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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 11. 2009 - 16:44

Fußball-Journal '09-104.

Jugend-Wahn. Oder: die anlaufende Zerstörung des ÖFB-Nachwuchs-Systems durch blanke Profilierungssucht.

Der aktualisierte ÖFB-Kader für Österreich - Spanien am 18. 11. Neu sind Klein und Leitgeb, für die verletzten Drazan und Schiemer.

Tor: Christian Gratzei (Sturm), Helge Payer (Rapid), Robert Almer (Austria).

Abwehr: Aleksandar Dragovic, Manuel Ortlechner (Austria), Jürgen Patocka (Rapid), György Garics (Atalanta/ITA), Paul Scharner (Wigan/ENG), Christian Fuchs (Bochum/DEU).

Mittelfeld: Yasin Pehlivan, Veli Kavlak (Rapid), Andreas Hölzl, Jakob Jantscher, Daniel Beichler (Sturm), Julian Baumgartlinger, Zlatko Junuzovic, Florian Klein (Austria), Christoph Leitgeb (Salzburg), David Alaba (Bayern/DEU).

Angriff: Marc Janko (Salzburg), Erwin Hoffer (Napoli/ITA), Stefan Maierhofer (Wolves/ENG), Roman Wallner (LASK).

Verletzt, rekonvaleszent: Sebastian Prödl (Werder/DEU), Emanuel Pogatetz (Boro/ENG) Marko Arnautovic (Inter/ITA), Rubin Okotie (Austria), Franz Schiemer (Salzburg), Christopher Drazan (Rapid), Peter Hackmair (Ried), Markus Suttner (Austria), Mario Kienzl & Haas (Sturm)

Out: Andreas Ivanschitz (Mainz/DEU), Martin Stranzl (Spartak/RUS), Andreas Ibertsberger (Hoffenheim/DEU, eh verletzt), Alexander Manninger (Juve/ITA), Thomas Prager (LASK), Christoph Leitgeb (Salzburg), Michael Gspruning (Xanthi/GRE), Ekrem Dag (Besiktas/), Roland Linz (Gaziantep/), Turgay Bahadir (Bursa/TUR), Stefan Lexa (Ried), Ümit Korkmaz (Frankfurt/DEU), Andreas Dober (Rapid), Andreas Ulmer (Salzburg), Marko Stankovic (Triest/ITA), Jürgen Säumel (Torino/ITA), Martin Harnik (Düsseldorf/DEU)...

Unter Beobachtung: Jürgen Macho, Christoph Saurer (LASK), Manuel Weber (Sturm), Thomas Pichlmann (Grossetto/ITA), Emin Sulimani (Austria), Ronald Gercaliu (Neustadt), Christopher Trimmel, Markus Katzer (Rapid).

Der verspätet bekanntgegebene Kader für die U21-EM-Quali-Spiele gegen Albanien (13. 11). bzw Azerbeidjan (am 18.11.): Kavlak, Baumgartlinger und Alaba sind gegen Albanien im Kader -> dann zu A-Team. Beichler ist für diesen Termin nicht fit genug, Dragovic, Pehlivan und Jantscher dürfen nicht.

Tor: Lukas Königshofer (Rapid), Wolfgang Schober (Salzburg).

Abwehr: Fabian Koch (Innsbruck), Christopher Dibon (Admira), Thomas Piermayr, Georg Margreitter (LASK), Christian Ramsebner (Neustadt),

Mittelfeld: Julian Baumgartlinger (Austria), Manuel Seidl (Mattersburg), Stefan Ilsanker, Christoph Kröpfl (Salzburg), David Alaba (Bayern/DEU),Veli Kavlak (Rapid), Haris Bukva, Christian Klem (Sturm), Guido Burgstaller, Alexander Grünwald (Neustadt), Raphael Holzhauser (VfB Stuttgart/DEU)

Angriff: Atdhe Nuhiu (Ried), Julius Perstaller (Innsbruck), Andreas Weimann (Aston Villa/ENG), Dani Alar (Kapfenberg).

Auf Abruf: David Schartner (Salzburg);
Manuel Wallner (Austria);
Mario Leitgeb, Danijel Micic, Patrick Salomon (Austria Lustenau), Christoph Mattes (Admira), Robert Gruberbauer (St. Pölten); Benjamin Sulimani (Austria), Dieter Elsneg (Frosinone/ITA ->U20).

Verletzt: Anel Hadzic (Ried), Dominic Pürcher (Hartberg).

