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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

23. 10. 2009 - 18:14

Fortress Europe

Nicht nur auf der Uni - auch am Flughafen wird protestiert. Der Aktionstag gegen Abschiebung.

Das Bauvolk der kommenden Welt ist fleißig am Werk. Die Festung Europa wird aufgemotzt.

Wer drinnen ist, hats gut. Wer draußen ist, muss draußen bleiben. Einerseits ist das neue Asylgesetz in Österreich jetzt amtlich, andererseits rüsten Staaten mit schwieriger zu überwachenden EU-Außengrenzen als die zur Schweiz oder zu Liechtenstein massiv auf.

Die spanischen Territorien in Nordafrika haben in den letzten Jahren meterhohe Zäune verpasst bekommen. Bilder von überfüllten Booten, auf denen Flüchtlinge im Mittelmeer treiben, gehen um die Welt. Schiffskapitäne müssen sich für die Rettung von Schiffsbrüchigen rechtfertigen. Griechische und italienische Küstenwache sind regelmäßig im Kreuzfeuer von internationalen Menschenrechtsorganisationen.

Hilfesuchende haben immer seltener die Möglichkeit, in Europa Asyl zu bekommen. Auf Missstände will der Aktionstag gegen Abschiebung heute Freitag hinweisen.

Schauplatz dafür ist der Flughafen Wien-Schwechat. Der ist nicht nur durch den Tod (drei Polizisten wurden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt) von Marcus O. während seiner Flugzeug-Abschiebung Österreichischs Symbol der Festung Europa. In letzter Zeit hat sich der Wiener Flughafen zum Ausgangspunkt europaweiter Massenabschiebungen entwickelt, berichten NGOs.

Die neuen Massenabschiebungen, die durch die Europäische Grenzschutzagentur Frontex gefördert werden, sind nur die neueste Entwicklung der Abschiebepraxis. Schon länger berichten Touristen von Urlaubsflügen, wo am Sitzplatz neben ihnen ein Mann oder eine Frau in Handschellen sitzt - bewacht von der Polizei.

Alex Wagner war heute Mittag beim Aktionstag gegen Abschiebung am Flughafen Wien-Schwechat:

Infostand bei Abschiebedemo am Flughafen

fm4/alex wagner

Um 13 Uhr hätte der Aktionstag starten sollen, doch die meisten trudelten erst nach 13 Uhr ein. Deshalb wars am Anfang rund um den Infostand noch ziemlich leer. Auf den Plakaten mit der Überschrift "Abschiebung abschaffen!" konnte man weitere Termine von Noborder-Aktionen lesen.
Freie Mobilität für Alle und Polizei bei Abschiebedemo am Flughafen

fm4/alex wagner

Die Demonstration wird von zahlreichen Polizisten begleitet. Zur Zeit, als ich vor Ort war, gab es keine Eingriffe, höchstens den ein oder anderen argwöhnischen Blick.
Stop Deportation in der Halle bei der Abschiebedemo am Flughafen

fm4/alex wagner

Aktionskunst Galore: Einige Demonstranten heißen Abgeschobene in der Ankunfthalle willkommen. Auf ihren Zetteln, die sie hoch halten, steht: No Border! No Nation! Stop Deportation"
Cheerleaders bei Abschiebedemo am Flughafen

fm4/alex wagner

Radical Cheerleading: Mit Pom poms aus Plastiksackerln und einer improvisierten Choreografie werden die Demonstranten zum Mitmachen angestachelt. "Resist, Resist - Raise Up Your Fist!", so lautet einer der getanzten Sprüche.

Anlässlich des Aktionstags habe ich mich mit Lukas Gahleitner und Niko Katsivelaris unterhalten. Beide arbeiten für die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien, die sich auf Rechtshilfe für Asylverfahren spezialisiert hat.

Niko Katsivelaris ist häufig einziger Ansprechpartner für Menschen, die in Schubhaft sitzen:

Zur Begriffsklärung: Schubhaft wird als Verwaltungsmaßnahme verhängt. Dazu ist es nicht notwendig, dass sich der in Schubhaft Genommene ein Delikt zu Schulden kommen hat lassen. NGOs sprechen daher von einem Mittel zur Bekämpfung unerwünschter Migration.

"Unsere Funktion kann manchmal nur darin bestehen, Zeugen zu sein, die die Betroffenen ernst nehmen. Ich nehme das schon so wahr, dass Leute mir Dinge erzählen, die sie in der Schubhaft erlebt haben, weil sie das Bedürfnis haben, das jemandem mitzuteilen, der zufällig Österreicher ist.

Die Leute berichten über Beschimpfungen durch die Polizei. Also Ausdrücke wie "Arschloch", "Hurensohn", "geh scheißn" kommen durchaus vor.

Sie berichten von körperlicher Gewalt durch die Polizei, zum Beispiel Fußtritte. Und sie berichten davon, dass wenn sie "nicht brav sind", also zum Beispiel auf die Beschimpfung eines Polizisten dementsprechend antworten, dass ihnen dann die medizinische Versorgung verwehrt wird."