Erstellt am: 12. 11. 2009 - 21:38 Uhr
Warum nicht heimlich ein paar Ringe tauschen?
Das österreichische Recht bietet homosexuellen Paaren keinen rechtlichen Rahmen für ihr Zusammenleben. Auch eine solche Partnerschaft genießt den grundrechtlichen Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention [...]. Zahlreiche – vor allem europäische – Staaten haben in ihren Rechtsordnungen einen rechtlichen Rahmen für das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare geschaffen, der mehr oder minder an die Rechtsposition verheirateter Personen heranreicht. In einigen Staaten haben gleichgeschlechtlich orientierte Menschen sogar die
Möglichkeit zu heiraten.
Damit beginnen die "Erläuterungen" zum Gesetzesvorschlag. Alleine diese Einsicht ist für österreichische Verhältnisse, was die Rechte von homosexuellen Männern und Frauen betrifft, eine Kehrtwende.
Rechtskomitee Lambda
Noch vor gar nicht so langer Zeit kämpften die Interessensvertretungen weniger für eine rechtliche Gleichstellung sondern gegen angedrohte Strafen. Wer heute über 55 ist, hat in seiner Jugend zum Beispiel noch mit dem sogenannten "Totalverbot" Bekanntschaft gemacht. Und selbst nach der Aufhebung dieses Verbotes wurden bis vor sieben Jahren weit über 1.000 Männer wegen "gleichgeschlechtlicher Unzucht" mit anderen Männern im Alter zwischen 14 und 18 Jahren verurteilt. Nicht selten mit Gefängnisstrafen zwischen 1 und 3 Jahren. Geschlechtsverkehr mit jungen Frauen im gleichen Alter wäre zu der Zeit straffrei gewesen.
Der dafür verantwortliche §209 des Strafgesetzbuches wurde erst im August 2002 nach mehrmaligen Aufforderungen durch die Europäische Kommission für Menschenrechte, das Europäische Parlament, Amnesty International und den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen gestrichen. Auch das geschah nur, weil die Politik von einem Urteil des österreichischen Verfassungsgerichts dazu gezwungen war.
Kein Ende der Ungleichbehandlung
Ein politisches Bekenntnis zu einem Ende der Diskriminierung gab es in Österreich - im Gegensatz zu einigen anderen Ländern - nie. Und gibt es immer noch nicht. Die rechtliche Gleichstellung Homosexueller hätte man sich leicht machen können, indem man die Ehe für sie öffnet. Was "Ehe" eigentlich ist, definiert das Bürgerliche Gesetzbuch:
§ 44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beystand zu leisten.
Die lustige Schreibweise lässt schon vermuten, dass der Satz etwas älter ist. Die Regelung stammt tatsächlich aus dem Jahr 1811. Eine - vielleicht ohnehin angebrachte - Überarbeitung hier und die Sache wäre geritzt gewesen. So geschehen zum Beispiel in den Niederlanden, Belgien, Spanien, Kanada, Südafrika, Norwegen, Schweden und einigen US-Bundesstaaten. In Österreich hat man sich nun für eine neue rechtliche Form des Zusammenlebens entschieden. Sie nennt sich "eingetragene Partnerschaft" und wird im "Eingetragene Partnerschafts-Gesetz (EPG)" geregelt, das am 17. November im Ministerrat und am 3. Dezember im Parlament abgesegnet werden soll.
Diese Entscheidung ist keine reine Formsache. Denn klarerweise müssen sich zwei unterschiedliche Dinge ja auch inhaltlich irgendwie unterscheiden. Die Idee einer "Gleichberechtigung" oder "Gleichbehandlung" kann man also an diesem Punkt schon mal beiseite schieben.
