Erstellt am: 17. 11. 2009 - 18:16 Uhr
Fußball-Journal '09-107.
Die bisherigen Stationen der Constantini-Legacy.
Während der ÖFB sein Gefühl für die Nachwuchs-Nationalmannschaften zunehmend verliert, wird die Schweizer U17 von nebenan Weltmeister.
Der Fußball-Öffentlichkeit ist die offensichtliche Wurschtigkeit der ÖFB-Bestimmer der U21 gegenüber in sehr hohem Maße (zu über 80%) gar nicht wurscht!
Im übrigen sei hier der immer wieder gern unter den Tisch gekehrte Fakt, dass die Anzahl der österreichischen Fußball-Lehrer (= Coaches) die es zu einem ausländischen Verein geschafft haben, die Finger einer Hand nicht ausfüllen kann, in Erinnerung gerufen. Warum ist das wohl so?
Sie haben es schon wieder gemacht.
Anlässlich des mittwöchigen U21-EM-Qualifikationsspiels gegen Azerbeidjan wiederholt der Teamchef einen Schmäh, der sich schon einmal als Unwahrheit herausgestellt hat.
Als ob etwas nicht der Wahrheit entsprechendes bei Wiederholung richtiger werden würde - getreu einem der zentralen Motti angewandten politischen Populismus.
Die Passage in der APA-Aussendung lautet so:
"Am Mittwoch steht die U21-Auswahl im Heimspiel gegen Aserbaidschan vor einem Pflichtsieg, der allerdings ohne Baumgartlinger, Kavlak und Alaba sowie die ebenfalls noch spielberechtigten A-Team-Kicker Aleksandar Dragovic, Daniel Beichler, Jakob Jantscher und Yasin Pehlivan bewerkstelligt werden muss. 'Priorität hat das A-Team. Manfred Zsak war letztes Jahr so kurz wie nie vor einer EM-Teilnahme und hat keinen einzigen Spieler vom A-Team gekriegt. Er hätte sich gewünscht, drei zu bekommen', sagte der Teamchef."
Nun war der heutige Teamchef vor Jahresfrist wohl im Interessens-Nirvana, was das Nationalteam betraf und weder informiert noch interessiert - weshalb er jetzt das glauben muss, was ihm sein Assistent, der damalige U21-Coach Manfred Zsak erzählt.
Das war im Wortlaut folgendes: "Wenn mir der Teamchef [Brückner]ein oder zwei Spieler, die einen Tag später beim A-Team gegen Serbien Ersatz waren oder auf der Tribüne gesessen sind, gegeben hätte, hätten wir es sicher geschafft."
Wiederholtes Nachtreten
Diese Aussage, nein, dieses Nachtreten vom Juni des Jahres war schon damals nicht wahr - ich habe damals alle Fakten zusammengesammelt und das wurde dem Teamchef auch öffentlich entgegengehalten.
Offenbar ohne nachhaltige Wirkung.
Weil: er tut es wieder.
Deswegen: wieder die Entgegnung. Die Fakten.
Also: am 11. bzw 15. Oktober 08 spielt die Nationalmannschaft auf Färöer und gegen Serbien. Man hat noch alle Chancen auf eine Qualifikation für die WM: Mit dabei sind fünf an sich U21-Spielberchtigte, nämlich die Euro-Teilnehmer Harnik, Prödl, Hoffer und Gercaliu. Dazu kommt ein Neuer, nämlich der von Brückner hochgeholte Marko Arnautovic.
Der war der einzige, der in der bereits zwei Jahre zusammengespielten damaligen U21 Stammspieler war.
In der PK vor den beiden Länderspielen betonte Teamchef Brückner, dass er eigentlich auch den damals in Überform befindlichen Rubin Okotie hochholen wollte, ihn aber in dieser wichtigen Phase (die Barrage-Spiele gegen Finnland, die Entscheidung um die EM-Quali stand bevor) aus dem Team reißen wolle. In Anwesenheit von U21-Coach Zsak im übrigen.
Dass das kein Schmäh von Brückner war, zeigte sich beim nächsten Kader im November: Okotie war dabei und debutierte.
