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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 11. 2009 - 17:45

Fußball-Journal '09-114.

Der Prototyp des düsteren Gefährten. Ich habe ein verschobenes Spiel live und vorort gesehen und - wie alle anderen - nicht das geringste gemerkt. Weil wir auch keine Chance haben irgendwas zu bemerken. Und genau das ist so beunruhigend.

Die offizielle ÖFB-Aussendung, die offizielle Bundesliga-Aussendung, die zusammengefaßten Basic Facts und die Liste der internationalen Spiele.

Nein, die UEFA konnte heute mittag nichts über die 11 verschobenen Spiele der österreíchischen Ligen erzählen (und auch die anderen 8 betroffenen Verbände mußten ohne Details wieder aus Nyon abziehen) - wohl weil sie von der untersuchenden Staatsanwaltschaft in Bochum nur die Liste der sie betreffenden Champions-League und Europa-League-Spiele ausgehändigt bekommen hatte.

40 Fixtures in Europe, also 40 internationale Spiele sind aktuell unter Verdacht. Und die UEFA gab heute 7 Spiele bekannt, die von diesen fünf Vereinen verkauft/geschoben/verschoben/manipuliert/betrogen wurden: FK Tirana, FK Vllaznia Shkodër (ALB), FC Dinaburg (LET), NK Ljubljana (SVN) and Honvéd Budapest (UNG).

Es geht um folgende Spiele:
Champions League, 2.Quali-Runde, 21.7.: Stabæk IF - FK Tirana.

Europa League, 2. Quali-Runde, 16.7.: Bnei Yehuda Tel-Aviv - FC Dinaburg, SK Rapid Wien - FK Vllaznia Shkodër.
23.7.: FC Dinaburg - Bnei Yehuda Tel-Aviv FC, FK Vllaznia Shkodër - SK Rapid Wien.

Europa League, 3. Quali-Runde, 30.7.: Fenerbahçe SK - Budapest Honvéd FC. 6.8.: NK Ljubljana - FC Metalurg Donetsk.

Vor der Nase wegverschoben

Weil ich ja nichts von Bedeutung wegschmeiße (sondern maximal verlege) hab ich auch meine Notizen zum damaligen Spiel gefunden.

Die auf die Albaner bezogenen lauteten so:

Vllaznia Shkoder-Coach ist dauernd in Kontakt mit seinen Spielern.
VS fängt Rapid-Druck gut ab und steht mit breitem 5er-Mittelfeld sicher.
Nach 15 Minuten: VS zunehmend vorsichtiger, nur noch Zufalls-Aktionen.
22) Konter über Longpaß auf 2 Smajlaj -> Gefahr. VS hat eine Minute lang Überlegenheit in Rapid-Hälfte!
27) erster Torschuß VS, 11 Nika von weit links.
32) gute Rapid-Aktion über links, Flanke, drei fallen hin (Hoffer, Maierhofer, 1 IV), Elfer, naja.
1. Hälfte-Fazit: VS-Angriffe zu schwach.
55) VS-Konterversuch zu harmlos.
65) Tormann läßt Drazan-Cross aus -> Gefahr.
68) 2:0 Jelavic Kopftor nach Cross Dober, Assist Kavlak und Tormannfehler (vergreift sich)
71) Tormann Bishani flattern Nerven -> fährt an allem vorbei.
74) beste und einzige Konter-Chance, Fersler-Zufallspaß von 20 Nallbani auf 10 Kalsapi, danach 19 Balaj plötzlich allein vor Tor, trifft als Sitzfußballer leeres Tor nicht - Außennetz.
78) VS zu schwach, auch bei Standards und im Konter.
85) 5:0 Hoffer im Nachsetzen. Guter Schuß, Tormann wehrt unzureichend ab, Hoffer schiebt ein. Tormann seit seinem Fehler zum 2:0 entnervt.

Das bedeutet: das Spiel Rapid gegen Vllaznia, das ich am 16. Juli live im Hanappi-Stadion gesehen und hier nachberichtet habe, war geschoben.

Natürlich hat niemand was gemerkt. Und jedes "da ist mir aber damals schon was verdächtig vorgekommen!" wäre eine glatte Lüge.

Überraschend war, dass die Albaner in der 1. Halbzeit recht problemlos mithalten konnten und eine recht gute Figur machten. Als Rapid dann in der 30. Minute von einem öde-defensiven System auf ein offensives 4-1-3-2, wurde der Druck größer und mündete in einem klaren Sieg.

