Erstellt am: 15. 10. 2009 - 19:17 Uhr
Journal '09: 15.10.
Der aufmerksame Leser Philip P. fragt an, ob denn das Internet-Manifest und Reaktionen darauf hier im Journal Thema gewesen wären und wenn nein, warum nicht.
Er meint damit das Anfang September von 15 Netz-Promis (Bunz, Lobo, Niggemeier, Passig etc) aufgesetzte Internet & Journalismus-Manifest, eine 17punktige Auflistung von Gemeinplätzen, die FM4-Webautor Felix Knoke hier als Herrschafts-Fantasien dekonstruiert.
Philips Frage zielt wohl darauf ab, dass ich ähnliche Thesen zum Thema bislang immer aufgenommen habe - aber erstens sagt der Felix da bereits alles Wichtige und zweitens ist der 17Pfünder allzu allgemein um konkret zu wirken.
Den Hinweis auf eine exzellente Analyse des österreichischen Internet-Denkers und Aktivisten Gerald Bäck gebe ich aber gerne weiter.
Armin Thurnhers ein wenig grotesk in die Landschaft geworfene als Leitartikel getarnteThemenverfehlung (sie ist hier als Screenshot nachzulesen) zum schwierigen Stoff "Alte und neue Medien, was kann das Internet?" zog etliche Reaktionen nach sich, vor allem deshalb weil sich an seiner wertkonservativen Einstellung deutlich manifestiert, wo die Denkfehler der alten Garde aus der Holzklasse sitzen.
Die einen waren eine direkte Antwort wie die von Walter Gröbchen, andere, wie Jana Herwig reagierten bissig und angriffig, Gerald Bäck dröselte die schwache Podiumsdiskussion, die Mitauslöser war, noch einmal auf und ich habe versucht über die konkrete, ein wenig zu sehr als den Personen hängende Debatte hinausgehend, eine Analyse der Gefahren denen man als analog denkender Mensch unterliegt, aufzustellen.
Helge Fahrnberger, einer der wichtigsten Blogger des Landes hat auf seiner Site die Chronologie der Ereignisse zusammengefasst und zugleich einen wichtigen Beitrag abgeliefert. Auf´Auftrag.
Der Falter zieht das Thema - blöd wär er es nicht zu machen - nämlich weiter, und hat vier Gasteiträge eingefordert, die sich mit dem Thema (Internet-Medien als "Gefahr" für den Journalismus) auseinandersetzen. Das sind: zwei Gastkommentare aus Deutschland (einer von der wichtigen taz-Bloggerin Julia Seeliger, einer von der "digitalen Verdummung"-Warnerin Susanne Gaschke), einer des österreichischen Politikers und Bloggers Christoph Chorherr sowie eben von Fahrnberger.
Die deutschen Gäste befassen sich - logischerweise - nicht mit der spezifischen österreichischen Situation und auch Chorherr ist eher an Prinzipiellem interessiert, weshalb Fahrbergers Antwort auch die einzige ist, die konkret wird.
Abt Armin versteht die Welt nicht mehr
Es ist weder logisch noch zukunftsweisend, meint er, wenn man sich aufgrund der problematischen virtuellen Trollerei, der Twitter-Sucht seiner Redakteure und der neuen Kraft der neuen Mund-Propaganda wie der "Abt, der das intellektuelle Monopol seiner mittelalterlichen Schreibmönche durch Druckerpressen bedroht sieht" benimmt. Das ist letztlich, sagt Fahrnberger, nur eine Reaktion auf den Machtverlust klassischer Gatekeeper ("ihre Rolle wird auf die von Multiplikatoren zurechtgestutzt"), wie sie Thurnher und seine Alterskohorte sind. Daran ist aber nichts wirklich Gutes.
