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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

23. 10. 2009 - 13:28

Fußball-Journal '09-100.

Europa-League-Nachlese.

Ich hab's überschlafen.
Weil ich nämlich mit dem gestrigen EL-Abend gestern Abend durchaus zufrieden war, und mir gedacht habe, dass das eine akute Laune sein könnte.
Aber: nein.
Ich seh' das heute noch genauso.
Jetzt mag sich der eine oder die andere die Augen reiben und anmerken, dass eine Bilanz von 1-1-2 jetzt nicht gerade das Gelbe vom Ei wäre, dass eine 1:5 Niederlage schon nahe am Debakel liegt und dass bei der Halbzeit der Gruppenphase die Quali-Chancen für das Frühjahr mehrheitlich schlecht aussehen, ja, zwei Clubs sind praktisch schon ohne reelle Hoffnung.

Ist alles richtig.
Bloß: was war die Ausgangsposition?
Meine zumindest lautete in etwa so: alles, was jetzt, nach der historischen Hausse, der Qualifikation von gleich allen 4 heimischen Top-Clubs, in der Gruppenphase passiert, ist ein Bonus. Und zwar einer, der mehr Wert hat als alle, die die Bad Banker kassieren.

Bonus-Zahlungen

Und den kassieren Salzburg, Rapid, Sturm und die Austria jetzt seit drei Spieltagen ab. Und bislang war jeder einzelne ihrer Auftritte ein Bonus. Jedes einzelne Spiel war völlig in Ordnung: man konnte mithalten, oder hat sich, wenn man einen schwachen Tag hatte, zumindest nicht blamiert, und man hat - oft - auch Punkte gemacht.

Das war - in der jüngeren Vergangenheit - nicht so. Rapids letzter Auftritt in der Champions League: 6 peinliche Spiele. Die Auftritte (der letzten 3, 4 Jahre) in den Qualifikationen für CL oder damaligen UEFA-Cup: mehr als durchwachsen, manchmal gar armselig.

Deshalb ist für mich der gestrige, durchaus durchschnittliche dritte europäische Arbeitstag der österreichischen Vereine, ein großer Erfolg.
Weil er Kontinuität bewies. Weil auch im vergleichsweise oder vermeintlich schwächeren Abschneiden Qualität liegt.
Und weil diese Qualität jetzt eben schon über drei verschiedene Gegner lang gehalten wird.

Für einen UEFA-Starter, dem bislang immer und in jeder Runde auch das brachiale Ausscheiden drohte, ist das nicht nur brav und gut, sondern eigentlich sensationell.
Da es sich aber um eine stille Sensation, um eine im immer erhöhten Anspruchsdenken der Laien und des Boulevards deshalb untergehende Sache handelt, ist es umso wichtiger, den Gesamtblick zu betonen.
Egal ob gestern Abend und heute Mittag.

Beispiel 1: Salzburg.

Ich habe gestern zwei Spiele zur Gänze gesehen: zuerst Austria gegen Werder, dann Panathinaikos gegen Sturm.
Und trotzdem möchte ich mit Salzburg beginnen.

Am letzten Spieltag habe ich sinngemäß und auch wörtlich gemeint, dass das dritte Spiel gegen den "leichten" Gegner die Nagelprobe sein würde. Gegen die überlässigen Laziali und das aktuell in Untiefen tauchende gelbe U-Boot lassen sich Überraschungen durchaus auch bringen, ohne dass viel reelle Substanz dahinterstecken muss.

Gegen Levski Sofia, noch dazu daheim, muss eine Mannschaft wirklich das Beste aus sich rausholen. Denn erst ein Gegner, der sich defensiv verhält, so wie also Salzburg sonst selber, stellt einen echten Prüfstein dar, international.
Und mit solchen Gegnern hat Salzburg sonst ja gern Probleme.

Nun hab ich das Spiel nur in Zusammenfassungen gesehen. Und selbst die Schönfärber der übertragenden Sender Sky bzw Sat.1 (die in punkto falsch verstandendem Patriotismus genauso gerne schiefliegen wie viele andere Kollegen) haben von einer, ich sag einmal, "inhaltlich eher schwächeren Performance" gesprochen. Nicht, dass der Sieg glücklich gewesen wäre; aber die tollen Szenen, das glorreiche Aufspielen, all das gab es nicht.
Kann Salzburg im System Stevens auch nicht: die sind derzeit nur fähig, koninuierlich zu delivern.

Aber genau das braucht es, um in der EL-Gruppenphase zu bestehen. Das, und Glück, wie gegen Lazio.

RB FC Salzburg kann aktuell nur einen Trick, kennt aktuell nur ein System, ist also unflexibel. Wenn man diese Könnerschaft allerdings als ersten Schritt in eine echte internationale Konkurrenz betrachtet, dann ist das in Ordnung. Wenn das System Stevens einen Aufbau im zweiten Jahr vorsieht (also dass man einen zweiten Trick, ein zweites System beherrscht) und, Kontinuität vorausgesetzt, auf ebenso hohem Niveau durchzieht, dann werden selbst Menschen wie ich, denen das kalte Grauen kommt, wenn sie ein lebloses Gekicke wie es Salzburg oft fabriziert, wenn Tchoyi nicht gut drauf ist, den Hut ziehen müssen.

Aber das ist ja noch optionales Denken.

Beispiel 2: die Austria.

Ja, natürlich ist die Abwehr der Austria einigermaßen geschwommen, in einzelnen Spielphasen. Aber es war auch die Mannschaft von Werder Bremen, die gegen sie angelaufen ist - also nicht irgendwer.
Und die war ihrerseits auch durchaus zu knacken, auch vom heimischen Tabellenzweiten, und das nicht nur in der Phase der Aufholjagd nach dem 0:2.