Zur Halbzeit stand es nur 1zu0, das Tor resultierte aus einem Elferfoul, das kaum zu sehen war. Das zweite und dritte Tor fielen, folgerichtig, aus dem Flankenspiel der an diesem Tag mit echter Flügelzunge antretenden Rapid-Mannschaft. Gut, einmal sah der sonst gut spielende Tormann schlecht aus. Und Tor Nr. 4 und 5 in der Schlußphase waren nicht dem Spielverlauf entsprechend, fielen aber nach schönen Einzelleistungen.

So etwa das 4zu0 durch Christoph Trimmel, das die Rapid-Fans zum Jauchzen brachte, ein prachtvoller Schuß ins kurze Eck, nach einem wunderbaren Solo. Das war Trimmels Durchbruch bei Rapid, der ihn nur wenige Wochen später auch ins Nationaleteam schwemmte.

Und das wohl, weil ihn gekaufte Gegenspieler gewähren ließen. Ohne den Betrug der Albaner wäre der Neo-Star womöglich nie so explodiert. Soll man da "Danke!" sagen?

Dark Companion

Dass der Sieg zwei Tore zu hoch ausfiel, dass die Albaner gegen Ende etwas einknickten, wurde im seine eigene Mannschaft feiernden Stadion nicht bemerkt. Gut: die bemerken den Gegner sowieso nie, aber auch mir fiel nicht wirklich was auf, auch nicht in der Mixed Zone - die albanischen Spieler und Trainer gaben ihren Medienvertretern geknickte Interviews, alles ganz normal, alles wie immer.

Und ab hier haben wir ihn den düsteren Gefährten, den Dark Companion, der sich ab jetzt kaum merklich immer neben uns stellen wird, wenn wir ein Spiel besuchen.

Er ist deswegen dabei, weil wir allerspätestens anhand dieses krummen Beispiels sehen, dass wir nicht keine Chance haben, das Böse zu erkennen, auch wenn es vor unserer Nase stattfindet.
Nicht die geringste Chance, gar keine.

Ein unmerkliches Foul, das eher zu einem Elfer führt, weil es der Schiedsrichter sieht - kann immer passieren.
Ein Goalie, der ein gutes Spiel abliefert, aber dann halt bei einem der Tore patzt - geschieht andauernd.
Eine vergebene Groß-Chance beim Stand vom 0:2 - Schicksal.
Eine Mannschaft, die nach brauchbarem Spiel in der Schlußphase einbricht - Alltag.

Luftige Inszenierung

All das ist glaubwürdig choreografiert, gut geschauspielert und so leichtfertig auf die Bühne gesetzt worden - man möchte fast sagen, dass jede bessere Laientruppe sowas (bewußt hoch verlieren) kann.

Das ist für die betroffenen österreichischen Spiele kein gutes Vorab-Zeichen: man wird über gar keine mögliche Aufdeckung überrascht sein dürfen. Und womöglich werden es Spiele sein, die genau niemand in Verdacht hatte.

Denn die Ausnahme-Situationen wie das legendäre 0:7 von Rapid in Salzburg, das aktuell als geschoben durch die gerüchtebörsen weht, wird es nicht sein; auch weil die hier aufgedeckten Linken nur das Jahr 2009 betreffen.
Und auch die Seltsamkeiten, die beim Aufstieg von Hartberg und dem Nicht-Aufstieg des GAK, passiert sind (Stichwort: BW Linz-Fanproteste gegen den eigenen Klub) sind nicht Thema des Wettskandals - da sind nur die in den unteren Ligen handelsüblichen Dinge passiert, spezeille Prämienzahlungen und so. Um diese Art der Provinz-Schiebereien geht es beim aktuellen Wettskandal nicht, der ist eine Nummer größer, europäischer, globaler.

Der düstere Begleiter

Und genau diese neue und komplette Unberechenbarkeit, ja Ausgeliefertheit jenseits aller augenzwinkernden Kavaliersdelikt-Betrügereien, die in Österreich seit ewig passieren und als Folklore hingenommen werden, macht die neue Qualität aus.
Die internationale Wett-Mafia vertritt keine Interessen, arbeitet nicht für Seilschaften, die Vereine sonstwohin bringen will - da gehts um die reinste Form des Profits. Ein Gewinn, der durch die (gerne auch von Österreichern erfundenen) neuen Web-Wettanbieter (hier nur eine kleine Liste an Möglichkeiten...) ordentlich gefördert wird.

Deshalb kann und wird diese akute Form des Wettbetrugs alle betreffen, deshalb hat der #Wettskandal eine neue Qualität.

Und deshalb steht ab sofort der düstere Begleiter bei jedem Spiel feixend neben uns und freut sich über unsere Ängste.