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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

15. 10. 2009 - 16:07

"Keiner von euch kommt nach Europa!"

Die Installation "Operation Jason 1" thematisiert in Innsbruck die Grenzziehungen außerhalb und innerhalb der Europäischen Union.

Während im Schengen-Raum die Grenzbalken der Vergangenheit angehören, hat die Europäische Union ihre Grenzen nach außen hin verstärkt. Sie ist zur vielzitierten "Festung Europa" geworden, die keine Chance auf eine legale Einwanderung bietet. Doch die errichteten Mauern können gar nicht hoch genug sein, um all diejenigen abzuhalten, die versuchen, nach Europa zu kommen. Das beste Beispiel dafür sind die afrikanischen Bootsflüchtlinge, die unter Lebensgefahr versuchen, einen Fuß auf europäischen Boden zu bekommen.

Der Name Operation Jason 1 steht beispielhaft für eine Ausweitung des europäischen Grenzschutzes, für eine Patrouillenaktion, die von Griechenland, Malta und Italien gemeinsam durchgeführt wird. Deren Ziel ist es, Bootsflüchtlinge bereits vor dem Erreichen europäischer Gewässer abzufangen, damit sie kein Asyl in der EU beantragen können. Stattdessen werden sie in Auffanglager in Nordafrika gebracht, von Lybien bis Mauretanien, in denen die Genfer Flüchtlingskonvention nicht gilt.

Melanie Hollaus hat sich diese Bootsflüchtlinge als Beispiel gewählt, um mit ihrer Installation Operation Jason 1 von Innsbruck aus die Grenzziehungen innerhalb und außerhalb Europas zu hinterfragen.

Die Installation besteht aus einer stilisierten, begehbaren Bootskonstruktion des ArchitektInnenkollektivs columbosnext und einer 50-minütigen Soundinstallation, die dreimal täglich den Karl-Rahner-Platz beschallt.

Stilisiertes Boot am Karl Rahner Platz in Innsbruck

Simon Welebil

Logo von columbosnext

Simon Welebil

Die Soundinstallation, die von Melanie Hollaus und Günther Zechberger zusammengestellt wurde, macht die Erfahrung der Flucht fühlbar. Die Installation simuliert die Überfahrt der Flüchtlinge, den Aufgriff durch die Küstenwache und ihre Aufnahme in Auffanglager. Dort wird ihnen ihr Schicksal klar gemacht: „Keiner von euch kommt nach Europa!“
Interviews mit Flüchtlingen wechseln sich mit fiktiven Texten, gesprochen von SchauspielerInnen, und Statements zur Flüchtlings- und Grenzpolitik ab.

Die Installation Operation Jason 1 ist selbst ein Flüchtling. Ursprünglich sollte die Schiffskonstruktion am Innsbrucker Landhausplatz andocken, vor dem Ort, wo die Tiroler Gesetzgebung stattfindet, doch trotz Förderungen durch Land Tirol und Stadt Innsbruck wurde das Projekt weder am Landhausplatz, noch an Alternativplätzen der Stadt genehmigt.

Detailansicht eines stilisierten Flüchtlingsbootes vor der Theologischen Fakultät Innsbruck

Simon Welebil

Das Projekt hätte zu wenig Unterhaltungswert und wäre touristisch nicht vermarktbar. Bevor die Finanzierungszusagen erloschen, gewährte schließlich die Theologische Fakultät der Installation auf dem Karl-Rahner-Platz Asyl.

Der Umgang mit dem Projekt steht auch symptomatisch für das zweite Ziel der Installation, die Grenzziehungen innerhalb Europas zu thematisieren. Auch in Innsbruck werden unerwünschte Individuen ausgegrenzt: Wohnungslose, Drogenkranke, MigrantInnen. Seit Jahren werden sie von öffentlichen Plätzen vertrieben. Die Überwachung mit Kameras soll diese Ausgrenzungen garantieren.

Auch auf die Installation ist eine Kamera gerichtet. Sie dokumentiert das Projekt über den ganzen Zeitraum und überträgt die Bilder ins Internet. Jede/r kann sich an der Überwachung beteiligen.

Die Installation am Innsbrucker Karl-Rahner-Platz ist noch bis zum 20. Oktober zu besichtigen. Die Klanginstallation beginnt alle acht Stunden, jeden Tag um eine Stunde zeitverzögert. Die Termine finden sich unter operationjason1.eu.