Erstellt am: 24. 11. 2009 - 17:35 Uhr
Fußball-Journal '09-113.
Hier die nötige Vorab-Info für die Ahnungslosen.
Und hier, damit ich mich nicht wiederholen muss, eine kleine Sammlung von Analysen, auch meiner.
Es wird ein Hauen und Stechen geben in den nächsten nicht einmal zwei Wochen, ehe am 7. 12. die Wahl über die Bühne gehen wird. Gekürt wird ein neuer Präsident der heimischen Fußball-Bundesliga, also der Chef über den gesamten Profi-Fußball des Landes. Und es läuft auf ein Duell zwischen Hans Rinner (Sturm Graz-Präsident) und Dietmar Hoscher (tipp3-Chef) hinaus.
Nun ist dieser Job der womöglich wichtigste der Branche, mächtiger und bedeutender als der des ÖFB-Präsidenten. Leider wird er, so wie alle wichtigen Jobs im österreichischen Fußball, vergeben, als würde es sich um den Verband der Kanarienvogel-Züchter handeln - wobei das gemein ist, weil man dort wahrscheinlich mehr Wert drauf legt, dass es ein wirklicher Auskenner wird, und weil man sich dort (wie überall, wenn es um bedeutende Management-Jobs geht) sicher ganz genau anschaut mit welchem Programm, welchen Ideen und welchem Personal (denn die Liga-Struktur soll und muss umgebaut werden) die Kandidaten antreten.
Davon ist bei der Bundesliga, die alle 20 Profi-Vereine (also Bundesliga und 1.Liga) vertritt derzeit nicht die Rede.
Kanarienvogel-Züchter
So plapperte gestern in einer TV-Diskussion auf Sky der auch oft unangenehm laut werdende Admira-Präsident Richard Trenkwalder eine Menge unangenehmer Wahrheiten aus. Dass etwa der von den Großen (Rapid, Austria und Salzburg) gemeinsam aufgestellte Kandidat Hoscher es bislang nicht für nötig gehalten hat, sich auch nur ansatzweise mitzuteilen. Von Hans Rinner war, auch das kam bei der Debatte heraus, auch noch nicht mehr zu hören, außer dass er den Kurs des bisherigen Vorsitzenden, Martin Pucher (Mattersburg) fortsetzen wolle. Und der vom machtlosen Präsidenten eines Retorten-Vereins vorgestern ins Rennen geschickte Jux-Kandidat Veit Schalle kann diesbezüglich noch gar keine Überlegungen angestellt haben.
Business as usual, könnte man sagen, Planlosigkeit als Masterplan. Und irgendwie scheint die Philosophie der jüngsten Wahl der EU-Spitzenrepräsentanten abgefärbt zu haben.
Neben all den üblichen Begleiterscheinungen des heimischen Fußballs, wo die Interessen des Einzelnen und der Lobbies immer über das Wohl des Verbunds gestellt wird, waren aber am Rande zwei Beobachtungen zu machen, die ein sehr konkretes Spotlight auf die Übel der Branche werfen.
Beobachtung 1: Krisen und keine Krisen.
Die bisherige Präsident, Martin Pucher, burgenländischer Banker, der Mann hinter dem kleinen Fußball-Wunder Mattersburg, auch die treibende Kraft hinter der neuen Akademie seines Landes, der von Frank Stronach (den er heute noch als Lichtgestalt betrachtet) in die Position des Liga-Präsidenten gebracht wurde, erzählte anlässlich seiner Rücktritts-Erklärung (in einer TV-Show, ein wenig stillos also, oder besser: ganz alte Schule; andere machen das anders...) über seine Beweggründe.
Er habe seinen Rücktritt eigentlich schon vor der Euro für danach festgelegt (keine Ahnung, warum und in welchem Zusammenhang die Liga mit der Euro stand, das hat er nicht erläuert), ihn aber dann verschoben, weil dauernd irgendwas passierte, weil eine Krise die nächste jagte. Sagt er, und zählt auf: zuerst die Suche nach einem neuen Teamchef nach dem überraschenden Hickersberger-Rücktritt, mit der er co-betraut wurde; dann der überraschende Rücktritt von ÖFB-Chef Stickler, der ein Macht-Vakuum entstehen ließ; dazwischen eine Bundesliga-Refom, und danach dann die sinnlose Schlauch-Debatte über das Format der 1. Liga, uvam... Nie wäre Zeit gewesen in diesen dauernden Krisen-Zeiten.
Jetzt geht es dann, plötzlich. Pucher erzählt, wie er jüngst ein Portrait des verstorbenen Bertelsmann-Chefs Mohn sah, in dem der einen Satz mit dem alten "Man muss loslassen können"-Spruch abließ - das habe ihn überzeugt.