Die verdrängte, unangenehme Wahrheit
Also: Constantinis Aussage, Zsaks Aussage - beide falsch. Ich möchte nicht von einer Lüge sprechen, weil sowas Absicht unterstellt. Aber: auch eine wiederholt geäußerte Unwahrheit, weil man Konstallationen vergisst und Fakten verdrängt, ist etwas, was sich zu einer üblen Posse auswachsen kann. Dass Brückner keine österreichische Entgegnungs-Lobby zur Verfügung steht ist kein Grund für eine derartige Verfehlung.
Nun würde das an sich schon reichen um den Lapsus Constantinis und Zsaks als das hinzustellen was er ist: überflüssiges Nachtreten, eine offene Unsportlichkeit. Man weiß, wie die Strafe würde selbige auf dem Platz stattfinden, ausfallen würde.
Schaun wir uns aber das Umfeld der aktuellen Äußerung genauer an.
Constantini spielt ein Testspiel gegen Spanien, während die U21 im Heimspiel gegen Azerbeidjan unter Sieg-Zwang steht. Und er gibt keinen (in Zahlen: 0, in Worten: niemanden) für die U21 frei. Obwohl er 7 Spieler rüberschaufeln könnte (Drazan und Arnautovic sind verletzt bzw noch nicht topfit).
Der von ihm selber angestrengte Vergleich mit dem Färöer/Serbien-Spiel von vor einem Jahr ergibt folgendes. Es handelte sich um zwei (wie sich dann herausstellte) vorentscheidende WM-Quali-Spiele, nicht um einen Test. Brückner verließ sich auf den Euro-Stamm, der 4 U21-spielberechtigte enthielt, holte einen fünften dazu und gab einen sechsten Wunschkandidaten für die U21 frei.
Die simple Rechnung
Die aktuelle U21 fürs Azerbeidjan-Spiel:
Tor: Lukas Königshofer (Rapid), Wolfgang Schober (Salzburg).
Abwehr: Christopher Dibon (Admira), Thomas Piermayr, Georg Margreitter (LASK), Christian Ramsebner (Neustadt).
Mittelfeld: Manuel Seidl (Mattersburg), Stefan Ilsanker, Christoph Kröpfl (Salzburg), Christian Klem (Sturm), Guido Burgstaller, Alexander Grünwald (Neustadt), Raphael Holzhauser (VfB Stuttgart/DEU), Patrick Salomon (Austria Lustenau), Christoph Mattes (Admira).
Angriff: Atdhe Nuhiu (Ried), Julius Perstaller (Innsbruck), Andreas Weimann (Aston Villa/ENG), Dani Alar (Kapfenberg).
Auf Abruf: David Schartner (Salzburg); Manuel Wallner (Austria); Mario Leitgeb, Danijel Micic, Robert Gruberbauer (St. Pölten); Benjamin Sulimani (Austria).
Gesperrt: Fabian Koch (Innsbruck),
Verletzt: Haris Bukva (Ried), Anel Hadzic (Ried), Dominic Pürcher (Hartberg).
Beim A-Team: Kavlak (Rapid), Baumgartlinger (Austria) und Alaba (Bayern/DEU) durften nur gegen Albanien, Beichler, Jantscher (Sturm), Dragovic (Austria) und Pehlivan (Rapid) gar nicht. Drazan (Rapid) und Arnautovic (Inter/ITA) sind verletzt/nicht vollfit, wären auch aber auch beim A-Team.
Die aktuelle U20 füs Italien-Match:
Tor: Günter Arnberger (Austria), Georg Blatnik (Kärnten).
Abwehr: Daniel Drescher (Admira), Rifat Sen (Dornbirn), Sebastian Radakovics (Salzburg), Martin Grasegger (Ried), Thorsten Schick (Gratkorn).
Mittelfeld: Thomas Hopfer (Admira), Pascal Stöger, Philipp Zulechner, Marco Meilinger (Salzburg), Benjamin Freudenthaler (Austria Lustenau), Leonhard Kaufmann (Kärnten), Markus Obernosterer, Thomas Löffler (Innsbruck), Jürgen Prutsch (Altach).
Angriff: Dieter Elsneg (Frosinone/ITA), Deniz Mujic (Dornbirn).
Resultat: Test mit 0 zu 7 versus Quali mit 1 zu 5.
Wer hat also ganz klar mehr für sein U21-Team getan? deutlicher Sieger: Brückner.
Wer redet nur, tut nix und macht den Vorgänger auch noch ungerechtfertigterweise mies: Constantini.