Out: Mettin Copier (AZ/NED), Christoph Schößwendter (Rapid), Marc Sand (Kärnten), Thomas Fröschl (FCL)...

Der Kader der U20, die am 13. 11. in Deutschland (19 Uhr in Hoffenheim - live auf DSF) und am 17. 11. (19 Uhr) in Gleisdorf gegen Italien spielt.

Tor: Günter Arnberger (Austria), Georg Blatnik (Kärnten)

Abwehr: Daniel Drescher (Admira), Rifat Sen (Dornbirn), Sebastian Radakovics (Salzburg), Martin Grasegger (Ried), Thorsten Schick (Gratkorn).

Mittelfeld: Thomas Hopfer (Admira), Pascal Stöger, Philipp Zulechner, Marco Meilinger (Salzburg), Benjamin Freudenthaler (Austria Lustenau), Leonhard Kaufmann (Kärnten), Markus Obernosterer, Thomas Löffler (Innsbruck), Jürgen Prutsch (Altach).

Angriff: Dieter Elsneg (Frosinone/ITA), Deniz Mujic (Dornbirn).

Verletzt: Heinz Lindner (Austria), Stefan Schwab (Salzburg)...

Es fehlen: Stefan Hierländer (Kärnten), Georg Gravogl (St.Pölten), Florian Hart (LASK) sowie aus dem Projekt 12 Robert Gucher (Frosinone/ITA), Ervin Bevab (FCL), Muhammed Ildiz (Rapid), Lukas Rath (Mattersburg), Phillip Huspek und auch Marcel Ziegl (Ried)...

U16 bis U19 haben heuer keine Spiele mehr.
Nächste Zusammenkunft nach dieser Länderspiel-Serie: März 2010.

Zuerst fürs Protokoll, und die die's nicht wissen, weil sie weder das Fußball-Journal von heuer, noch das des letzten Jahres oder das die Euro einleitende EM-Journal kennen: die Forderung doch die Jungen ranzulassen ist eine sich massiv durchziehende Konstante dieser Jahre.

Bloß: das allein reicht natürlich nicht.
Nicht als Forderung und nicht als praktische Maßnahme.

Um den jungen Spielern, die natürlich ge- und befördert werden sollen, eine solide Basis zur Verfügung zu stellen, bedarf es unendliche banaler Dinge wie eine solide und professionelle Vorbereitung und vor allem eine Philosophie, ein System, auf das man zurückgreifen kann.
Dinge, die im österreichischen Fußball großteils fehlen, und - schlimmer - deren Fehlen von ganzen Generationen von fehlausgebildeten Coaches und Funktionären auch gar nicht bemerkt wird.

Glücklicherweise sind die heimischen Medien aktuell gerade einmal so kritisch geworden, dass sie die gröbsten Bluffs durchblicken: der mittlerweile von allen Lage-Einschätzern als Blender enttarnte Teamchef etwa hat keinen Kredit mehr.

Der plumpe populistische Jugend-Schmäh

Er hatte es nämlich ausschließlich mit dem "I bring de Jungen!"-Schmäh versucht, einer plumpen populistischen PR (hinkünftig PPP genannt).

Denn: wenn man diese 17 bis 21jährigen ins internationale Geschäft wirft, kann das zwar gut ausgehen, weil einzelne natürlich schwimmen und überleben werden; eine gute Bildung bzw Ausbildung sieht aber anders aus. Die gibt nämlich jedem der Jungen ein richtiges Jausnpackl an Wissen, Information und Guidance mit. Man übt etwa Standards, bringt ihnen bei wie man sich den nächsten Gegner zielgereichtet anschaut und macht sie mit taktischer Arbeit vertraut (es muß ja nicht auf dem Niveau der Italiener sein; aber allein die Hälfte dessen, was man dort in der Grundausbildung lernt, würde bei uns die Decke schon sprengen).

In Österreichs Nationalteam werden nicht einmal die Elfer-Schützen bestimmt, so wurscht ist das alles.

Nun könnte man, nach dem Spruch "Nutzt's nix, schadt's nix" glauben, dass das eigentlich egal ist - schließlich ist die WEM-Campagne beendet, bis zur EM-Quali dauert es fast ein Jahr, eine Ewigkeit im Fußball.

Stimmt nur nicht: der Jugend-Wahn, den Constantini mit seiner PPP-Politik losgetreten hat, ist auf dem Weg der kompletten Verselbstständigung und dabei das Jugend-System des ÖFB zu unterlaufen und, sofern nicht jemand einschreitet, auch zu zerstören.