Martin Puchers seltsame Konstrukte
Interessant, oder?
Pucher, der alles für eine "Krise" hält, was Arbeit nach sich zieht, etwa auch eine Teamchef-Bestellung, die für wochenlange Medien-Präsenz und die satte Befriedigung von Eitelkeiten sorgt, und sicher hochinteressant, aber bei Gott keine Krise ist, hat mit dem aktuellen Zeitpunkt kein Problem.
Crisis, what Crisis?
Morgen zerbröselt möglicherweise der österreichische Fußball, aber das ist definitiv keine Krise, sondern der genau richtige Zeitpunkt für einen Rücktritt.
Ich seh zumindest diese finale Konsequenz genauso: Der Rücktritt, nein, der Verzicht auf die Wieder-Kandidatur ist richtig gesetzt. Und besser hätte Pucher sein seltsames Weltbild, was die Wichtigkeiten im österreichischen Fußball betrifft, nicht auf den Punkt bringen können. Ein Denk- und Werte-Konstrukt, in dem eine aufgeblasene Teamchef-Suche mehr Bedeutung hat als der europaweite Wettskandal, hat im Management eines nationalen Top-Verbunds nichts verloren.
Beobachtung 2: Verzahnungen und Verstrickungen.
Peter Rietzler, bei den Falk-Boulevard-Medien Ganze Woche und Täglich Alles vorgebildeter ehemaliger Liga-Pressesprecher und jetziger laola1-Chefredakteur, wies in derselben TV-Sendung auf Erschreckendes hin.
Dass nämlich, mit Ausnahme seines eigenen Mediums und ein paar anderer unabhängiger Ausnahmen aktuell niemand medial die Rolle des Kandidaten Hoscher deutlich unter die Lupe nehmen könnte, weil allerorten klare Interessen mitspielen würden, die eine Kritik unmöglich machen.
Hoschers Tipp3 ist Sponsor der Liga, aber auch wichtiger Inserent der Tagespresse (vor allem der Bundesländer-Medien), die wiederum über komplizierte Verlags-Beteiligungen im übrigen auch allesamt auch großflächige Mitbesitzer der Mutterfirma von Tipp3 sind. Im Vorstand der österreichischen Lotterien, deren offizieller Wettkanal Tipp3 ist, säßen der ORF-Generaldirektor und (in einer anderen Funktion, nämlich als BSO-Vertreter) ÖFB-Generalsekretär Gigi Ludwig.
Rietzler erinnert an die Lotterie-Mächtigen Wallner und Stoss (ÖOC) sowie Stickler (ÖFB) und spricht dabei von Erbrechten, erwähnt Hoschers Rolle als SP-Mandatar und Mitarbeiter des ehemaligen SP-Finanzministers, der jetzt Rapid-Präsident ist. Und er thematisiert die Problematik, dass der Chef eines Wettanbieters den wichtigsten Posten im österreichischen Fußball ausgerechnet in den Krisen-Wochen des riesenhaften Wettskandals bekommen soll.
Die erbarmungswürdige Rolle von Medien in Abhängigkeit.
Das alles tut Rietzler mit dem Hinweis, dass diese wichtigen Hintergrund-Informationen, die eine unabhängige Presse ihrem Publikum eigentlich zur Verfügung stellen müsste, von 95% der Medien nicht bereitgestellt werden - wegen der angesprochenen Verstrickungen.
Der Mann hat leider recht.
In den heutigen Berichten zur BL-Präse-Wahl dominieren die Oberflächen-Fakten, personalisierte Befindlichkeiten und maximal die auch interessante Tatsache, dass sich die sonst spinnefeinden Top 3 (Salzburg, Rapid und Austria) überraschend auf einen gemeinsamen Auftritt geeinigt haben. Aufs Dahinter geht kaum jemand ein, einzelne seriöse Leute wie Kralicek im morgigen Falter oder Simon Rosner von der Wiener Zeitung einmal abgesehen.
Einige der Berichte sind anständig aufbereitet, die zentralen Infos über Unvereinbarkeiten und Verflechtungen bleiben aber außen vor.
Auch hier, wie schon so oft: Medien vergessen ihre ursprüngliche Aufgabe und verdingen sich als Interessensvertreter, betreiben aktive Verleugnung ihres Herrschaftswissens.
Und da ist es echt wurscht, ob das im Politik- oder Kultur-Bereich, oder eben hier, in der Sportpolitik passiert. Die treibende Kraft dahinter ist dieselbe; und trägt dazu bei, dass Journalismus stirbt.
Dass nebenbei die Kür der wichtigsten Rolle im heimischen Fußball zu einer ziemlichen Farce wird, ist wahrscheinlich das geringere Problem. Denn nichts anderes war im Vorfeld zu erwarten.