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Roland Gratzer

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18. 11. 2009 - 11:02

Is there anybody out there?

Endlich habe auch ich meine Google Wave Einladung bekommen. Das Problem dabei ist aber: Niemand will mit mir Wellenreiten gehen.

Neidisch blickte ich die letzten Wochen auf alle tweets, die mit #wave versehen waren. Immer, wenn jemand Einladungen für das prognostizierte Wunderding von Google zu vergeben hatte, war ich zu spät. Und als ich schon alle Hoffnungen aufgegeben hatte, in den erlesenen Kreis der Preview-TesterInnen aufgenommen zu werden, war sie plötzlich da. Die Eintrittskarte in die Zukunft des kollaborativen Arbeitens und überhaupt alles. Dachte ich zumindest. Denn die Versionsbezeichnung "Preview" ist sowas von korrekt, dass es irgendwie enttäuschend ist.

Google Wave Dialog

grr

Kollege Dempsey hat einfach immer recht.
Die beiden Google-Entwickler Jens und Lars Rasmussen

www.flickr.com/photos/niallkennedy/3573459849/

Die Rasmussen-Brothers

O' Brothers...

Was ist denn das jetzt eigentlich, dieses Google Wave? Ende Mai haben die beiden australischen Entwicklern Jens und Lars Rasmussen ihren prognostizierten Großwurf vorgestellt (Die beiden Brüder haben vor einigen Jahren auch die Grundlage für Google Maps geliefert). Das geplante Ding ist sowas wie eine Mischung aus email, Instant Messaging und wiki (ganz grob zusammengefasst) und soll nicht weniger sein als DIE Antwort auf alle Probleme der Netzkommunikation (ganz utopisch prognostiziert).

Die Mühen der Telearbeit

Dank an @PatrickHoefler für die Einladung und den Kontakt zu Eliza

Denn man kennt das ja: Anstatt sich im physikalischen Raum zu treffen, läuft immer mehr private und berufliche Kommunikation über die WLan-Spots unserer Wohnungen und Gastronomiestätten. Mails mit megabytegroßen Attachements verstopfen unsere Inboxen, und was eigentlich auch mit einem Telefonat zu erledigen wäre, wird zur mühsam langsamen Diskussion auf irgendeiner Mailingliste. Das Social Network mag zwar toll sein, wenn es um Freizeitbeschäftigung, Arbeitsablenkung, politische Mobilisierung und das journalistische Begleiten von Weltereignissen geht, eine Projektsitzung über facebook oder twitter wäre dann aber noch nicht so lässig.

Das Google Wave Logo

google

Und so schaut das Logo aus.

No more Versionenkonflikt!

Und das soll mit Google Wave nun anders werden. In einer Art multifunktionalem Chatfenster können beliebig viele Teilnehmer miteinander kommunizieren. Alles, was die Eingeladenen schreiben, sehe ich in Echtzeit im Fenster aufscheinen. Außerdem lässt sich alles editieren, ohne dass es zu einem "Versionenkonflikt" kommt, wie das der deutschsprachige Wikipedia-Artikel so schön nennt. Das ganze besteht aber nicht nur aus Text. Auch Bilder und sonstige Dateien lassen sich via Drag and Drop einfachst in das Fenster ziehen und stehen jedem sofort zur Verfügung. Und sollte man sich - warum auch immer - auch physikalisch treffen wollen, lädt irgendjemand einfach schnell mal eine Map hoch. Irgendwann habe ich dann eine kilometerlange Wurst, die sich ohne großen Aufwand speichern und/oder auf andere Websites übertragen lässt. Achja: Diese Wurst heißt übrigens Wave und lässt sich dank Open Source (brav, google, brav...) von allen Interessierten um allerlei Robots und Gadgets erweitern. Und dass sich Dienstleister wie twitter ohne großen Murks einbinden lassen, versteht sich eigentlich sowieso von selbst.

Eine Flipchart-Grafik über Google Wave

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Das Problem in schematischer Darstellung (Buntstift auf Flipchart)

Auch der Wikipedia zu entnehmen: Der Name entstammt übrigens der nicht ganz so erfolgreichen Science Fiction Serie Firefly. Die Rasumussen-Brüder mögen sie trotzdem so gern, dass selbst die Absturzmeldung auf einem Zitat aus der Serie basiert. Aus diesem Grund habe ich auch versucht, mich in punkto maritimer Metaphorik zurückzuhalten.

Wer will mitspielen?

Mit diesem Vorwissen angetriggert und mit den größten Hoffnungen seit ich vor Jahren zum ersten Mal ICQ benutzt habe, logge ich mich also ein. Und was sehe ich? Nichts. Die ganzen features (die in der aktuellen Preview-Version oftmals nur erahnt werden können) bedingen nämlich einen nicht unwesentlichen Faktor: User. Und weil halt nur wenige eine Einladung haben und die dann auch nicht immer gleichzeitig online sind, heißt es erst einmal Warten. Und Warten. Und Warten. Und wieder Warten. Irgendwann entdeckte ich dann die computergenerierte Userin Eliza the Robot Shrink. Nach einem kurzen Plausch merke ich doch recht schnell, dass Eliza nicht wirklich auf meine Probleme eingehen will und lasse die Welle ausfließen. Auch die drag and drop Funktion will bei mir einfach nicht funktionieren und die bereits erhältlichen Zusatzfeatures verlangsamen meinen Computer so dermaßen, dass das punktuelle Erscheinen der Buchstaben zu einer Qual für das Auge wird.

Mir ist natürlich klar, dass sich alles noch in der Entwicklungs- und Testphase befindet und die bisher eingeladenen UserInnen eben das tun sollen: Testen und Entwickeln. Aber die Frage sei mir erlaubt: Wie soll man ein kollaboratives Programm ausprobieren, wenn man ganz alleine auf der Welle reitet?

ein dialog in google wave

grr

Kommunikation am Rande der Verzweiflung

Des wird scho...

Irgendwann wird Google Wave der gesamten Menschheit (zumindest der mit Geld für Hardware und Internetanschluss, also eigentlich gar nicht so vielen) zur Verfügung stehen und nicht nur denen, die - so wie ich - um eine Einladung schnorren mussten. Und wenn das erst einmal so weit ist, könnte sich die Wellen-Kommunikation zu einem Anbieter entwickeln, ohne den die Telearbeit der Zukunft kaum mehr vorstellbar sein wird. Dass dieser Anbieter dann im Besitz von Google sein wird, ist wieder eine andere Geschichte. Aber auf die Firma mit der besten Kantine der Welt zu schimpfen, ist ja sowas von 2006. Oder war es doch 2007? Und war nicht 2008 auch noch irgendwas?