Denn: "Thurnher beklagt, es ginge an die Substanz dessen, 'was eine Gesellschaft zusammenhält, nämlich die gemeinsame Verständigung darüber, was ihr wichtig ist.' Bisher eine gemeinsame Verständigung der Wenigen." - also alles andere als legitimiert. Die Demokratisierung des Internet macht Fürsten und Äbten klarerweise Angst.
Fahrnbergers wichtigster Punkt ist aber der, dass es so viele wichtigere Diskussionen im Zusammenhang mit dem, was das Netz durch seine bloße Existenz und durch die anarchische Nutzung hervorbringt, gibt, als das altvattrische, in diesem Bereich wirklich erzreaktionäre Distinktions-Gehabe des Falter-Bosses. Das verstellt (Stichwort Krokodil) einfach den Blick auf Wesentlicheres (wie zb "mangelnde Medienkompetenz, die hilflose Eltern, unvorsichtige Kinder und ahnungslose Entscheidungsträger hervorbringt.").
Fahrnberger schreibt am Schluss, dass es genau das ist, was ihn wurmt. Das ist mutig und ehrlich, weil man sich damit natürlich angreifbar macht.
Aber das ist das Wesen des Blogs, das Wesen der Netz-Kommunikation: sich angreifbar machen.
Das Wesen der Netz-Kommunikation
hat der Falter, hat Thurnher nicht verstanden.
Nicht, weil sie den Fahrnberger-Text, der auf die kenntlichen Verlinkungen auch in der Print-Version nicht verzichten wollte, diesbezüglich so erklären, als wär's die Sendung mit der Maus aus dem Jahr 1998.
Sondern, weil sie mit den vier Texten auf ihrer Website fast schon parodistisch umgehen. Die sind dort auf einer gemeinsamen Untersite verlinkt, natürlich ohne Diskussion, Debatte oder Forums-Möglichkeit. Das ist zwar lieb und hamsterbackig vor lauter Gutgemeintheit, offenbart aber die komplette Hilflosigkeit im Umgang mit dem Medium.
Es bietet die exakte Abschrift der Print-Gastbeiträge.
Sowohl der Beitrag von Fahrnberger als auch der von Chorherr sind auf deren Sites deutlich ausführlicher (und besser). Bei Chorherr steht sogar "Auf meinem Blog geht’s weiter. Bitte kurz umschalten: chorherr.twoday.net" am Schluss. Als ob das Copypasten des Rests eine Grenzüberschreitung wäre, die der Abt mit der Fingerquetsche bestrafen würde.
Die Möglichkeit, die Texte im Web, wo man ja keine zeilenbeschränkenden Platzprobleme hat, im Director's Cut zu bringen, übersteigt also das Denken der Holzklasse; auch das der zuständigen Redakteurin Ingrid Brodnig, die auf ihrer Site ja auch nie mehr tut, als ihre Print-Geschichten 1zu1 reinzustellen (und das für ein Blog hält).
Im übrigen enthält der Chorherr-Blog-Eintrag eine wunderbare Anregung zu ein oder zwei Thesen des Medien-Messung, auf die ich gerne demnächsthier an dieser Stelle näher eingehen möcht.
Besser kann man nicht illustrieren, dass man noch nicht so recht im neuen Jahrtausend angekommen ist, und deutlich hinter Deutschland (vom Rest der Medienkultur ganz abgesehen) herhinkt.
Und schlimmer kann es nicht um eine Medienlandschaft bestellt sein, die es nicht vermag, den Diskurs über die eigene Zukunft (und auch der Falter wird die hauptsächlich digital bestreiten) angemessen und ohne Distinktions-Suppenkocherei zu führen. Wenn sich das Medium, das hier das Flaggschiff der Debatte sein müsste, mit wüstem Piratensegel in den freiesten aller tortugianischen Gewässer (das sagt sich vom kleinsten Boot eines im Flottenverband steuern müssenden Mediums vielleicht leicht, geb ich zu...) auf Schaumkronen tanzen sollte, nur als die Gorch Fock begreift, dann ist das für niemanden gut.