Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Zwischen Beatles und Maradona"

Ballesterer FM

Artikel aus dem Magazin zur offensiven Erweiterung des Fußballhorizonts.

4. 11. 2009 - 11:35

Zwischen Beatles und Maradona

Gustav Norén von Mando Diao erklärt warum die Schweden international Fußball spielen und Musik machen, was ein 90-minütiges Konzert vom Matchbesuch unterscheidet und warum er sich die Welt nicht kaufen kann.

Interview: Thomas Zsifkovits

ballesterer: Ihr seid aus Borlänge und ich habe gehört, du bist ein Fan des lokalen Teams IK Brage. Wie kann ich mir Gustaf Norén beim Besuch dieser Spiele vorstellen?

Gustaf Norén: Eigentlich sind wir nur noch selten zu Hause und die Mannschaft spielt mittlerweile in einer unterklassigen Liga. Das Publikum besteht hauptsächlich aus älteren Leuten, daher erkennt mich am Platz auch keiner. Die Matchbesuche waren aber auch schon in meiner Kindheit, als ich am Sonntag immer mit meinem Großvater hingegangen bin, eher eine ruhige Angelegenheit. Alte Männer setzen sich mit ihren Pfeifen auf die Bank und schauen sich das Spiel an. In der Halbzeit hast du einen Hotdog gegessen und dann bist du heimgegangen. Trotzdem waren die Spieler unsere lokalen Helden, und ich wollte so sein wie sie.

gustaf noren mit gitarre u kopfhoerern

Mando Diao

Warst du als Kind eher einer, der mit einem umgedrehten Tennisschläger als Gitarre posiert hat, oder einer, der den Ball gegen die Wand gedroschen hat, um sich als Teil eines großen Spiels selbst zu kommentieren?

Ich habe beides gemacht, aber relativ schnell herausgefunden, dass mir die Gitarre wesentlich mehr liegt, und dann auch bald eine echte bekommen. Aber Musik und Fußball sind, seit ich denken kann, meine beiden Leidenschaften. Die Beatles und Maradona sozusagen!

Schweden hat internationale Fußballstars wie Zlatan Ibrahimovic und Freddie Ljungberg und zugkräftige Rockstars wie Mando Diao und The Hives hervorgebracht. Österreich kann da bei annähernd derselben Bevölkerungszahl nicht mithalten.

ballesterercover fussballfans u landumriss von der tuerkei

ballesterer

Weitere Texte aus ballesterer Nr. 47 ab sofort österreichweit im Zeitschriftenhandel:

Die großen Drei und die anatolischen Tiger
Experte Bagis Erten erklärt die türkische Fußball-Leidenschaft

Laute und kritische Töne
Schlechte Verlierer und antagonistische Bengel in den türkischen Kurven

Wie man leben soll
Vier Talente erklären, wie sie den Traum Fußballprofi realisieren wollen

Die längste Auswärtsfahrt
Liverpool-Fan Michael Shields kam erst Jahre nach dem CL-Triumph nach Hause

Blau-weiße Lieder
ARGE ToR versammelt die Linzer Musikszene auf ihrem CD-Projekt

Groundhopping
Emotionsloser Tombolagewinn, Prager Businessdeutsch und orange Lawine

Dr. Pennwieser
Die Schürfwunde

Schweden ist eines der Länder, die die meisten Migranten aufnehmen. Diese Spieler bestimmen den Fußball und beeinflussen die schwedischen Kids. Unser Spielstil ist sehr international. Zlatan hat etwa nichts mit dem typischen Schweden zu tun. Er ist im Ghetto Malmös aufgewachsen. Mit der Musik verhält es sich etwas anders. Die österreichische Kultur ist sehr deutsch geprägt, während wir schon von klein auf Englisch lernen und uns logischerweise sehr früh an England oder den USA orientieren.

Was macht eigentlich das Schwedischsein aus? Malmö hat beispielsweise mit schwedischen Stereotypen wie blonden Mädchen und teurem Bier nur sehr wenig zu tun.

Es wird eigentlich immer verwaschener. Wenn ich an Schweden denke, dann immer an Zlatan Ibrahimovic. Das ist der Mann, der Schweden repräsentiert. Der Letzte vor ihm war Henrik Larsson. Und die sind beide nicht blond.

Wer ist der beste schwedische Spieler aller Zeiten?

Das ist ohne jeden Zweifel Zlatan! Klar gab es davor andere wie Gunnar Nordahl, der für Milan in den 1950er Jahren über 200 Tore gemacht hat. Aber das kann man nicht vergleichen. Sicher auch, weil sich das Spiel drastisch verändert hat. Ich würde nicht einmal Pelé und Maradona einander gegenüberstellen. Um der Allergrößte zu werden, muss sich Zlatan allerdings bei einer WM im schwedischen Team beweisen.

