Erstellt am: 12. 11. 2009 - 04:33 Uhr
Der Web Sheriff im Gespräch
Grundsätzliches über das Treiben des Web Sheriff hier
High Noon
Da sitzt er nun der Web Sheriff. Kein Stern, kein Stetson, keine Knarre. Das würde sich in den ehrwürdigen Hallen der New York University auch eher weniger gut machen. Immerhin: John Giacobbi, der seine Content Protection Firma Web Sheriff von London aus betreibt, trägt einen blauen Waffenrock. "Es ist eine Original Yankee Jacke aus dem amerikanischen Bürgerkrieg", so der Web Sheriff. Sie stellt wohl eine symbolische Verneigung vor dem Gastgeber dar. Giacobbi referierte im Rahmen des CMJ-Music Marathon in New York zum Thema Copyright und Internet.
Was machen Sie eigentlich genau?
Wir schützen den digitalen Content unserer Kunden.
Eon Productions
Wie machen Sie das?
In erster Linie spüren wir nicht autorisierten Content auf und versuchen die Betreiber der Plattformen oder MP3-Blogs davon zu überzeugen, dass sie die Files offline nehmen. Es geht aber nicht nur um Piracy. Wir bieten darüber hinaus einen Service namens 'Online Rights Management' an, d.h. wir kümmern uns um den Content der Kunden. Der Webauftritt einiger Künstler gleicht häufig einem Misthaufen aus legalen, aber auch halb- oder illegalen Files in Form von Bootlegs oder Amateurvideos. Wir säubern den Content und legen YouTube Channels usw. an. So sind die Bands und Fans happy.
Zum Kundenstock von Web Sheriff zähl(t)en so unterschiedliche Acts und Firmen wie Cat Power, Prince, Arctic Monkeys, Live Nation, die White Stripes, der späte Michael Jackson, Van Morrison,The Prodigy, Sub Pop und Matador Records.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie jemanden erwischen?
Bei Album-Leaks beginnen wir nicht beim Übeltäter sondern beim Künstler. Der Web Sheriff versucht Band und Label davon zu überzeugen, zwei oder drei Songs als legalen Gratisdownload verfügbar zu machen. Dann treten wir in Kontakt mit dem MP3-Blogger und bitten ihn, im Austausch für die legalen Files die unautorisierten von der Seite zu nehmen. Wir wissen ja, dass die Blogger überwiegend Fans sind und den Acts helfen wollen. Der virale Buzz ist gut für den Künstler. Wir unterstützen das und stellen Content völlig legal zur Verfügung, so haben alle was davon.
Und was machen Sie mit jenen, die nicht spuren?
Da wir im Gegensatz zu vielen Branchenkollegen eine sanftere Gangart einschlagen, spielen die Betroffenen in der Regel mit. Wenn nicht, dann verfolgen wir die Spur zum Quellcode. Die meisten MP3-Blogger verlinken zu Filesharing Plattformen wie Rapidshare. Bei denen reicht meist ein kurzes Infomail und sie nehmen das File offline. Der Link der Blogger führt dann ins Nichts.
Christian Lehner / FM4
* Für Aufregung in der US-Szene sorgte Ende 2008 das Einschreiten des Web Sheriffs, als Ed Droste von Grizzly Bear einen nicht autorisierten Song der Stadtkollegen Animal Collective auf seinem Blog gepostet hat.
Dann müssen Sie aber Ihre Vorgehensweise geändert haben. Ed Droste* von Grizzly Bear war sehr überrascht und auch eingeschüchtert von der Art und Weise, wie sie ihn aufgefordert haben, das nicht autorisierte File von Animal Collective von seiner Seite zu nehmen.
Wir sind natürlich von der Kooperationsbereitschaft der Blogger abhängig. Leider ist dieser Fall in den Medien etwas missverständlich dargestellt worden. Die Kontaktmail führte zum Anwalt der Band. Der war übers Wochenende nicht erreichbar. Bei einem Leak ist aber rasches Handeln notwenig, will man Schlimmeres verhindern. Unsere Kontaktversuche blieben einige Tage erfolglos. Am Montag, als dann endlich die Antwort kam, war Drostes Site die einzige weltweit, auf der das nicht autorisierte File noch zu finden war. Bis dahin hatten wir unseren Ton in den E-Mails bereits verschärft und Droste auch um öffentliche Entschuldigung gebeten. Er war nicht die ursprüngliche Quelle, aber durch das ungeschickte Handeln seines Anwaltes am Ende die globale. (Droste hat das MP3 in Folge der Web Sheriff Aktivitäten von seiner Seite genommen und auch eine Entschuldigung veröffentlicht, Anm. d. A.)
Der Web Sheriff gilt innerhalb der legalen Grauzone der Webschnüffler als vergleichsweise korrekt. Tatsächlich versuchen er und seine Deputies in den Fanforen ihrer Klienten durch etwas drollige Aufklärung in Sachen Copyright-Missbrauch zu überzeugen. MP3-Blogger, die legalen Content verlinken, werden auch schon mal gelobt. Doch bei P2P und Torrent Betreibern wird scharf geschossen.
Sie schießen schnell aber nicht unbedingt scharf?
