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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

19. 10. 2009 - 17:37

Who is watching you?

Die Nominierten für den Big Brother Award 2009 wurden heute bekannt gegeben.

Liese Prokop hat einen erhalten, genauso wie Elisabeth Gehrer, Günther Platter oder Brigitte Ederer. Nein, die Rede ist nicht von Verdienstorden um die Republik o.ä., sondern vom Big Brother Award, der am heurigen Nationalfeiertag zum elften Mal vergeben wird. Ausgezeichnet werden dabei Personen, Behörden oder Firmen, die sich im Bereich Überwachung und Ausspionieren oder Datenweitergabe verdient gemacht haben.

Big Brother Awards Logo mit Adler

bigbrotherawards.at

Die Nominierten

Heute wurde die Liste mit den Nominees veröffentlicht. In den vier Kategorien "Business und Finanzen", "Politik", "Behörden und Verwaltung" und "Marketing und Kommunikation" werden die Big Brother Awards vergeben. Jeweils vier bis sechs Nominierte gibt es in jeder Kategorie, die gesamte Liste findet sich hier. Ein paar Highlights will ich dennoch kurz anreißen:

Im Bereich Politik ist etwa Innenministerin Maria Fekter nominiert, sie forderte direkten Polizeizugriff auf Handypeilungen der Mobilfunkbetreiber, angeblich um vermisste SkitourengeherInnen leichter und schneller orten zu können. Der Kommentar der Big Brother-Jury dazu: "Warum die Zahl der Peilungen ausgerechnet in den Sommermonaten deutlich ansteigt und Skitourengeher ihr Verhalten radikal geändert haben und vor allem in den urbanen Ballungsräumen verloren gehen, bleibt ungeklärt."

Ebenfalls nominiert ist Wissenschaftsminister Johannes Hahn, für die Einführung des eVotings bei den heurigen ÖH-Wahlen. Ein Wahlsystem, das laut Jury "die in der Verfassung verankerten fundamentalen Grundsätze einer freien, geheimen und persönlichen Wahl nicht erfüllen könne."

Die Vorgänge in der Karl Popper Schulewerden wir uns übrigens morgen, 20.10., genauer ansehen, zu hören in FM4 Connected, 15-19 Uhr.

In der Kategorie Behörden und Verwaltung ist zum Beispiel die Karl Popper Schule in Wien für einen Award nominiert, weil der Direktor aufgrund von "Kriminalität" in seiner Schule und "akuter Lebensgefahr für die Schüler" Videokameras in den Gängen installieren wollte. Das Vorhaben wurde von der Datenschutzkommission gekippt. Woraufhin der Direktor, laut Jury "die Verantwortung für die Sicherheit der Schüler entrüstet an die Republik Österreich delegierte".

Überwachung am Arbeitsplatz

Heuer besonders im Fokus: Die Nominierten Unternehmen im Bereich "Business und Finanz". Ein Trend in diesem Jahr: Firmen, die ihre MitarbeiterInnen systematisch ausspoinieren, unter anderem die ÖBB und Tiger Lacke.

"Im Sinne des Erhalts der Zufriedenheit der Belegschaft" und um "Verbesserungen frühzeitig durch geeignete Maßnahmen einleiten zu können" habe die Geschäftsführung des Welser Unternehmens Tiger Lacke "regelmäßig die Kommunikation mit den betreffenden Mitarbeitern gesucht". So lautete die Reaktion der Geschäftsführung der Firma Tiger Lacke in Wels, nachdem herausgekommen war, dass MitarbeiterInnen bei Krankenständen systematisch vorgeladen und befragt wurden. Damit nicht genug, installierte die Firma Kameras in den Büros und Hallen, da ein "existenzbedrohlicher Abgang von Pulverlacken" vorlag.
Wie sich im Nachhinein herausstellte, handelte es sich hier um einen Irrtum der Buchhaltung.
Gründe genug jedenfalls, Konzernchef Clemens Steiner für den Big Brother Award zu nominieren. Die Firma Tiger Lacke war heute zu keiner Stellungnahme bereit.

Bei der Protokollierung von Krankenständen ist die Firma in Österreich allerdings nicht alleine. Auch bei der ÖBB ist das gang und gäbe, was ein Leitfaden zum internen Gebrauch beweist, der im September 2009 an die Öffentlichkeit gelangte. In der Begründung für die Nominierung für den Big Brother Award heißt es unter anderem: "Verschärfte Krankenstandskontrollen durch Detektivbüros sind da ebenso vorgesehen wie Tipps zur Befragung der Lebensgefährten von Beschäftigten mit langen Fehlzeiten."

Als dies durch die Medien ging, reagierten die ÖBB rasch: allerdings nicht durch Aufklärung sondern durch das Tilgen aller Spuren. Aufgrund von anhaltendem Druck seitens der Gewerkschaft wurde heute allerdings eine Sonderaufsichtsratssitzung zur Krankendatenaffäre einberufen.
Über die Nominierung für den Big Brother Award zeigte sich ÖBB-Konzernsprecher Alfred Ruhaltinger heute zunächst erstaunt und meinte dann: "Wir haben sowohl interne eine Untersuchungskommission eingerichtet, die die Vorfälle aufklären wird, auf der anderes Seite wird dieser Tage eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft eingehen, es wird hier also eine lückenlose Aufklärung geben, dafür sorgen wir."

Betonaward der Big Brother Awards

bigbrotherawards.at

Big Brother Gala

Wer die Big Brother Awards am Montag mit nach Hause nehmen darf (oder eher nicht, denn die Nominierten tauchen selten bei der Preisverleihung auf), bestimmt eine mit Datenschutz-ExpertInnen besetzte Jury.

Die GewinnerInnen werden bei der Big Brother-Gala am 26. Oktober im Wiener Rabenhoftheater bekannt gegeben.

Mitstimmen könnt ihr bei der Volkswahl, hier werden Einreichungen noch bis zum 25. Oktober entgegengenommen.