewitt. Das befürchteten Placebonerds schon lange am Horizont daherkommen. Allerdings kam es dann trotzdem überraschend. Hatte man doch den Eindruck das die immer untergründige Spannung zwischen dem Ehepaar Molko&Olsdal und Steven Hewitt der Band auch immer diese leicht grausame Bruatlität verlieh. Nun was es dann auch immer war, es eskalierte und Steven Hewitt ist jetzt weg.

Placebo

Placebo

Der Ersatz ließ allerdings nicht lange auf sich warten. Relativ schnell nach dem Split kamen Placebo mit dem neuen Trommler Steven Forrest um die Ecke. Steven Forrest war mal mit seiner Band Evaline Support für Placebo während einer Tour in den USA. Steven Forrest ist 23 Jahre alt, kommt aus den Vereinigten Staaten, hat unglaublich viele bunte Tätowierungen, ist musikalisch im US-Punk verwurzelt und schaut aus wie einer von Crazy Town. Eigentlich die Antithese zur typischen Placebo-Ästhetik.

Kings Of Medicine

Kurz vor dem Konzert wurde mir der junge Steven Forrest für ein Interview zur Verfügung gestellt. Der arme Bub, hat der alte Pfisteropa doch schon zu Nancy Boy Wodka getrunken und Haare gefärbt. Aber aufgrund einer gewissen Bemühung zur alltäglichen Langmut und weil dieser Steven Forrest ein wirklich sehr netter und noch sehr unverdorbener junger Mann ist, war das Meeting ein sehr angenehmens und lustiges und aufgrund seiner Unbedarftheit sehr stimulierendes Interview. Und wenn ich der Brian Molko wäre und eine GuV-Rechnung anstellen müsste, ich hätte dem Steven Forrest auch sofort eine Anstellung mit 14. und 15. Monatsgehalt angeboten.

Steven Forrest

Placebo

Er trommelt verteufelt gut und hat eine lustige Energie die ein wenig an einen "American Pie"-Film erinnert. Dann ist er auch noch zuvorkommend, schiebt mir den Ledersessel in die Kniekehle als währe er ein junger Steward auf der Titanic und legt eine Dauerbegeisterung an den Tag als wäre es Weihnachtsabend. Wie gut muss das den zynischen Exaltationsmaschinen Brian Molko und Stefan Olsdal tun. Das war dann auch beim Konzert sehr schön bemerkbar. Placebo waren gestern in der Wiener Stadthalle bester Laune und haben so gut wie wahrscheinlich noch nie ihre Instrumente beherrscht. Haben sogar erstmals ihre Livemusiker verbeugen lassen und man hat sich für Placebo gefreut, dass jetzt scheinbar alles gut ist.

Nur, das ist halt nicht mehr das Surrogat, mit dem Placebo sich in Teenager- und Junkieherzen spielten. Das ist nicht mehr der Soundtrack für verbotene Transaktionen und unverschämte Hurerei. Diesbezüglich thematische Songs wurden aus der Setliste dann auch nahezu ausgeklammert. Placebo freuen sich, dass ihr Publikum nicht mit ihnen mitaltert, sondern sich stetig verjüngt und, dass sie sich ähnlich wie Green Day keine Sorgen über ihren Platz im Emo-Kinderzimmer machen müssen. Und das ist vollkommen in Ordnung so. Ich halte nichts von Berufsverbot aufgrund fortschreitenden Alters, Genesung, Besinnung oder guter Laune.

Und, dass der Neue, Steven Forrest, Placebo aufgrund ihres Soundtrackbeitrages zu Eiskalte Engel kennengelernt hat, darüber kann man ja nachsichtig lächeln.