Ich hatte komischerweise nie das Gefühl, dass die Platzherren irgendwie unter die Räder kommen könnten, mir schien ein Punktegewinn immer gewiss.
Und das hat mit der neuen Philosophie, mit der neuen Nachhaltigkeit zu tun, die vor allem bei den Wiener Vereinen und Sturm seit Monaten eingekehrt ist und als stiller, aber guter Zecher gilt. Dieser beruhigende, unhysterische, auf die eigenen Stärken vertrauende neue Stil befördert ein Aufhol-Verhalten wie das von gestern. Der offensive Tannenbaum tut sein übriges. Und dass Emin Sulimani immer, wenn "Europa" draufsteht, alles zerreißt, schadet sicher auch nicht.

Mir konnte nicht einmal Holzfuß, nein gestern Holzkopf Bak das Match verderben - nach dem braven Spiel bei Bilbao und dem wenig glücklichen Auftritt gegen Funchal war das gestrige Remis der bisherige Höhepunkt der internationalen Campaign; und sollte nicht zu gering geschätzt werden.

Beispiel 3: Sturm Graz.

Beim Spiel gegen Galatasaray haben die Grazer auswärts sehr gut mitgespielt und einen Punkt geholt. Gegen einen wirklich exzellenten, mit echten internationalen Stars (und einem Coach wie Rijkard) besetzten Gegner. Und "mitgespielt" heißt nicht: irgendwas hingenudelt, sondern die bekannte spielerische Qualität ausnützend.
Beim Spiel gegen Panathinaikos, die nicht ganz die Klasse von Galata, wohl aber einen vergleichbaren Anspruch haben, war alles recht ähnlich. Zumindest in der 2. Halbzeit.
In der 1. Hälfte begnügte sich Sturm nämlich damit, die Anfangs-Offensive aufzuhalten und dann Kontrolle zu erlangen. Mehr war nicht.
Und das war womöglich die Schuld des sonst so sicheren Franco Foda.

Der wollte Jakob Jantscher schonen, und da auch der Spieler hinter ihm ausfiel, gab es mit Prettenthaler-Bukva eine komplett neue und uneingespielte linke Seite.
Das macht ein Problem. Vor allem dann, wenn man - wie Foda - nicht rotiert und den Spielern 12 - 18 kaum Einsatzzeiten gibt.

Dazu kam die Flügelzange Salpingidis - Leto, die just die Außenpositionen scharf unter Druck setzte. Dort konnte Ehrenreich gerade, Prettenthaler weniger entsprechen. Schuld: Foda, der beiden Cracks bislang deutlich zu wenig Eiszeit gab.
Seine Lösung für die 2. Hälfte: Innenverteidiger Sonnleitner, der schon rechts nicht gerade eine gute Idee war, auf links zu setzen. Dass just er dann den spielentscheidenden Fehler macht - ein Schelm, wer sich dabei etwas denkt.

So hielt Sturm in Athen wie schon in Istanbul gut mit, konnte aber wegen der wenig optimalen Personalpolitik des Abends nicht punkten. Das ist schade, aber kein Beinbruch - siehe oben: die Vereine nehmen hier teil um zu lernen. Foda sollte derlei halt nicht noch einmal passieren.

Kein Beispiel: Rapid.

Vom Rapid-Spiel hab ich nur unzureichende Zusammenfassungen gesehen; und mich nach Wissen ums Endresultat dann auch nicht weiter drum bemüht.
Denn: das kann passieren. Hapoel Tel Aviv ist (siehe Maccabi Haifa) eine hochkompetitive Truppe, gut eingespielt (Israels Liga ist eine der künftig relevanten Ausbildungsligen) und hat sich bislang hervorragend geschlagen. Und natürlich kann einen ein Gegner in Augenhöhe daheim erwischen.

In der 1. Hälfte, das war mir noch bekannt, war Rapid durchaus mit dabei, gleichwertig und hielt zurecht das Remis. Dass dann zwei schnelle Tore zu einem schlimmen Ende führten (an dem auch noch Patocka als Unsicherheitsherd beteiligt war) - soll vorkommen.

Wie genau das Mittelfeld aufgestellt war hab ich nicht genau gesehen, deshalb, nach nur wenigen Bildern, alles unter Vorbehalt: Hofmann war in der Zentrale, gut so, Boskovic dürfte den Heikkinen-Part gespielt haben (warum nicht die Gelse?), Kavlak mußte links ran (rechts ist er besser), Trimmel rechts (knapp nach seiner Rekonvaleszenz).

Letztlich war also so dass alle außer Pehlivan (der dem Vernehmen nach auch keinen guten Tag hatte) anderswo zu spielen hatten.
Ich habe nach dem letzten Spiel am Sonntag, bei dem das Hofmann-Loch fröhliche Urständ' feierte, für eine Änderung plädiert, so (nämlich alles, ein bissl ohne Not, umbesetzen) war's aber nicht gemeint.

Kontinuität sieht anders aus.
Und die ist aktuell eben der Knackpunkt: Salzburg erspielt sich die Erfolge ausschließlich damit; die Austria kam auch dadurch in die Gänge; Sturm punktet sonst damit (diesmal nicht), Rapid sollte sich anschließen (auch an die Spiele gegen Villa, Salzburg, HSV oder Celtic)

Es war also - allen heutigen Nachwassereien zum Trotz - ein guter, ein bestätigender Abend. Alle sind auf dem Weg. Und ich seh's nach dem Überschlafen auch nach dem ausführlich drüber schreiben immer noch so: zufrieden.