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Susi Ondrušová

Preview / Review

22. 11. 2009 - 11:04

Gossip

Ääävryone is gay!

Die Raumkoordinaten bei einem Konzert sind nicht zu unterschätzen. Von der Sichtlage und Hörweite hängt schließlich der persönliche "Gewinn" vom langersehnten Konzertabend ab. Für mich sollte es der hinterste Winkel auf den Stufen des Gasometers werden. Das hat weniger mit einem Unwillen zu tun, als mit den logischen "Das Maß ist voll"-Gesetzen. Und war auf jeden Fall die bessere Voraussetzung, als bei meinem Versuch dem Spring-Gastspiel von Gossip beizuwohnen. Damals hab ich die letzten 10 Minuten von der Graz-Performance am Wanderweg zur Kasemattenbühne "gehört".

Gestern im Gasometer dann also freiwillig an den Rand bei den Notausgängen gerückt, so weit, dass mich die um diese Notwege besorgten Securities ignoriert haben. Aus dem einen Augenwinkel visiere ich den Lichtmenschen an, der von hinten zwar den Neil Young-Groupie mimt, aber beim ersten Takt seine Moves und Lichtspiele auf Disco ausrichtet. Aus dem anderen Blickwinkel dann die Bühne. Direkt vor mir ein Köpfe-Meer, so viele, wie ein ausverkauftes Gasometer tragen kann. Ein mehrfaches davon, was das Wiener Chelsea pro Woche aushält. 2005 ist natürlich lange her, wer hätte gedacht, dass der Tag an dem man sich zum ersten Mal Vortex Rex live anschaut, auch der werden sollte, an dem man in diese Bluesband aus Arkansas reinkippt. Regelrecht reinkippt. 2005 fühlt sich genauso weit weg an wie 1993. Was? Warum?

Beth Dito

shooting music/florian wieser

1993 ist nämlich In Utero von Nirvana erschienen. Meiner Meinung nach das beste Album allerzeiten ("Screw you Mr. Chartseller!") und auch mein erstes Nirvana-Album, das ich mir seiner Zeit aus einer Bibliothek in Wien Margareten ausgeliehen habe. ("Wir haben ja wirklich nichts gehabt!") Als ich unwissentlich die Vorband Ssian versäume, läuft "All Apologies". Der Lichtmann wippt taktvoll mit. Herrlich. Hand und Fuß. Die Bühne ist verdunkelt und unbemannt als uns eine Stimme aus dem Off "Prost" und "Ich liebe dich" über die PA mitteilt. Klar, distill the life that´s inside of me. Werden sie etwa gleich Smiley-behangen die Bühne betreten? Trotz Kurzsichtigkeit und einer Busstation-Entfernung dazwischen, lässt sich dieses Zeichen auch von einem Gorilla im Nebel wie mir erkennen. Smile.

Gossip Drums

shooting music/florian wieser

Darf ich vorstellen: Das Nirvana T-Shirt.
Gossip Gitarrist

shooting music/florian wieser

Und hier: Joy Division.
Gossip Bassist

shooting music/florian wieser

Et voilà: Yoko Ono.

Mit dem Music For Men-Opener "Dimestore Diamond" geht es auch schon los. Beth Ditto betritt die Bühne. Ich würde euch gerne etwas mehr über das Kleidungsstück der Sängerin verraten, aber mein modisches Wissen hört mit T-Shirts auf und lässt mich aus der Entfernung nur einen gelben Ganzkörperstrumpf erkennen, darunter ein Negligé und das weiß ich auch nur, weil in der Mitte vom Gig die Hülle fällt. Der Anfang vom Konzert ist zurückhaltend, das ist eine ziemlich schmerzhafte Erfahrung und weniger als 24 Stunden später auch eine traurige Erkenntnis, denn Anfänge von großen Shows sind eigentlich immer zurückhaltend.

Beth Dito

shooting music/florian wieser

Meine Theorie in Bezug auf gestern stützt sich nicht auf meinen steigenden Getränkekonsum proportional zur tickenden Letzte-U-Bahn-Erinnerungsnotiz, sondern auf dieses Meer an Köpfen, das starrte und starrte und starr starrte, bis es dann kollektiv "klick" gemacht hat und auch aus der letzten Reihe eine euphorisierte erste Reihe geworden ist. Hände in die Höhe, das volle Programm eben. Spätestens ab der Lady Marmelade-Anleihe, die zu "Listen Up" übergeht, wars um die Halle geschehen. Gossip sind pop, pop, pop. Die Raumeroberung findet bei Erkennungswert der Hits statt. Beth Ditto wandert von links nach rechts, wedelt mit dem Handtuch, vergibt in bester Singstar-Manier das Mikrofon an die erste Reihe. Geben und Nehmen. Ein und Ausatmen. Mann und Frau. Blues und Disco. Mundwinkel rauf und runter.

Eine Frage noch zum Schluss, bevor ich erzähle, dass sich ein "Smells Like Teen Spirit"-Zitat in "Standing in The Way Of Control" eingeschlichen hat: Wart ihr schon mal im Casino und habt die gleiche Summe verspielt, die ihr gewonnen habt? Nicht, dass Gossip ein Nullgeschäft wären, aber was mach ich jetzt, wo ich erkannt habe, dass ich spielesüchtig bin?

Und hier das Zitat: "Here we are now, entertain us."
Und: "What's love but a sweet old fashioned notion?"
Und natürlich: "We are the champions."

Und eins von mir noch gratis: "Cu soon."

Beth Dito

shooting music/florian wieser

Danke an Florian Wieser/Shooting Music