Erstellt am: 26. 10. 2009 - 19:05 Uhr
Journal '09: 26.10.
Heute ist Nationalfeiertag. Nachdenken über den Status Quo ist also nicht nur erlaubt, sondern überlebensnotwendig.
Die Zahlen und Fakten sind ganz deutlich, die Geschichte sowieso, jeder, der was von der Sache versteht, weiß das und sagt das auch, solange es nicht öffentlich sein muß.
Österreich ist ein Einwanderungsland.
Punkt.
Vor vier Jahren, finde ich grade heraus, habe ich an selber Stelle (allzu) vorsichtig von einem Auch-Einwanderungsland geschrieben. Mit dieser Verbrämung (hier eine andere) muss aber Schluß sein.
Kein Aber.
Fakt.
Die Migration ist eine zentrale Frage der Wirtschaft.
Das Nicht-wahrhaben-wollen, das Leugnen, der Widerwillen, es nützt nix: es bleibt beim selben Zustand.
Deshalb: get over it, Gesellschaft, face it, Politik!
Österreich ist ein Einwanderungsland!
Da die Zeit drängt und die Versäumnisse (auch die medialen) der letzten Jahrzehnte das schnelle Handeln bedeutender gemacht haben, als es eigentlich gut wäre, gilt es über Akut-Lösungen, die zu Besserungen führen nachzudenken, und entsprechende Vorschläge ernst zu nehmen.
Ganz ohne banale Reflexe.
Die aktuelle Integrationstudie.
Kürzlich erschienene Journale zum Thema
Ausländer rein!
Immigranten verbürgerlichen!
So kam heute, am Nationalfeiertag, terminlich wenig zufällig, auch in Zusammenhang mit einer Integrationsstudie, ein Vorschlag des Innenministeriums - ich sagte, keine banale Reflexe! - in die Öffentlichkeit, der Familienbeihilfen mit Bildungs-Kriterien verknüpfen will.
Das ist insofern bedenkenswert, weil es einerseits ein Thema betrifft, das an den Stammtischen seit den 70ern kursiert (die Kinderbeihilfen, die die Kopftuchmädchen-Produzierer halblegal abcashen würden) und andererseits eine ökonomische Agenda anstreift: denn nur eine bessere Ausbildung der beiden Migranten-Gruppen, die da aktuell unterm Schnitt daherkommen (Fakten dazu hier, es handelt sich um die 2. und 3. Generationen aus der Türkei und Ex-Jugoslawien) bringt das gesamte Werkl nach vorne.
Österreich ist ein Einwanderungsland!
Dieser Fekter-Vorschlag wird interessant aufgenommen. Der Sozialminister meint, das würde sich trefflich fügen, weil die Kollegin des Inneren da ja nur eine alte Forderung des AMS aufkochen würde - womit dann ja letztlich bereits regierungsintern prinzipielle Übereinkunft erzielt wäre.
Der Vorschlag zielt darauf ab, dass neben der bisherigen (eh viel zu spät erfolgten) Offensive zur Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten und der anderen (ebenso hinterherhumpelnden) Verbesserung der frühzeitigen Heranführung potentiell vom Parallelgesellschaftismus bedrohtem Secondo an Kindergarten/Vorschule, die Punkte Schul- bzw Lehrabschluß in den Vordergrund zu rücken.
Man will also nicht wie bisher die sprachlich und sozial schwachen Ex-Gastarbeiter-Kids an die Wand der Ghettoklassen in den Problemschulen drücken, auf ihr Drop-Out zu hoffen und sie dann als Hilfshackler am Hals zu haben, sondern struktruelle Maßnahmen setzen.
Jahre zu spät, aber immerhin.
Die Grünen müssen natürlich (sie denken, ihr Klientel würde das verlangen, und haben womöglich auch recht) zuerst aufheulen, allerdings sprach Alev Korun letztlich nur eine der Schwachstellen der Idee (Lehr-Abschluß, sowas geht eigentlich nur, wenn es sowas wie eine Lehrplatzgarantie gibt - aktuell werden die -ics und die Öüs gerne außen vor gehalten) an, befindet sich also schon im Diskussions-Prozeß.
