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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

21. 11. 2009 - 19:51

Fußball-Journal '09-111.

Hypothetisch gesprochen. Vorbereitung auf die Bekanntgabe des Grauens am Mittwoch. Und ein Blick nach Klagenfurt.

Es gibt zwei Möglichkeiten sich dem zu stellen, was Mittwoch passieren könnte, nachdem die UEFA die österreichischen Vertreter von Verband und Liga über die Details zu den 11 verschobenen Spielen in Bundesliga und 1. Liga informiert haben wird.
Es gibt da die defensive Variante: zu hoffen, dass der Wettskandal, der Betrugs- und Korruptions-Mist an Spielern, Coaches, Offiziellen und Vereinen hängenbleibt, die einem immer schon komisch oder gar verdächtig vorgekommen sind.
Und dann wäre da die offensive Version: damit zu rechnen, dass da auch Leute unter den Beklagten sein werden, von denen man bislang viel gehalten hat, sportlich wertvolle Teilnehmer an diesem Fußball-Zirkus, der einem so am Herzen liegt und womöglich auch Vereine, die man als vorbildlich im Hinterkopf abgespeichert hat.

Wegschweigen statt den Worst Case durchzudenken

Realistischer ist Zweiteres.
Da wäre auch noch eine dritte Möglichkeit, die aktuell etwa vom Liga-Übertragungs-Lizenz-Halter "Sky" gepflogen wird: gar nicht dran denken, nix erwähnen, alles durchtauchen und wegschweigen. Und, wie bei Vertretern der Philosophie, dass Journalismus die Kunst des nicht weiter zu verteilenden Herrschaftswissens sei, eine abartige Fehlinterpretation der Pflichten der Vierten Gewalt.

Denn im Hintergrund wird natürlich schon gerechnet, was die Auswirkungen auf den laufenden Betrieb betrifft; bis hin zum Worst Case.

Österreichischer Schiedsrichter sagt, deren Chef, DoktorDoktor Kapl, seien nicht betroffen - keine Ahnung woher er das weiß, aber das bedeutet, dass es Spieler/Coaches/Funktionäre sind und dass automatisch Vereine betroffen sind.
Es ist - theoretisch - natürlich auch möglich, dass alle der 11 betroffenen Spiele in Österreichs 1. und 2. Liga von einem einzigen Kern des Bösen ausgeheckt und durchgeführt wurde - schließlich ist im Sommer ja je ein Team von Bundesliga in 1.Liga gewechselt.
Das ist aber unwahrscheinlich.

Auf dem Weg zur Liga nach Wrestling-Vorbild?

Deshalb betreffen die 11 Spiele also zumindest zwei Mannschaften, wahrscheinlich eher 3 oder 4 oder mehr. Und die Stoßgebete, dass keine Europa-League-Spiele der Österreicher betroffen sind, kann ich förmlich greifen.

Gehen wir von drei Clubs aus, deren Vertreter sich also des Betrugs, der Korruption, eines Verbrechens schuldig gemacht haben. Das ist realistisch wohl das Minimum. Die Bundesliga kann gar nicht anders, als drastisch strafen, entweder mit radikalen Punkte-Abzügen oder, besser, mit Lizenzentzug, im schlimmsten Fall, wenn Offizielle oder Trainer dabei waren, auch mit sofortigem Ausschluss aus den jeweiligen Ligen.
Anders, Sorry, geht's gar nicht - das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit hängt dran.

Sollte es da Überlegungen geben, Vereine, deren Verantwortungsträger oder Spieler sich aktiv am Verschieben von Bewerbsspielen schuldig gemacht haben, mit einem Schulterklopfer davonkommen zu lassen, dann würde das zwar der österreichischen Mentalität entsprechen (wo ja auch Alko-Lenker immer noch gern als lässige Burschen, wenn nicht gar als Heilige betrachtet werden), gleichzeitig aber das Ende des heimischen Fußball-Sports bedeuten. Der würde dann in Richtung Wrestling, in Richtung Heumarkt wegdriften.

Die Entwertung der Meisterschaft verhindern

Auch eine Marktlücke - und dem Verhalten einiger Club- und Verbands-Verantwortlicher würde dieser Show-Zugang sogar durchaus eher entsprechen, als die Anforderungen des internationalen Fußballs im 21. Jahrhundert (wo diese Herren noch lange nicht angekommen sind); vor allem Show-Experten und Herrenbauern-Präsidenten käme das entgegen.

Klar entwertet das einen erheblichen Teil der heurigen Meisterschaft komplett. Denn damit stehen die Absteiger schon fest. Wohl zumindest einer aus der Bundesliga, und eher zwei oder gar mehr aus der 1. Liga.

Waren es in den letzten Saisonen Pleiten und Konkurse bzw. durch damals viel zu laxe Vorschriften, noch nicht den internationalen Richtlinien entsprechende Regulative mögliche Lizenz-Übertragungen, die die Entscheidungen letztlich auf den grünen Tisch verschoben haben, wird es in der Saison 2009/10 der Wettskandal sein, der die beiden Ligen neu aufstellt.

Im besten Fall steigt kein aktueller Profi-Verein (die dann schon degradierten Betrüger-Opfer nicht mehr mitgerechnet) aus sportlichehn Gründen ab und alle drei Regionalliga-Meister dürfen rauf (sofern sie die Regeln einhalten - Pasching tut das ja bekanntlich nicht).

"Das muss man sich einmal vorstellen!"

Im schlimmsten Fall, bei einem Flächenbrand, der gleich 5, 6 Betrüger-Clubs wegweht, bleibt der Liga gar nichts anderes übrig, als mit einer einzigen Übergangs/Notfall-Liga in die Saison 10/11 zu starten.