Dazu kommt wie gesagt, dass die damalige U21 eine über lang eingespielte Truppe war, die teilweise aus der U20-WM-Truppe hervorgegangen war. Der Stamm: Olejnik, Dober, Madl, Schiemer, Sonnleitner, Hoheneder, Erbek, Andi Schicker, Emin Sulimani, Klein, Baumgartlinger, Hackmair, Saurer, Kavlak, Junuzovic, Stankovic, Okotie...
Die Schuld am Ausscheiden gegen Finnland hat zudem ausschließlich der damalige Coach, der in beiden Spielen unpackbare taktische Fehler, Wechselfehler und Coaching-Fehler beging zu verantworten.
Dass man die Erinnerung an diese bitterste und schlimmste Stunde des heimischen Fußballs in den letzten Jahren (denn diese Nicht-Qualifikation wog schwerer als die durchwachsene Euro-Leistung, war bitterer als die Watschen, die Rapid in der Champions League kassierte - einfach weil sie so überflüssig war und auf reine Selbstgefälligkeit zurückzuführen war) verdrängen will, ist menschlich.
Dass Zsak seinen damaligen Selbnstfaller seither mit einer (höflich formuliert) kleinen Schwindelei (denn für den Terminus Geschichtsfälschung ist das Delikt dann doch zu minder) kaschieren will - nachvollziehbar, aber selbstverständlich trotzdem unakzeptabel.
Schiefläufer
Warum der aktuelle Teamchef bei der Übernahme falscher Anschuldigungen und dem Nachtreten gegen den Vorgänger mitmacht, ist noch viel einfacher: ihm sind sowas wie Fakten oder gar Gerechtigkeit einfach unfaßbar blunzwurscht; das gibt er ja selber zu.
In einer solchen Atmosphäre tritt die unnotwendigerweise geschwächte U21 also morgen wieder an. Mit noch einem Verletzten (Bukva) und noch einem Gesperrten, Fabian Koch, dem einzigen Außenverteidiger im gesamten Kader (da müssen die österreichischen Coaches, vor allem die des ÖFB, dringend in die Nachschulung - Garics hat dieses katastrophale Manko zuletzt ja wieder angesprochen, die Kollegen von laola1.at bieten eh netterweise einen kleinen Crash-Kurs an...) weniger.
Dafür wurden Mattes (Admira) und Patrick Salomon (A. Lustenau) zwei tolle Kicker, aber keine Außenverteidiger, nachnominiert.
Im übrigen hat unlängst jemand, der den U21-Coach näher kennt, gemeint, dass man, wenn der (auch nicht der Erfinder der Debatte, auch kein Freund des Konflikt, auch ein Harmoniker ohne Ende) sich öffentlich ein wenig derangiert über die mangelnde Unterstützung vom A-Team äußere, schon erkennen kann, dass da intern einiges massiv schiefläuft.
Das ist nun zwar (mit ein wenig Sach- und Menschen-Kenntnis) auch für den Nicht-Intimus erkennbar, zeigt aber die ganze Dramatik der ÖFB-Trainer-Situation. Wenn alle nur herumdrucksen und sich dem stärksten Bully am Schulhof ergeben, wird der solange wüten, bis alle Strukturen zerstört sind.
Wer öffentliches Flüstern schon für sinnvolle Protest-Kultur hält, ist zurecht "gfickt für immer", wie es - bis vor kurzem - etwa auch die Studenten waren.
Trotzdem: die Termine
Morgen Mittwoch spielt die U21 um 17 Uhr in Wiener Neudorf gegen Azerbeidjan (TV-Übertragung: nix). Nach dem überflüssigen Heim-Remis gegen Albanien sind drei Punkte Pflicht. Auswärts hatte man sich gegen diesen Gegner ordentlich schwergetan.
Schon heute Dienstag steht die U20 in einem Testspiel gegen Italiens U 20 auf dem Platz in Gleisdorf (ab 19 Uhr, Übertragung: niente.). Im ersten Test gegen Deutschland hat man nmicht nur ein 2:2 erreicht, sondern auch (zeitweise) wirklich gut gespielt und ein kluges 4-1-4-1 aufgeboten. Auffällig: Prutsch, Hopfer, Kaufmann.
Morgen dann spielen die Großen (mit 5 U21-Spielern, einem U19 und einem U18-Kicker) gegen Spanien, Happel-Stadion, Beginn 20.45, live in ORF 1.