Zweimal mit dem Arsch wackeln

Die U21 von 2008, noch mit Jantscher und Pehlivan.

öfb

Im Nachwuchs-Bereich wird nach Jahrgängen getrennt: FIFA und UEFA spielen U21, U20, U19 oder U17-Bewerbe aus.

Der ÖFB hat sich dem angepaßt und unterhält folgende Jugendmannschaften: eine Unter 21 (Stichtag 1.1.1988), eine U20 (1.1.1990), eine U19 (Jg 1991), eine U 18 (Jg 92), eine U17 (Jg 93) und eine U16 (Jg 94). Die jeweilige Coaches (Janeschitz U16, Weber U17, Stadler U18&U20, Heraf U19) nehmen ihren Jahrgang mit bis er an die U21 (Andi Herzog) übergeben wird - dann gehts von unten wieder los.
Diese Regelung bringt eine gewisse Konstanz und auch sowas wie eine Jahrgangs-Klassen-Situation: als Jugendteamspieler kennt die Mitspieler gleichen Alters, ist auf sie eingestellt - ein Vorteil für die internationalen Begegnungen und auch fürs spätere Leben.

Constantini hat diese Ausbildungs-Konstanz früh durchbrochen. Mit Jantscher, Beichler, Dragovic (der sogar noch U19 spielen könnte), Pehlivan und später auch den eigentlichen U21-Kapitänen Baumgartlinger und Kavlak.
Kritisch beäugt wurde er erstmals bei der Einberufung von Christopher Drazan (eigentlich U20), was zum berühmten zweimal mit dem Arsch-Wackel-Zitat von Peter Pacult führte.
Pacults aktuelle Pose im Teamzusammenhang ist im übrigen so lächerlich, dass sie mir keine eigene Zeile wert ist - auch weil Laola1-Chef Rietzler hier eh alles Nötige sagt.

Wildern im Jugendschutz-Revier

Dass Constanini mit seiner PPP und der zunehmenden Einberufung von Jugendnationalspielern die Chancen der U21 auf eine EM-Qualifikation minimierte, war ihm und der Öffentlichkeit (der einzigen Instanz, der er sich verpflichtet fühlt) herzlich egal.
Aber dann wurde übertrieben: U18-Teamspieler David Alaba (24.6.1992), Frischling bei den Bayern München Amateuren debutierte im Nationalteam. Alaba ist ein intelligenter Spieler, künftiger Top-Star, dem das jeder gönnt, nur: diese Aktion war reines Mittel zum Zweck. Constantini wollte seiner PPP die Krone aufsetzen, indem er den jüngsten Ösi-Teamspieler aller Zeiten auflaufen ließ. Die Ausrede war nicht gut überlegt: man hätte Angst Alaba könnte für Deutschland oder Nigeria spielen. Beides reine Luftblasen, schwache Enten.

Weil Constantini mangels eigener Substanz und auf der Suche nach dem nächsten PR-Gag für eine von ihm auf den Jugend-Trip beorderte veröffentlichte Meinung zunehmend im Jugend-Bereich wilderte, tat U21-Teamchef Andreas Herzog desgleichen. Er griff zuerst auf den Aston Villa-Reserve-Angreifer Andreas Weimann (U19) und einige U20-Spieler zurück und holt jetzt noch viel weiter aus. Im neuen Kader findet sich nicht nur U19-Shooting Star Christian Klem von Sturm, sondern auch (festhalten!) der 16jährige Raphael Holzhauser vom VfB Stuttgart. Auch der ist ein Super-Burschi mit tollen Anlagen, ebenso wie alle anderen bislang genannten im Förder-Programm Projekt 12, aber irgendwie schlägts da jetzt 13.
Wozu gibt es die Jahrgangs-Struktur, warum hat man die Klassen-Philosophie, wenn jeder Trainer zur eigenen Profil-Beschaffung wildern kann wo und wie es ihm beliebt?
Ansätze, dass sich Constantinis Spiel zu einer Epidemie auswächst, sind schon da: Hermann Stadler möchte beim "Ich hab die Jüngsten!"-Spielchen mitmachen, nominierte für seine U20 die U18-Torhüter Blatnik und Arnberger. Holt sich Andi Heraf als nächstes Bayern Münchens Marco Friedl (Jahrgang 98)?

