Erstellt am: 12. 11. 2009 - 16:00 Uhr
"Sie gehören nicht hierher!"
Es ist gar nicht so einfach einen Autor zu würdigen, der von vielen Kritikern geschätzt wird. Es ist aber noch um einiges schwieriger, wenn dies nicht der Fall ist.
Veranstaltungstipp:
"Jörg Fauser - Chronist deutscher Befindlichkeiten", 12.11.2009, 20h im phil im Rahmen der Buch Wien.
Jörg Fauser hätte bei seinem Antreten für den Bachmannpreis 1984 wissen müssen, was ihn erwartet. Er hätte wissen müssen, dass die Jury um Marcel Reich-Ranicki seinen Text in der Luft zerreißen wird. Doch es kam noch um einiges schlimmer: Die Jury schoss sich auf ihn persönlich ein. Er könne nichts. Mit Kunst habe das nichts zu tun. Fausers versteinerte Miene sprach Bände: Die Kritik traf ihn hart. Hatte er doch vieles in seinen Texten selbst erlebt: den unendlichen Drogenrausch am Bosporus, das "Milieu" in Frankfurt und der Selbstentzug nach dem Vorbild der Apomorphin-Kur von William S. Burroughs. Man verspürt so etwas wie Mitgefühl für Fauser, weil es immer leicht fällt sich mit dem Loser zu identifizieren.
Jörg Fauser war 40 Jahre alt, als sein autobiografischer Roman "Rohstoff" erschien. Drei Jahre später war Fauser tot. Sein Tod passte zu seinem Leben. 1987, in der Nacht nach seinem Geburtstag, torkelte Fauser schwer alkoholisiert über die Autobahn und wurde tödlich verletzt.
Fausers Texte sind ein Schlüssel zum Verständnis seiner Person. Sie schildern ein kleinbürgerliches Deutschland, blicken in die grauen Bezirke der Großstädte. Dort zwischen Imbissbuden, Gebrauchtwarenhändlern und Sozialwohnungen liegt ein Hauch von Vorstadttristesse. Ein Milieu, in dem sich Fauser nicht immer ganz freiwillig auch selbst aufhielt.
Der Heimatlose
Isolde Ohlbaum
Fauser war sein Leben lang heimatlos. Er war ein ständig Getriebener. Als Randfigur der 68er Generation trieb er sich in London und Istanbul herum und nahm über sechs Jahre exzessiv Drogen zu sich. Fauser schnupfte und spritzte vor allem Opium und Speedpräparate. Von den Autoren der Beat-Generation wie William S. Burroughs und Jack Kerouac beeinflusst, verarbeitete Fauser seinen Drogenkonsum in Cut-Up-Manier in seinen Romanen "Tophane", "Aqualunge", "Rohstoff" und "Der Schneemann". Letzterer wurde 1985 kongenial mit Marius Müller-Westernhagen verfilmt. Fauser schildert in diesen Texten die totale Reduktion des Menschen auf eine zitternde und abhängige Körpermasse.
Alexander Verlag
Wenn er sich nicht mit Gelegenheitsjobs als Nachtwächter oder Tierpfleger über Wasser hielt, war Fauser journalistisch tätig. Er gründete Underground-Zeitungen, interviewte Charles Bukowski für den Playboy, schrieb eine Marlon Brando-Biografie und Songtexte mit dem Musiker Achim Reichel, der auch noch gegenwärtig mit der gemeinsamen Nummer "Der Spieler" heftig angibt.
Die Gesamtausgabe
Seine journalistischen Texte wurden gerade als achter Band einer umfassenden Werkausgabe veröffentlicht. Auf 1.600 Seiten findet man in chronologischer Reihenfolge Schulaufsätze, diverse Buchkritiken, politische Pamphlete, Essays, Reportagen und Interviews. Seine journalistischen Texte sind vom Gonzo-Journalismus eines Hunter S. Thompson beeinflusst. Wie sein literarisches Werk sind sie subjektiv, polarisierend und provokant.
Diese Gesamtausgabe seiner Werke ist auch eine Wiederentdeckung des Autors und seiner Texte, die ein Spiegelbild seines Lebens sind. Fausers Figuren sind Zocker, Drogenabhängige, Trinker, Kleinkriminelle und Spieler. Zumeist schildert er eine anachronistische und klischeehafte Männerwelt. Eine Welt des kriminellen Milieus, in der sich die Tough Guys in Unnahbarkeit üben, um sich vor emotionalen Rückschlägen zu schützen.
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Wohl gerade deshalb schrieb Fauser am liebsten Kriminalromane im Stile Raymond Chandlers, in denen es noch Gut und Böse gibt und auch leicht voneinander zu unterscheiden sind. Die Protagonisten Harry Gelb und Johnny Tristano sind Fausers Alter Egos. Hoffnungslose Loser, die hoffen, dass sie irgendwann den großen Coup landen, wenn sie etwa eine Portion Kokain in einer Old-Spice-Rasierschaumdose nach Istanbul schmuggeln. Nur um dann doch geschnappt zu werden. Es ist eine Welt des schreibenden Junkies. Eine ähnlich beklemmende und amerikanisierte Schilderung dieses Stoffes findet man in der deutschen Literatur nach 1945 vergebens.
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Fausers Werk hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Als Geschäftsmann hat sich der Autor einmal bezeichnet. Schreiben sei sein "business". Doch in Anbetracht der Ehrlichkeit seiner Texte und der schmerzvollen Erfahrung beim Bachmannpreis ist eine solche Haltung wohl eher der Schutzmechanismus einer gekränkten Seele gewesen, die auch auf ihren großen Coup gewartet hat. Fauser versuchte sein Leben lang wie Philip Marlowe zu sein, aber endete wie seine Figur Johnny Tristano. Den ließ er in der Kurzgeschichtensammlung "Alles wird gut" sagen: "Was ist schlecht an Gefühlen? Dass einer sie hat. Was kann man dagegen tun? In die Kloschüssel reihern."