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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

13. 11. 2009 - 10:45

Bundesweite Einigkeit?

Die protestierenden Studierenden in Graz bereiten sich auf eine bundesweite Abstimmung der Forderungen vor. Die Proteste treten damit in eine neue Phase, österreichweit steckt die Bewegung ihre Ziele fest.

In Graz sind immer noch die zwei größten Hörsäle der Vorklinik an der Karl-Franzens-Universität besetzt, im Foyer haben die protestierenden StudentInnen eine Volksküche eingerichtet und Infostände aufgebaut. Lehrende halten Lectures ab, Flyer können das Kulturprogramm nicht mehr fassen, eine gefaltete DINA4-Seite kündigt Veranstaltungen von film:riss 09 zu Lesungen von u.a. Sophie Reyer an. Mit dem Kognitionsforscher, Autor und Übersetzer Thomas Raab kann man über Elitentum diskutieren.

Die Protestierenden an der Technischen Universität sind von einem Hörsaal in einen anderen, größeren ins Gebäude der Alten Technik gezogen, um mehr Platz zu haben und näher bei den StudentInnen mehrerer Studienrichtungen zu sein. Auch das Rektorat und die Verwaltung befinden sich in der Alten Technik. Im täglich stattfindenden Plenum gesteht man sich ein, zuviel Zeit mit dem Rahmenprogramm verbracht zu haben. Also zurück zum Kern des Unmuts.

Studierendendemo in Graz

APA/MARKUS LEODOLTER

Demonstration in Graz, 5.11.2009

Gemeinsame Forderungen

An den einzelnen Universitäten, an denen Hörsäle besetzt und der Protest weitergetragen wurde und wird, haben Arbeitsgruppen stunden- und tagelang diskutiert und ihre Forderungen formuliert. Nun sollen diese Anliegen auf einen Nenner gebracht werden: Die Protestierenden arbeiten daran, ihre Forderungen österreichweit abzustimmen. Keine leichte Aufgabe, denn die Kulturen an den einzelnen Universitäten sind durchaus unterschiedlich.

Heute, Freitagabend, wird ein Vernetzungstreffen aller besetzenden, basisdemokratisch aufgebauten Gruppierungen stattfinden, das mehr als Solidaritätsbekundungen über den Semmering, nach Linz und Innsbruck und zurück schicken wird. International haben die Proteste Aufmerksamkeit erregt und enorme Resonanz hervorgerufen. Die Kritik an der Hochschulpolitik dringt unbestreitbar über die Landesgrenzen hinaus. Mögen sich Solidaritätsbekundungen teilweise noch so naiv-herzlich oder soll ich sagen naiv-herzig lesen. Nun braucht es österreichweit einen Forderungskatalog, mit dem sich die protestierenden Studierenden der Technischen Universität in Graz genauso identifizieren können wie ihre KollegInnen von der Karl-Franzens-Universität oder im Wiener Audimax.

Vom freien Zugang zu allen universitären Studien über die Finanzierung der Universitäten zu Antidiskriminierung und der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes umfasst die in Arbeit befindliche Liste derzeit zwanzig Punkte mit zahlreichen Unterpunkten. Da findet sich etwa die Forderung nach der Zusammenlegung des Ministeriums für Unterricht und Kunst und des Ministeriums für Wirtschaft und Forschung von den Besetzern des Audimax und jene nach der Restitution von Gebäuden, die während des Nationalsozialismus enteignet wurden.

Gegen die Ökonomisierung von Bildung

Punkt für Punkt haben die Studierenden im Plenum an der TU Graz in den letzten zwei Tagen alle Forderungen ihrer KollegInnen an anderen Unis durchbesprochen. So haben etwa die protestierenden Studierenden im Audimax der Universität Wien einen zusätzlichen Forderungskatalog zur Frage der Finanzierung der Universitäten ausgearbeitet. Titel: "Keine Ökonomisierung von Bildung". Ein freier Hochschulzugang, Schluss mit Unterfinanzierung, die Abschaffung prekärer Dienstverhältnisse und eine Ausfinanzierung werden angeführt.
Im Plenum in Graz findet das einer nicht gut. Er sorgt sich um die Außenwirkung der Forderung. Für Außenstehende wirke das ja erschreckend, die Forderung nach einer Ausfinanzierung und, dass jede/r so lange studieren könne und was sie oder er wolle. Wozu Universitäten bestimmt seien, dazu hat die Protestbewegung noch keinen Konsens gefunden.
"Ich bin kein Kommunist. Wenn ich sehe, dass Staatseigentum verkauft und danach zurückgeleast wird, finde ich das strange", kontert ein anderer Student. Dass Masterstudien auf die Industrie abgestimmt werden fürchten andere. Drittmittelfinanzierung ist an technischen Universitäten gang und gäbe, an der TU Graz finanziert der austro-kanadische Magna-Konzernchef Frank Stronach ein nach ihm benanntes Institut. Stiftungsprofessuren werden im Lehrverzeichnis als solche gekennzeichnet. Einer kategorischen Ablehnung von Drittmitteln kann man sich im Plenum nicht anschließen. Eine eigene Formulierung muss gefunden werden, ein weiterer Unterpunkt leuchtet über PowerPoint auf.

Welche Punkte es auf einen bundesweiten Forderungskatalog schaffen und wie dieser aussehen wird, bleibt abzuwarten. Die Proteste treten damit in eine neue Phase, österreichweit steckt die Bewegung ihre Ziele fest.