Vorschnelles Ins-Wasser-Werfen

Hier bricht die Eitelkeit Einzelner massiv in eine Struktur ein - eine der wenigen bislang funktionierenden! Natürlich ist die Nachwuchs-Arbeit dafür da letztlich ein grandioses A-Team zu stellen: mit vorschnellen, und zunehmend hysterischen Jungspund-Wasserwerf-Aktionen ist das allerdings nicht zu erreichen. Schon gar nicht, wenn es dabei bleibt, wenn sonst keinerlei Maßnahmen gesetzt werden.

Beispiel: Aleks Dragovic. Der ist 18, fällt aber neben seinen älteren Kollegen nicht auf. Im Gegenteil: er hat die Ruhe weg, sorgt dafür, dass die Oldies neben ihm (im Klub Bak, im Team Scharner) sich ihre Blödheiten leisten können. Dragovic ist der Abwehrchef des Nationalteams.

Beispiel: Christopher Drazan. Der ist 19, ein unglaubliches Talent, bringt alles mit für einen fantastischen Flügelspieler, den ein modernes 4-3-3 (das in Österreich halt keiner spielen kann, da ist er größer als sein Land) benötigt. Aber er ist inkonstant; weil er die Dragovic'sche Grundierung nicht hat und auch, weil es diese Position in Österreich nicht gibt, er sie und sich noch suchen muß. Drazan ist noch nicht mehr als der diesjährige Martin Harnik. Drazan ist KEIN Heizmaterial für Teamchefs denen kalt ist.

Beispiel: David Alaba. Der ist 17 und verwendet in Interviews Worte, die Constantini erst nachschlagen muß (wobei ihm etwa der Begriff des "peripheren Sehens" echt dier Augen öffnen könnte - aber manches braucht's halt nicht) und die bei Pacult sofortige Hautausschläge aufpoppen lassen, ist ein intelligenter Stratege, selbstkritisch, selbstbewußt und in einer Schulung, die den allerbesten zuteil wird. Ein potenzieller Weltklasse-Kicker. Aktuell wird er aufgebaut, in einem B-Team, das sich in der 3. Leistungsstufe misst. Alaba ist aktuell einfach noch kein Teamspieler, sondern in jedweder Jugendmannschaft besser aufgehoben. Weil er sich dort den entscheidenden Schliff holen kann.

Jugendarbeit vs. Eitelkeit

Sinnhafte Jugendarbeit bedeutet, dass man sich für jeden Einzelfall - und jeder dieser jungen Burschen ist einer, ein Sonderfall, und verdient diese Beachtung - was überlegt; und zwar im Rahmen der eingezogenen Jahrgangs-Struktur.

Sinnhafte Jugendarbeit bedeutet nicht, dass jeder Trainer machen kann, was er will, wenn's ihm danach ist. Ohne Absprache (denn das es zwischen Constantini und U21-Coach Herzog keine Absprache gibt, sondern nur gebellte Befehle bzw untertänige Bitten, das bestätigt der Tiroler immer wieder) noch dazu.
Es ist auch keine sinnhafte Jugendarbeit innerhalb des ÖFB, wenn die Sünden, die der A-Team-Coach begeht, von den anderen kopiert werden.

Und dort, im sensiblen Bereich des Nachwuchses, wo die Zukunft von Fußball-Österreich verhandelt wird, braucht es Sorgfalt und ein lautes Veto, wenn einer seine Kompetenzen überschreitet um gut dazustehen - was ihm aktuell eh nicht gelingt, weil die Masche zu leicht durchschaubar ist.

Klar wäre es einfacher sich über die Nachnominierung des noch vor 5 Tagen für unfähig erklärten Christoph Leitgeb lustig zu machen, oder nachzufragen warum eigentlich ein rechter (Klein) und ein zentraler Mittelfeldspieler für einen Verteidiger (Schiemer) und einen linken Flügel (Drazan) nachnominiert wurden. Einfacher und lustiger.

Wichtiger aber ist aktuell was anderes. Und diskussionswürdig - was seit von der Lahm-Kritik losgetretenen Debatte keine totale Nogo-Area mehr ist.

PS: dass das kein alleiniges ÖFB-Problem, sondern auch eines der Liga ist, zeigt uns diese Meldung von heute: Marcel Ritzmaier, einer von den Projekt 12-Supertalenten spielt in Holland zur Probe vor, nachdem er von Kärnten-Coach Schinkels aus dem Kader geworfen wurde.