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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 11. 2009 - 23:31

Journal '09: 22.11.

Kurze Einmengung in ein Frauen-Problem.

Bei der Frage "Glaubst du, dass du mit offenen Augen durchs Leben gehst?" würde ich ohne zu Zögern das Ja-Kastl ankreuzen, auch gerade in Kenntnis meiner blinden Flecken. Und in Kenntnis der Unmöglichkeit bestimmte Positionen, Haltungen, Gefühligkeiten nachzuempfinden. Sich da als moralischer, empathischer oder emotionaler Anwalt zu positionieren ist also wenig glaubhaft.

Andererseits: Wenn sich an einem Abend derart gehäuft ein sehr spezielles Problem als Thema durchzieht hielte ich es auch nicht für richtig, sich komplett auszuklinken, auch wenn ich es einfach nicht kompetent genug besprechen kann.

Ich bin nun einmal keine Frau.
Und kann deshalb die alltäglichen Probleme die sich da stellen, in ihrer Komplexität und Eindringlichkeit nicht einmal erahnen. Ich weiß nur, dass ich denen, die in absurder Verblendeng genau das von sich annehmen bloß mitleidige Verachtung entgegenbringen kann.

So wie ich z.B. die Pose des Patronizings, das Übel des Paternalismus, das sich in Männerrunden gerne breit macht und unlängst zu dieser Geschichte und einer kleinen grauslichen Ekelblüte geführt hat, einfach nur widerlich finde.

Wo sind die Role Models?

Ich halte heute alle Auftretenden und Zitat-Geberinnen bewusst anonym.

Es ergab sich dann also gestern so, weil ich als einziger Mann in einer Frauenrunde bei einem Auftritt der Chicks on Speed im Gartenbau-Foyer gelandet bin. Und weil dort dann eine Diskussion aufpoppte, die - weil man sich inhaltlich recht einig war - eher analytisch und forschend war.

Die schwache Liste von lebenden, aktiven, greifbaren Vorbildern für junge Frauen:
Jelinek, Streeruwitz, Export, Dohnal, Heide Schmidt...

Zusatznennenungen im Forum werden hier angefügt...

Wo nämlich die weiblichen Role Models wären, die einem gewissen Alter bzw. Gestus (Jugend, Party, Action) entwachsen wären. Und wie ihre überdeutliche Abwesenheit (denn die Liste blieb schütter besetzt) dazu führen würde, dass sich junge Frauen weiterhin fast in jedem Bereich (nicht nur in kreativen) an männlichen Mustern orientieren würden.

Was dann automatisch dazu führt, dass sich die ganz banalen Basis-Werte (wie Einkommenschere, Chancengleichheit, wirtschaftliche und politische Partizipation) in Österreich nicht stetig verbessern, sondern tief nach unten schlittern. Der aktuelle Global Gender Gap Report rankt Österreich da auf dem lächerlichen 103. Platz, unter den 27 EU-Ländern ist man hochpeinlicher 26.

Auch die unlängst vom Magazin Gap veröffentlichte Liste 100 Österreicher/innen unter 40, die in Zukunft wichtig werden könnten, spiegelt das deutlich wider. Frauen kommen auch hier eher in klassischen Bereichen (Design, Mode, Kunst oder Medien, politische Köpfe hingegen (wie Barbara Blaha, bezeichnenderweise eine Aussteigerin) sind in der Minderzahl und der IT-Bereich ist völlig frauenfrei.
Und zwar nicht weil das Gap böswillig ist, sondern weil es die Realität abgebildet hat.

Wie seit Jahrtausenden: Definition über Männer

Das führt dann dazu, dass junge Frauen sich (wie seit tausenden Jahren) über die Aufmerksamkeit von älteren Männern nach vorne arbeiten müssen; sagen meine Begleiterinnen und deklinieren das anhand konkreter Beispiele durch. Und zwar an solchen, die tatsächlich unverdächtig sind, was die da mitschwingenden sexuelle Ausbeutungsgeschäfte betrifft. Schlimm genug, sagt die eine, dass ich mir auch im Fall eines wirklichen Experten immer die Frage stellen muss, ob er das, was ich mache gut oder einfach nur mich geil findet.

Das ist ein fatal richtiger und wichtiger Punkt.
Das ist z.B. etwas, was im Fall einer bedeutenden österreichischen Filmproduktions-Firma, in der zwei bekannte Regisseurinnen mit das Sagen haben, nicht passieren kann. Und auch sonstwo nicht passieren würde, wenn es überall so wie bei der coop99 wäre, nämlich geschlechterparitätisch.

Als ich bei der besten Gastro der Stadt (der im Gartenbaukino eben) noch was zu Trinken hole, läuft mir eine Bekannte aus dem Bereich der Museums-Padagogik über den Weg. Sie ist gerade mit der Ausstellung Gender Check befasst und erzählt mir - ohne zu wissen, worum es in meiner letzten Stunde gerade ging - letztlich dasselbe. Und betont, wie sehr die Beschäftigung mit dem Gender Check sie in jedem Lebensbereich für die offenliegenden Probleme, die von der Männerwelt gar nicht gesehen werden, und von Teilen der Frauenwelt verdrängt werden (weil hier immer noch eine Erziehungs-Philosophie hin zu Verzicht und Rücksicht greift), sensibiliert hat.

Dann, wieder retour auf der Stiege, auf der diskutiert wurde, erspähe ich auf der anderen Seite des Raumes eine Frau, die in die Role Model-Liste passen würde, wenn sie nicht reine Szene-Semi-Prominenz hätte: Eine Frau, die vor einigen Jahren als Szene-Checkerin und Königsmacherin einen bestimmten Bereich der österreichischen Szene mitbeherrschte, eine Frau, die es geschafft hat, ihren Rock'n'Roll-Lifestyle würdevoll ins mittlere Alter (sie wird wohl schon ein bisserl über 50 sein) rüberzubringen, eine Frau, die immer noch unterwegs ist, vor allem, wenn es im Bereich Kunst (es handelte sich ja um die Wien Modern-Abschlussparty) und bewusste Frauen (es waren schließlich die Chicks on Speed, die da ein Set ablieferten) spielt.

Interessant am unten-stehenden Forum (auf das ich diesmal nicht eingehen mag): wie deutlich man da (allen Nicks zum Trotz) Frauen und Männer auseinander-halten kann, wenn zweitere Gruppe sich nicht über engstirnige Distinktion, eingetrichterte Vorurteile und die entsprechende Ausreden-Kultur erheben kann.

Nun ist es mir als Außenstehendem schon auch wichtig, drauf hinzuweisen, dass es also durchaus möglich ist, sich als Frau in einer totalen Männer-Domäne durchzusetzen; allerdings halt nur, wenn man die Mentalität einer Wildsau hat und sich nicht viel scheißt - was einem wiederum von der Männer-Mehrheit nur dann nachgesehen wird, wenn man, ich zitiere von vorhin, "geil" ist.

Und schon ist die zufällig auftauchende Ausnahme auch wieder der Beleg dafür, dass das Hoffen auf puren Darwinismus als Regulativ allein nicht genügt.