Um mit Thomas Gottschalk zu sprechen: "Das muss man sich erst einmal vorstellen!"

In dieser Situation muss man sich auch vorstellen, dass sich im Komödienstadl Kärnten lokale Possenreißer ernsthaft drum bemühen, den einzigen Profi im gesamten Führungsbereich, den Trainer und Sporttdirektor Frenk Schinkels, zu entsorgen.

Hallo, Klagenfurt! Kärnten liegt in Europa, auch in Österreich, ist nicht einmal ein Freistaat, als der man sich gern gibt. Schaut über eure Landesgrenzen und erkennt: Der Abstieg ist für heuer ausgesetzt! Man kann also das machen, was die Aufgabe eines Mittelständlers in einer Ausbildungsliga ist: ausbilden, nachhaltig wirken, langsam aufbauen.

Hektik und Hysterie mögen Elemente sein, die das politische Leben in Kärnten prägen - für die Saison 09/10 kann man sie ab sofort aussetzen!

Klagenfurt ist anders

Leider spielt die lokale Politik, auch die lokale Medienpolitik so tief rein in den Retortenclub (Zitat Schinkels), dass man sich einfach nicht aus diesem alten Denken befreien wird können.

Leider spielen dort immer noch die Eitelkeiten und Empfindlichkeiten der vom Landeshautpmann der Herzen eingesetzten rein politischen Konstellation bei der Austria Kärnten mit: ein FP-Präsident, ein BZÖ-Landeshauptmann, ein Vorstand, in dem der Sport/Society-Reporter der KTZ (der dritten und kleinsten Kärntner Tageszeitung) neben einem Tourismus-Manager und anderen, äh, Experten, auch noch einige Vertreter sitzen, die bereits den Vorstand der Vorgänger-Totgeburt FC Kärnten nicht gerade erfolgreich schmückten.
Und die gefallen sich bereits die letzten Monate über darin, Personalpolitik zu machen - was durch die Schwäche des Präsidenten (Null politische Hausmacht), die Haider-Zentrierung der Vereinsstruktur (desmochmascho! I bin eh do) und den ZickZack-Kurs des Landes wie auch des Sponsors.

Denn die Treueschwüre der Kelag beinhalten so viele Wenn, Abers und Hintertürl wie die erschreckend rückgratlose Ansage von Präsident Canori vor dem heutigen Heimspiel gegen Mattersburg, das überflüssigerweise als Entscheidungsspiel über Schinkels Zukunft ausgerufen wurde.

Selbstzerstörungs-Mechanismus: aktiviert!

Der sagte da ernsthaft, er würde keine Trainer-Diskussion führen und die Saison durchziehen wollen, wäre aber bei einer Niederlage heute sicher von einer Dynamik überrollt, die dann in eine Richtung gehen würde, die er nicht wolle.
Dass muss man sich erst einmal vorstellen...

Auf die Frage was denn bei einem Remis wäre, entfährt dem Krokodilträner dann ein verräterisches "Ja, das wär blöd...".

Exkurs Kärnten - Ende; die Selbstzerstörungs-Mechanismen sind bereits angelaufen.

Mittlerweile herrscht in Niederösterreich leise Panik: Eine der vier österreichischen Hausdurchsuchungen hatte ja in Vösendorf stattgefunden, südstadt-nahe, da wird man wieder an die unlängst bei der Admira intern hochgespülte und auch intern gelöste Wettbüro-Geschichte von Hota erinnert.
Und die wichtige Rolle, die die Polizei in Graz (mit drei Hausdurchsuchungen in der Steiermark) gespielt hat, sorgt für vorsorgliche Dementis aller vier steirischen Vereine im Profi-Bereich. Es werden auch schon Hände ins Feuer gelegt.

Wettcafé-Sitzer und namenlose Ligen

Interessant, dass heute erstmals nach langer Zeit Sasa Ilic wieder auf der Salzburg-Bank saß. Der Wettcafé-Freund war erst jüngst wegen seltsamer Äußerungen und Taten suspendiert worden.

Auch interessant ist, wie die beiden österreichischen Ligen aktuell gerade heißen: Bundesliga und Erste Liga. Komisch, wo einen sonst bei jeder Nicht-Erwähnung des offiziellen, sponsorenüberfrachteten Titulierung (die tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile und die Adeg-Erste-Liga) ein Liga-Vertreter ganz böse anschaut. Partner-Medien, die Berichterstattungs-Rechte gekauft haben, sind zur Nennung vertraglich verpflichtet.

Im Fall Hoscher wird's doppelt heikel: erstens ist die Wettbranche aktuell diskreditiert. Und zweitens ist die Konfrontation zwischen dem einzigen "offiziellen" Wettanbieter (tipp3) und den direkten Konkurrenten (bwin, bet-at-home, Cashpoint etc), die rechtlich einen nicht ganz so klaren Status haben, bei einer Zementierung der Macht, natürlich ein Problem.

Davon ist aktuell wenig bis gar nix zu hören, vor allem im Fall von tipp3, für die die Situation natürlich ganz blöd ist und das nicht nur, weil der Chef eigentlich als Liga-Präsident schon designiert war. Jetzt wird wohl (schon wieder) einer Vereinspräsidenten werden, der in jeder normalen Liga der Welt wegen klarer Unvereinbarkeit unmöglich wäre. Auch ein echter Jammer, dass sich niemand über Profitum in der Profiliga drübertraut.

Wenn man allerdings Vereine wie Austria Kärnten vertreten muss, ist das nur folgerichtig. Dort hat man in genau diesem Moment (noch dazu hoch) verloren - und damit ist der Selbstzerstörungs-Mechanismus hiermit aktiviert. Jede Liga hat die Mitglieder die sie verdient.