Im Gegensatz zu Interessensverbänden wie etwa der RIAA (Recording Industry Association of America) fahren wir ein wesentlich milderes Programm. Wir behandeln Fans als Fans und nicht als Kriminelle. Man muss die Begeisterung der File Sharer und MP3-Blogger verstehen. Die wollen natürlich sofort alles mit ihren Freunden teilen. Das war doch schon immer so. Wir versuchen in diesem heiklen Feld eine gute Basis zwischen den Fans und unseren Klienten zu etablieren, anstatt sofort mit dem Anwalt zu drohen. Es gibt auch Kunden, die wir mühsam von der sanften Linie überzeugen müssen. Immerhin sind viele von ihnen sehr verärgert, dass sie um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden.
Dennoch beschäftigen Sie in Ländern wie Deutschland Anwälte.
Der Vor- und Nachteil des Netzes ist seine globale Dimension. Wenn du eine Site am Südpol betreibst, ist der Content auch in deinem Heimatland verfügbar. Ich muss also nicht zum Südpol, um jemanden zu verklagen. Manchmal sind die gesetzlichen Regelungen in den Ländern aber sehr unterschiedlich. Dann brauchst du einen Anwalt vor Ort, wenn du zum Beispiel eine Sperre bei einem Internet-Provider erwirken willst, oder die Kanäle, über die illegaler Handel mit Content betrieben wird.
Sie schießen also doch schärfer, als sie zunächst zugeben wollten.
Wenn nicht autorisierter Content im großen Stil für kommerzielle Zwecke genutzt wird, dann hört sich der Spaß auf. Wir haben zum Beispiel im Auftrag einiger Kunden noch vor der schwedischen Regierung an einer Sammelklage gegen Pirate Bay gebastelt. Doch das ist in der Regel sehr teuer. Als wir erfahren haben, dass die Schweden in Kooperation mit der IFPI (International Federation Of The Phonographic Industry) ein Verfahren anstrengen, haben wir uns zurückgezogen. Aber eines kann ich Ihnen sagen. Wir hätten das Ding anders geschaukelt. Trotz der Verurteilung ist Pirate Bay nicht down. Sie haben Einspruch gegen das Urteil erhoben und verstoßen weiterhin munter gegen das Gesetz. Das müsste nicht sein. Die sollten eigentlich im Gefängnis sitzen. Es ist ja ein schlechter Scherz, dass sich Pirate Bay als Opfer inszeniert. Die Öffentlichkeit wird hier verschaukelt. Die Piraten sind keine selbstlosen Netzaktivisten im Geiste von Robin Hood, nur weil sie fremden Besitz verschenken. Pirate Bay kassiert Millionen von Dollars an Werbegeldern, die sie über Bannerwerbung auf ihrer Site lukrieren. Mich wundert, warum ihnen nicht die schwedische Steuer zu Leibe rückt. Al Capone wurde auch auf diese Weise erledigt. Es waren die Steuereintreiber, die ihn zu Fall gebracht haben. Ähnliches wäre auch hier vorstellbar.
EPA
Haben Sie die schwedischen Ankläger mit Informationen versorgt?
Wir haben informell mit den Schweden zusammengearbeitet, aber nicht sehr lange. Wir hätten den Fall viel konsequenter vorangetrieben und nicht nur in Schweden, sondern auch in den USA zur Anklage gebracht. Dort hätte Pirate Bay aufgrund der strikten Copyright-Gesetze keine Chance gehabt und wäre vermutlich zu einer sehr hohen Geldstrafe verurteilt worden. Es hätte zwar vermutlich mehrere Monate gedauert, diese Forderungen über die Europäische Union zu kanalisieren. Aber das Resultat wäre für Pirate Bay sicher desaströser gewesen, als das jetzt der Fall ist.
Wie sehen Sie die Zukunft des Copyrights im Internet?
Es liegt in der Natur meines Jobs, dass ich an Regulation und Kontrolle glaube. Es wird gerade eine neue Technologie namens 'Transactional Watermarking' entwickelt. Damit werden Downloads individuell verfolgbar und zwar in jeder Ausformung und Zerlegung. Man wird sofort erkennen, ob ein legaler Download auf einem P2P-Network landet usw. Auf der anderen Seite entwickeln Internet Provider und andere Telekommunikationsfirmen Technologien, die es ermöglichen, diese Wasserzeichen in den Leitungen zu erkennen. Die Kontrolle wird also über die Infrastruktur und die Provider laufen. Anders wird das – so wie es momentan aussieht – nicht funktionieren. Für die User ändert sich wenig. Auf die Monatsrechnung kommt dann halt in Zukunft neben der Internet- und Telefongebühr auch die Abrechnung für Musik- und Videodownloads. Wer weiß, mein Job wird dann vielleicht überflüssig werden.
Das heißt das Produkt geht im Service auf? Das "freie Netz" ist für Sie keine Option?
Am Anfang war das Netz eine riesige Spielwiese von technologie-affinen Menschen mit einem gewissen Pioniergeist. Aber irgendwann ist da etwas schief gelaufen und Willkür und Anarchie sind ausgebrochen und zwar nicht in der romantischen Vorstellung, sondern zum Nachteil vieler kreativer Menschen. Was als Freiheit behauptet wird, ist häufig nur Vorwand für Raffgier und Missbrauch. Das Gratisnetz ist ja okay. Aber die Künstler sollen zumindest die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, ob sie etwas herschenken, oder nicht.
Apropos Entlohnug. Wie werden Sie bezahlt? Sie sind ja eine "hired gun". Streifen Sie Prämien ein?
Unsere Klienten zahlen per monatlicher Gebühr. Es mag ja fade klingen, aber wir sind keine Menschenjäger, die Kopfgeld für jeden zur Strecke gebrachten Banditen kassieren. Das würde ganz und gar meiner Weltanschauung widersprechen.