Hat es jemals Diskussionen darüber gegeben, ob er wegen seines Migrationshintergrunds ein "richtiger Schwede" sei?

So etwas machen vielleicht irgendwelche Rassisten gelegentlich zum Thema. Aber er ist in Schweden geboren, und damit erledigt sich für mich jegliche Diskussion.

Mando Diao ist eine international extrem erfolgreiche Band. Umgelegt auf den Fußball wärt ihr vermutlich eine Top-Mannschaft in der italienischen oder spanischen Liga. Ärgert ihr euch, dass viele zweitklassige Fußballer mehr Geld verdienen?

Wir haben uns schon oft darüber unterhalten, dass wir uns als Fußballer auf diesem Level vermutlich die Welt kaufen könnten. Aber so ist das nun einmal.

Anfang des Jahres ist euch mit »Dance With Somebody« der große kommerzielle Radiohit gelungen. Fans von Independent Rockbands schreien dann gerne von einem Sell-out. Auch Fußballer werden oft als Erbe der Klubs gesehen. Warum stellen die Fans so hohe Ansprüche?

Ich glaube, die Leute interessieren sich in der Regel weniger für den Spieler. Solange er das eigene Trikot trägt, wird er geliebt. Nach einem Wechsel wird er ausgebuht. Das jeweilige Fantum sagt sehr viel über deine Persönlichkeit aus. Ich mag zum Beispiel Barça und Juve und hab mein eigenes Team zu Hause. Noch deutlicher wird das, wenn sich jemand als St.-Pauli-Fan deklariert. Aber wenn ich ein Beatles-Fan bin, sagt das gar nichts über mich aus. Jeder darf die beste Band der Welt mögen. Bei den Hardcorefans kann es so sein, dass sie stolz darauf sind, Bands in einem frühen Stadium zu entdecken und das wollen sie dann nicht mit neuen Fans teilen. Über die Qualität der Musik sagt das aber nichts aus.

mando diao bandfoto

Mando Diao

Am 25. 11. 2009 gastiert Mando Diao in der Wiener Stadthalle. Hier gibts Tickets zu gewinnen

Für euren Gig in der Wiener Stadthalle wird sehr viel Werbung gemacht. Zu den Spielen meines Teams, das nicht unbedingt berauschenden Sport bietet, kommen ohne viel Zutun 8.000 Leute. Warum zieht der Fußball mehr Leute an als die Musik?

Das sind zwei komplett verschiedene Paar Schuhe. Auch wenn es noch so ein schlechtes Team ist, hoffst du letztendlich auf einen Sieg. Dieses Gefühl zu gewinnen ist unübertrefflich. Fußball transportiert dieses Gefühl wohl am besten, und daher ist er so populär. Mit der Musik verhält es sich anders. Jeder auf der ganzen Welt hört Musik, aber nicht jeder mag Fußball. Das ist der Unterschied. Musik ist viel größer als Fußball. Aber es ist die Ausdrucksform, die beide unterscheidet. Der Fußballer ist eine Art Gladiator, den du sehen musst. Du kannst ihn nicht auf deinem iPod erleben. Außerdem gehst du nicht auf ein furchtbares Konzert und hoffst 90 Minuten, dass es ein einziger guter Moment gut macht. Du gehst aber gern zum langweiligsten Spiel der Welt, weil ein Tor in der 92. Minute alles wieder richten kann.

In England sind Fußball und Musik sehr eng miteinander verbunden. Musiker deklarieren sich für ein Team und Hits werden in den Stadien zu Chants umgeformt. Wie sieht es da in Schweden aus?

Spontan fallen mir da die Teddybears Sthlm ein, die Hammarby-Fans sind. Es ist aber auf keinen Fall wie in England. Die Schweden verfolgen eher den Fußball der großen Ligen als den der eigenen, weil das Niveau so schwach ist. Ich wette, das Niveau eurer Liga ist höher.

Gibt es umgekehrt berühmte Fußballer, die Mando-Diao-Fans sind?

Es gibt einen ziemlich coolen Hund. Hans Backe. Kennst du den?

Ja, der war vor einiger Zeit Austria-Salzburg-Trainer.

Echt, der war Trainer bei euch? Der steht auf uns. Als er Co-Trainer unter Sven Göran Eriksson bei Manchester City war, hat er uns den Spielern vorgestellt. Es gibt also dort vielleicht einige Spieler, die uns mögen, dank Hans Backe!