Erstellt am: 1. 11. 2009 - 13:43 Uhr
Song zum Sonntag: Stompin' Souls
Die Musik in meinem Kopf will nicht aufhören. Was wie ein schwerwiegendes psychopathologisches Problem anmutet, ist die Hauptzeile des Songs und die Trägermessage der einfach gestrickten psychischen Verfasstheit der Hauptfigur. Sie soll selbstverständlich unbegrenzte positive Kraft und übermenschliche Euphorie ausdrücken. Dass ihm dergleichen, vor allem bei diesen typisch schwedisch-holprigen Knittelversen auch als Blödheit ausgelegt werden kann, ist ihm egal, er versteht eh nicht alles, es überkommt ihn wohl mehr, unreflektiert und voller Herz usf. Im Gegensatz zu anderen, die nur ihre Businesspläne im Kopf haben, lebt er in freudiger Erwartung des Guten. Zu diesem ungebremsten Gefühlsausbruch steigert sich die von einer Sixties Orgel getragene Nummer mit Hilfe all der Tricks, die die Popsteigerung so bietet: erst die Eins markierendes, später voll einsetzendes Schlagzeug, verdoppelnder Chorgesang in mehreren Layern, die Melodie wird eine Terz (so hoffe ich Ungebildeter?) höher gegen Schluss wiederholt. Alles richtig gemacht liebe Schweden. Bis auf den Text, hähä. Und die Wartezeit auf die neue sardonische Clap Your Hands Say Yeah, die hoffentlich kommt und dann die wahnvollen Versprechen dieses Ditties einlöst, ist wieder kürzer geworden.
Stompin´Souls
Die Schweden besetzen Genres. Seit Friska Viljor, deren Vorgruppe die Stompin Souls sind, auch das des Indiepops der religiös Verzückten á la Arcade Fire oder CYHSY. Sie drängen sich vor, besetzen wenn möglich die erste Bankreihe und versuchen dem Rocklehrer zu gefallen. Meist dadurch, dass sie sattsam Bekanntes und Voraussetzbares intelligenterweise als bekannt und voraussetzbar erkannt haben und daraufhin nach einem "Malen nach Zahlen"-Plan alles so machen, wie es sich gehört, rockig posen, cool aussehen, gut spielen etc., so dass Frisurenbands wie The Hives oder Mando Diao... Ich könnte jede Woche meiner Verachtung für die uninspirierte Ödnis, die dieses sonst so tolle Land über den Indiepop gebracht hat, beweinen. Aber letztlich ist es selber Schuld, das Genre, statisch wie es ist, kann man es auch ohne den Verve von Clap Your Hands Say Yeah oder Animal Collective, ohne die Eleganz der Fleet Foxes oder der Crediblility von Pete Doherty in die Konzerthallen schaffen, ein Narr, wer schlecht darüber denkt.
Unwürdig für diese Kolumne? Naja, Manchmal reitet uns der Schalk. Dann vergessen der Kollege Kramar von der Presse und ich den ursprünglichen Zweck dieser Kolumne, jede Woche einen Song von mindestens welthistorischer Bedeutung zu besprechen. Künstler mit Tiefgang, bewegungsauslösende Lyrik, Melodien für Millionen - immer ist das nicht vorhanden und immer ist es auch nicht angesagt: Manchmal sollte eben auch der Moment siegen, von dem eine gut klingende Popnummer imstande ist, ihn zu besetzen, auch wenn es ein leicht doofer Moment ist.
Stompin´Souls
Musik über Musik
In einer großen Tradition befindet sich das allemal. Wie oft in pseudoreligiösen oder kultischen Umgebungen (die Popmusik hat zugegeben oft was davon, obwohl mir der Gedanke widerstrebt und auch als Analyse nicht greift) ist die Litanei, die Anrufwiederholung oft ein zentraler Stimulus. "Allah akbar", "Praise the Lord", "Jesus saves", "Heiliger Antonius hilf" usw., alle kennen das. In den unschuldigen Phasen der Genres gibt es immer ein paar Nummern, die sich textlich auf das Affirmieren ihres Seins beschränken. In späteren, reflektierten Phasen können solche Lieder über Musik sich schon wie Zeitkommentare ausmachen, sehr oft wird die Unmittelbarkeit und Kraft dieser Form für doofe Welthits genutzt. Große Musiker und Bands wie Bo Diddley oder AC/DC haben neben Sex und / oder Mobilität überhaupt kein Thema, das so oft Gegenstand der Musik ist, wie eben die Tatsache, dass es diese Musik gibt. Und mit Techno hat sich eine Instrumentalmusik zeitweise ganz der Verehrung ihrer Selbst gewidmet und des Preisens ihrer Körperlichkeit, ihrer Unmittelbarkeit in der Trance, ihrer Abwesenheit von außermusikalischen Referenzen, etc.
Stompin´Souls
"Jailhouse Rock" ( "Let's Rock"), "The Twist" ("Do the Twist"), "Pop Music" ("New York, London, Paris, Munich") , das eklige "Music" von John Miles ("Music was my fist love" hätte eine schwedische Zeile sein können), "Thank you for the Music" (Abba haben i.ü. die Stilsicherheit der Schwedenbands ebenso begründet, wie anscheinend ihren Zwang, sinnfreie Lyrik produzieren zu müssen), ganze Familienmetaphern in "The Blues had a Baby and they named it Rock'n'Roll", Bestandsaufnahmen der Zeitgeschichte wie in "Hey, Hey, My My", Jazzmanifeste von Duke Ellington bis Sun Ra, die Doors, die das Licht ausschalten, wenn die Musik zu Ende ist und deren einziger Freund sie ist, die schwule Antwort der Hidden Cameras darauf, "Music is my Boyfriend", "Hiphop don't stop", das zugegeben wichtige und doch öde "Hyper, Hyper" ebenso wie der berühmte Spruch der Fugs "When the Mood of the Music changes, the Walls of the City shake".
Die Universalität der Metamusik stellen die Stompin Souls übrigens recht charmant in ihren Song: Auf der CD ist er 9 Minuten lang, eh klar, Hidden Track und so ... nach unserer Vierminutennummer kommt eine ebenso lange Pause, dann darf ein Rapper die Refrainzeile behandeln.