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"Erstklassige Rechte statt letztklassiges Gesetz"
Ein Fortschritt ist das neue "Partnerschaftsgesetz" natürlich allemal, die Freude darüber hält sich allerdings in Grenzen. Das Rechtskomitee Lambda spricht vom "schlechtesten Partnerschaftsgesetz der Welt". Keine Regierung der Welt habe es bisher gewagt, ein derartiges Diskriminierungsgesetz vorzuschlagen. Lambda zählt alleine für das Kernstück der Regelung, also den bis jetzt bekannten Justizteil, 34 Ungleichbehandlungen zwischen eingetragenen Partnerschaften und Ehen. Darunter sogar einige Verschlechterungen gegenüber der aktuellen Situation.
erstklassigerechte.at
Vor allem die Homosexuelleninitiative HOSI Wien will sich mit dem Partnerschaftsgesetz zufrieden geben und hofft vielleicht darauf, dass etwaige Mängel über die kommenden Jahre hinweg in diversen Gesetzesnovellen schon beseitigt würden. Die meisten anderen lesbischen und schwulen Interessensvertretungen und Gruppierungen sehen vor allem eine auf Jahre hinweg vertane Chance auf rechtliche Gleichstellung. Eine 198 Jahre alte Definition von "Ehe" ist da eher ein Argument für diese Seite. Unter dem Motto "Erklassige Rechte statt letztklassiges Gesetz" haben sie zu einer Demonstration aufgerufen. Am Freitag, 13. November, haben sie am Nachmittag vor dem Parlament ihren Forderungen nach einem Ende der Ungleichbehandlung Nachdruck verliehen und sind über den Ring zum Bundeskanzleramt gezogen.
Video: Burstup
Keine Zeremonie am Standesamt
Programmschwerpunkt zum Partnerschaftsgesetz
- FM4 beschäftigt sich am Freitag, 13. November 2009, mit dem neuen Partnerschaftsgesetz. Zu Gast im Studio sind Ulrike Lunacek (Grüne) und Sebastian Kurz (Obmann der Jungen ÖVP). Wir haben Helmut Graupner vom Rechtskommitee Lambda zum Interview getroffen und ein lesbisches Paar besucht, das mit seinem Sohn in Wien lebt. Außerdem berichten wir von der Demo gegen den Entwurf zur eingetragenen Partnerschaft.
zu hören ab 15 Uhr in FM4 Connected
Der eingeschlagene Weg über ein neues Gesetz (statt der Öffnung der Ehe für alle) macht jede Menge weiterer Gesetzesänderungen und Neuregelungen nötig. Die Zuständigkeit dafür liegt bei den jeweiligen betroffenen Ministerien. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei das Innenministerium. Dort muss man das Personenstandsgesetz anpassen und regeln, wo und wie eine eingetragene Partnerschaft geschlossen wird. Maria Fekter als zuständige Ministerin pocht dabei darauf, dass so eine Partnerschaft keinesfalls am Standesamt eingegangen werden soll. Das ist zwar sicher nicht der juristisch relevanteste Punkt der Neuerungen, aber der öffentlichste. Heiraten kann man still und leise oder mit großem Trara und damit es alle wissen. Großes Trara will man aber offensichtlich auf keinen Fall haben. Ein bisschen bekommt man das Gefühl, Lesben und Schwule sind bei den Verhandlungen zum Gesetz nur haarscharf an einer "online eingetragenen Partnerschaft" vorbeigeschrammt.
Maria Fekter hat dabei schon die letzten Jahre über keinen Hehl daraus gemacht, was sie von einer rechtlichen Gleichstellung Homosexueller hält. Schon 2004 konnte sie als Vorsitzende einer ÖVP-internen Arbeitsgruppe "keine großen Diskriminierungen" für Homosexuelle im österreichischen Rechtssystem erkennen. Und seitdem beißen sich sämtliche Koalitionspartner der Volkspartei an ihr die Zähne aus.
Der damaligen BZÖ-Justizministerin Gastinger unterstellte Maria Fekter wegen ihrer Pläne für ein Partnerschaftsgesetz 2005 politische Naivität und auch jetzt macht Fekter klar, dass ihr der Entwurf an sich ohnehin zu weit geht. Der SPÖ stellt sie dabei die Rute ins Fenster: "Die ÖVP ist bereits über ihren Schatten gesprungen. Wer jetzt den Entwurf aufdröselt, verhindert einen positiven Abschluss."
Irgendwie könnte man ja meinen, ob sich Lesben und Schwule jetzt am Standesamt "verpartnerschaften" oder woanders, könnte ihnen auch ein bisschen egal sein. Dann könnte man den Spieß aber auch umdrehn: Es könnte auch der Innenministerin ein bisschen egal sein. Ist es aber nicht. Mit einem kleinen Taschenspiegel vor der Nase wäre sie hier beispielsweise zu finden, die Diskriminierung von Homosexuellen im österreichischen Rechtssystem.