Erstellt am: 28. 11. 2009 - 10:28 Uhr
Return of the Giant Slits
The Slits
Als die Slits 1979 ihr erstes Album "Cut" veröffentlichten, auf dessen Cover die – ausschließlich weiblichen – Bandmitglieder komplett nackt zu sehen waren, nur mit einer dicken Schicht Schlamm bekleidet, war endgültig klar, dass (Post)Punk und Reggae zusammen gingen. Auch heute noch, 30 Jahre und zwei bzw. drei Alben später, sind die weitgehend neubesetzten Slits diesem nur scheinbar gegensätzlichen Hybrid treu geblieben.
Slits
The Slits: "Trapped Animal" (Sweet Nothing / Cargo)
Die Band, die der Legende nach 1976 auf einem Patti-Smith-Konzert in London von der damals erst 14-jährigen Ari Up mit ihrer Freundin Palmolive gegründet wurde, gilt nicht umsonst als Ikone aller nachfolgenden Riot Grrrls. Setzten sie doch das Punk-Credo vom unerschrockenen Umgang mit Instrumenten und Bühne jenseits von Expertentum so fulminant in die Tat um, dass sie schon vor ihrer ersten Album-Veröffentlichung von The Clash mit auf deren 77er-Tour genommen wurden (wozu sich der Allmusic-Guide nicht verkneifen kann zu bemerken, Mick Jones habe immer ihre Gitarren stimmen müssen).
The Slits
Tessa Pollitt und Ari Up, die sich zwischenzeitlich mit üppigsten Dreadlocks nach Jamaica zurückgezogen hatte, werden in der Neubesetzung von Musikerinnen der nächsten Generation, darunter auch Hollie Cook, die Tochter des Sex-Pistols-Drummers Paul Cook, unterstützt – und klingen auf "Trapped Animal" nach wie vor im besten Sinne punkig und girly. Der überdrehte Punkfuror mit gelegentlichen spitzen Tierschreien hat nach wie vor keine Angst vor Dissonanzen – aber auch nicht vor dem großen Pop Appeal, der den Guardian schon anmerken ließ, der Song "Cry Baby" klinge so luftig und lieblich wie Lily Allen. Dub- und Reggae-Referenzen dürfen aufgrund Aris großer Vorliebe natürlich auch nicht fehlen (die britischen Medien sprechen liebevoll vom "German-Jamaican Patois" der als Ariane Forster geborenen Deutschen, deren Mutter übrigens schon seit fast 30 Jahren mit Johnny Rotten liiert ist), und in "Reggae Gypsy" singt Ari sogar auf Deutsch: "Mein Name Ariane / ich glaub’ an keine Fahne".
The Slits
Auch die für die Band immer so wichtige Ironie ist nicht abhanden gekommen, nimmt sich das Stück "Peer Pressure" doch des Gruppenzwangs in der Schule aus weiblicher Perspektive an: "My friend got a boyfriend at seven / So should I but I’m only eleven", was aus dem Mund gereifter Frauen zugegebenermaßen etwas – gewollt? – grotesk klingt. Nur in der merkwürdigen Abrechnung "Issues" sind die Pferde wohl mit ihnen durch- bzw. in die falsche Richtung galoppiert. Das nicht gerade humorige Thema "child abuse" wird als private Viktimisierungsstrategie gedisst: "Your stepfather - abuser / Your mother a user / And you? A loser! / You got issues of child abuse / I got them too but not like you / I learn to choose / I choose to choose to discontinue". Wenn das mal so einfach wäre, sich gegen die Traumatisierung zu entscheiden. Vielleicht ist das aber auch eine übergroße Sensibilität gegenüber einer Band, die so wichtig für so viele Musikerinnen und Fans war - und heute noch genauso Energie geladen rüberkommt wie vor 30 Jahren.