Österreich ist ein Einwanderungsland!
Eigenwillig die FPÖ-Ansage.
Der Generalsekretär mit dem Zuwanderungsnamen Vilimsky will Familienbeihilfen nur für Österreicher (was angesichts der Staatsbürgerschaften, die die Eltern der Secondos um die es geht, meist ohnehin besitzen, eine mehr als unscharfe Ansage ist) und fordert eine "Minuszuwanderung" - also den Hinauswurf von Ausländern.
Wer sich, wie gesagt, auch nur ein bisserl auskennt oder umschaut im Thema, weiß wie unsinnig und weltfremd das ist. In der FP-Diktion würde diese Ansage, käme sie von jemanden anderen, wahrscheinlich als Gutmenschen-Traummanderl-Aktion verscheißert werden.
Weil es realitätsfremder nicht geht.
Weil, auch wenn alle FP-Aktivistinnen rosenkranztechnisch 11 Kinder kriegen würden, die demoskopische Kurve nicht umzukehren ist. Das weiß der Mann der sich mit einem simplen Bändchen die Sympathie der in Österreich lebenden Ex-Serben gesichert hat, aber eh mehr als genau.
Dass sich das trotzdem ausgeht (und jetzt komm ich auf den Anfang zurück) um die Stammtische themenführerschaftlich zu besetzen, hat ausschließlich damit zu tun, dass sich die anderen nicht und nicht trauen das, was ist, auch auszusprechen.
Österreich ist ein Einwanderungsland!
Jeder Amateur-Shrink weiß: es tut extrem gut wenn man eine unangenehme Tatsache einmal ausspricht.
Es löst Blockaden und bringt neue Lockerheit.
Und ermöglicht eine neue Selbstverständlichkeit: kein Rumreden mehr aus lauter Angst dass man ein falsches Wort sagt, das beim einen oder beim anderen (je nach Lager) für Empörung sorgt.
Wenn sich alle die guten Willens sind - und das ist eine überaus satte Mehrheit, im politischen Bereich alle außer den Rechtspopulisten, im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich praktisch alle, auch die Wirtschaft hat klare Interessen an einer sauberen Ansprache der Wahrheit - endlich dazu überwinden könnten diese eine, simple, unwiderlegbare, gar nicht furchtbare, sondern (im Weltzusammenhang) ganz furchtbar normale Wahrheit auch als solche anzusprechen, dann wäre ein entscheidender Schritt gemacht.
Österreich ist ein Einwanderungsland!
So what?
Oder, besser: "und das ist auch gut so!".
Weil sonst nämlich ab- oder aussterben angesagt wäre.
Diese simple Selbsterkenntnis würde eine ganze Latte an Selbstheilungskräften in Gang setzen, die der verkniffenen Umschifferei eines bislang irgendwie "unangenehmen" Themas endlich den Krampf aus dem Muskel massieren würde.
Und damit das jetzt nicht als Aufforderung an "die da oben" hängenbleibt, ein Vorschlag: alle, die die Möglichkeit haben Definitions-Mächtige oder sonstwie Wichtige damit zu konfrontieren - fragt sie direkt.
Besteht auf einer Antwort und stellt sie aus.
Je öfter der Satz "Ja, Österreich ist ein Einwanderungsland!" zu hören sein wird, egal ob vom HBP, der Wirtschaftkammerchef oder Hermann Maier (fragt halt nicht Ute Bock oder sonstwen, die/der das eh schon immer offen gesagt hat) - desto unverkrampfter wird der Zugang zum Thema, desto geringer wird die Geiselhaft mit der der Stammtisch und der Populisten den Begriff der Migration und Integration belegt haben.
Die nächste Generation wird es euch danken.