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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

7. 11. 2009 - 09:57

Herr der Lügen

Schon wieder ein neuer Film des betriebsamen Herrn Soderbergh: "The Informant!" zeigt Matt Damon in einer Wirtschaftsgroteske mit fettem Rufzeichen.

Steven Soderbergh gehört wohl zu den produktivsten Filmemachern unser Zeit. Ständig werkelt er an mehreren Projekten, stellt sich den Bedingungen des Hollywood-Mainstreams ebenso, wie er die dazugehörigen Zwänge in anderen Arbeiten unterwandert.

Ich für meinen Teil entwickelte zu dem Mann, den ich anfangs als blasierten Intellektuellen ignorierte, durch den sexy Thriller "Out Of Sight" (1998) eine Affinität. Da zeigte sich ein anderer, lässiger Soderbergh, der auf wunderbare Weise von Liebe und Gefahr erzählte.

Mit "The Limey" und "Solaris" verstärkte sich der positive Eindruck dann enorm. Nicht nur erinnerte mich die hypnotische Bildsprache dieser Filme an den großen Nicolas Roeg, die dunkel pulsierende Atmosphäre schien so etwas wie das visuelle Pendant zum Trip-Hop-Sound von Massive Attack oder U.N.K.L.E. zu sein.

Auf ähnliche Weise berührte mich allerdings kein Soderbergh-Film in den letzten Jahren mehr. Gegen die leblose Film Noir-Hommage "The Good German" konnten sogar die slicken "Oceans Eleven"-Streifen punkten. Die beiden überlangen Filme über die Guerilla-Ikone Che beeindruckten mit formaler Strenge, halten einen als Zuseher aber zu sehr auf Distanz. Auch das Digitalvideoprojekt "The Girlfriend Experience", berichteten mir zumindest Viennale-Besucher, berührt herzlich wenig.

Mit "The Informant!" läuft nun ein weiterer Film des unermüdlichen Herrn Soderbergh an, bei dem er sich, dass muss man ihm zu Gute halten, wieder auf neues Terrain wagt. So richtig schlau wird man aus diesem komödiantischen True Crime-Thriller mit Retro-Touch aber nicht.

"The Informant!"

Warner Bros

Gestatten, Mark Whitacre. Ein Name, den bisher wohl nur Spezialisten kannten, die sich mit Wirtschaftskriminalität beschäftigten. Durch Steven Soderberghs filmische Annäherung wird er nun einer breiten Zuschauerschicht bekannt.

Im Jahr 1992, mit nur 35 Jahren, steigt der Biochemiker in die Führungsetage eines des größten Agrarunternehmens Amerikas auf. Die Firma ADM stellt aus Mais jene Zusatzstoffe her, die in fast allen Lebensmitteln landen. Plötzlich wittert das Unternehmen aber Gefahr. Ein Angestellter einer japanischen Konkurrenzfirma verlangt telefonisch 10 Millionen Dollar, um einen Saboteur zu identifizieren, der angeblich verdeckt bei ADM arbeitet.

Es ist Mark Whitacre, der ganz alleine die Gespräche mit dem mysteriösen Japaner führt. Die großen Bosse geraten in Unruhe und schalten das FBI ein. Anrufe sollen abgehört werden, Leitungen angezapft.

Whitacre gefällt das gar nicht, denn, so enthüllt er den FBI-Agenten, es werden auch noch ganz andere Telefonate geführt. Darin geht es um illegale Preisabsprachen zwischen ADM und der internationale Konkurrenz.

Es vergeht nicht viel Zeit, bis sich Whitacre überreden lässt, für die Bundesbehörden als Informant zu agieren. Stück für Stück liefert der Vizepräsident des Agrarunternehmens die eigene Firma ans Messer.

"The Informant!"

Warner Bros

An dieser Stelle könnte man sich vielleicht schon eine Verfilmung dieses wahren Stoffs vorstellen. Michael Mann hat in "The Insider" einen ähnlichen Fall beleuchtet, in bedrohlichen Bildern, über denen der Schleier der Paranoia hängt. Auch Soderberghs Spezi George Clooney spielte in "Michael Clayton" so eine Rolle, noch ein Thriller, der vom Aufstand eines Einzelnen gegen eine übermächtige Maschinerie berichtet.

Aber "The Informant!" ist mit dem Tonfall dieser Filme nicht vergleichbar. Ein Haken in der Geschichte heißt Mark Whitacre.

Langsam wird klar, dass nicht nur die Firma ADM Dreck am Stecken hat. Der windige, wankelmütige Informant, der sich manchmal wie ein kleiner James Bond aufführt, entpuppt sich als wahnwitziger Betrüger. Auf pathologische Weise verstrickt sich der tollpatschige Chemiker in ein Lügengerüst, dass seinesgleichen sucht.

Eine mutige Aufdeckerstory lässt sich mit so einem verkorksten Protagonisten nicht inszenieren. Umso spannender wäre aber eine Parabel über unser aller menschlichen Urdrang zur Heuchelei, zur Verschleierung, zum Betrug gewesen.

Dieses Potential deuet Steven Soderbergh aber nur an. Stattdessen überzieht er den Film mit einem ironischen Zuckerguss. "The Informant!" spielt in den Neunzigern, sieht aber aus wie ein billiger Seventies-Streifen, inklusive Retro-Soundtrack. Mittendrin Matt Damon, der sich mit Schnauzbart, Perücke und Bierbauch verunstaltet, reichlich Mühe als Mark Whitacre gibt.

Letztlich bleibt dieser seltsame Film, mit seinem knalligen Look, ebenso undurchsichtig wie die Hauptfigur. Was will uns der Regisseur eigentlich mit dieser Lügengeschichte sagen? "Der Informant!" hat ein fettes Rufzeichen im Titel, ein Fragezeichen wäre besser gewesen.

"The Informant!"

Warner Bros