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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 10. 2009 - 14:40

Fußball-Journal '09-96.

Das U19-Debakel von St. Veit und seine möglichen Ursachen. Ein Spionagebericht von Wolfgang Fercher.

Ich weiß, es würde soviel scheinbar Bedeutenderes geben, heute: das Ende der Pröll-Kandidatur, das Ende des Herminators, das Ende der Pyro, das böse Ende von Vandenbroucke...
Mir sind die Jungen trotzdem wichtiger...

Während die Nationalmannschaft sich nach Frankreich aufmacht, die U21 Luft holt und die U20 kein Testspiel durchführen darf, spielt die U19 Österreichs um ihr Leben: Sie ist in der ersten Runde der EM-Qualifikation engagiert. Dafür gilt es auf eigenem Boden (die Spiele finden in Feldkirchen und St.Veit, also in Kärnten statt) in der Gruppe mit Schottland, Rumänien und Armenien Zweiter zu werden.
Im Vorfeld habe ich, wie schon seit Monaten, auf eine mir unerklärlich und bedrohlich erscheinende Auffälligkeit hingewiesen: Dass nämlich kaum echte Verteidiger für die Junioren-Kader nominiert würden, vor allem Außenverteidiger sind komplett abwesend.

Constantinis Lieblings-Lösung heißt Schiemer rechts, Ortlechner links, Garics oder Ibertsberger hingegen hat er verprellt. Herzog hat mit Fabian Koch nur einen, den Rest müssen Mittelfeldspieler bzw. wie zuletzt in Baku sogar gelernte Innenverteidiger erledigen. Man kann also durchaus von einem ÖFB-Systemfehler sprechen.

Das ist insofern frappant, weil sich ja auch durch Teamchef Constantinis Amtszeit die Negierung der Bedeutung des Außenverteidigers an sich wie ein roter Faden zieht, und weil auch U21-Coach Herzog gerne Mittelfeldspieler zweckentfremdet, wohingegen richtige Abwehrspieler nur auf der Abrufliste stehen.

Interessanterweise hat die ÖFB-Pressestelle im Vorfeld der aktuellen Spiele, sehr indirekt, auf diese kleine Dauer-Anmerkung reagiert. In einer Preview auf der ÖFB-Site steht der schöne Satz: "In der EM-Qualifikation setzt der Teamchef auf eine offensive Aufstellung, auch weil Mittelfeldspieler zu Innen- und Außenverteidigern 'umgeschult' wurden."

Mich hat das ebenso belustigt wie der Satz "Über Auftaktgegner Armenien weiß Heraf nicht so viel', aber das macht nur bedingt etwas."

Nichts wissen macht nur bedingt etwas

Nichts wissen als lässig hinzustellen, das erinnert mich in der Umkehrung im übrigen an das hier.

Das würde ja alles meine Vorurteile (mangelnde Vorbereitung, fehlende Ernsthaftigkeit im Trainerjob etc.) füttern, dachte ich. Aber nachdem ich im Nachwuchs-Bereich immer im Zweifel für die Sportler und Coaches argumentiere, denk ich mir nichts Böses.

Der gesamte Spielbericht von Wolfgang Fercher ist hier nachzulesen.

Bis mich gestern Abend ein Mail erreicht: "hallo herr blumenau!hab mir am samstag das U19 quali spiel österreich vs. armenien in feldkirchen angeschaut - und da es darüber (bis auf das ergebnis) nichts zu lesen gibt, auch gleich einen spielbericht verfasst. Sie können gern draus zitieren...ist dann bei mir auch (inklusive zeichnung) im blog unter eisbaerhelmut.blogspot.com online. liebe grüße aus dem süden, wf."

Das Spiel gegen Armenien wurde 5 zu 1 gewonnen. Am Montag fand dann aber auch das zweite Spiel, das gegen einen seriösen Kontrahenten, nämlich Rumänien statt. Und man lief in ein 0:4-Debakel. Für das letzte Spiel am Donnerstag (gegen Schottland) ist somit ein Sieg Pflicht.

In diesem Zusammenhang erscheint mir das, was Wolfgang Fercher am Samstag im Spiel gegen den leichtesten der Gegner und auch im direkten Duell der Kontrahenten alles gesehen hat, mehr als interessant.
Deswegen in der Folge der leicht gestraffte Spielbericht von Fercher (der ganze steht hier.

Die U19 unter der Lupe

Der Auftakt zum diesem Qualifikationsturnier erfolgte am Samstag mit dem Spiel Rumänien gegen Schottland in St. Veit. Ob ihrer individuellen Klasse war die Favoritenrolle vorderhand den Rumänen zugeschoben worden – viele ihrer Spieler haben bereits den Sprung in die Nachwuchsabteilung renommierter Klubs geschafft. In der Anfangsphase konnte das rumänische Team seine technische Überlegenheit auch in ein spielerisches Übergewicht umsetzen, wobei die letzte Konsequenz zu wünschen übrig ließen. Nach 15 Minuten gelang es den schottischen Nachwuchskickern vermehrt das Spiel an sich zu reißen, zurückzuführen auf ihre läuferische, athletische und auch taktische Disposition. Überragend dabei die Nummer 11, der linke Mittelfeldspieler James Forrest von der Celtic U19, der von seinen Gegenspielern überhaupt nicht zu halten war. Das Endergebnis: 3:0 für Schottland dank einer taktisch sehr starken und kompakten Leistung; und eine rumänische Mannschaft, die ihre individuelle Klasse nur ganz selten aufblitzen lassen konnte.

Spielbericht Österreich - Armenien U19

fercher

Der Spielbericht.

Spiel 2 des Eröffnungstages brachte kurz danach in Feldkirchen das Duell Österreich gegen Armenien. Das Team von Andreas Heraf hatte in den letzten Testspielen gute Leistungen gezeigt und wurde auch für dieses Spiel favorisiert. Auffällig am Kader der österreichischen U19 Mannschaft ist ein Mangel an Abwehrspielern (vor allem für die Außenbahnen). Ein Problem, das in diesem Spiel aber von den handelnden Akteuren relativiert wurde. Als taktische Grundausrichtung hatte Teamchef Heraf (der zuvor noch eine Halbzeit lang beim Spiel Schottland vs. Rumänien vorbeischaute, „weil man ja nichts von den Gegnern wisse“ – offenbar wurde hier nicht einmal versucht, spärlich vorhandenes Videomaterial zu bekommen!) ein 4:4:2 vorgegeben, wobei das im Spielaufbau bisweilen auch als 3:5:2 interpretiert wurde.

Die ersten 20 Minuten des Spiels zeigten, dass Österreich den Gegner womöglich unterschätzt hatte ('gegen die gwinn ma schon!'). Die Armenier, auffallend vor allem die kleingewachsenen Offensivspieler, erwiesen sich als technisch starkes und schnelles Team. Mit schnell vorgetragenen Kombinationen durch die Mitte versuchten sie die österreichische Defensive auszuhebeln, die wuseligen Gegenspieler haben die Abwehr zum Teil vor ziemliche Probleme gestellt. Nach 27 Minuten geht das österreichische Team dann nach einer schönen Kombination und einem präzisen Schuss von Sturm-Amateur Christian Klem (vom sonst sehr geschätzten Teletext als „Klein“ bezeichnet) mit 1:0 Führung. Nach einer Freistoßflanke hat Kapitän und Innenverteidiger Michael Schimpelsberger (Legionär bei Twente Enschede) nur wenige Minuten danach das 2:0, das scheinbar vorentscheidende Tor erzielt.

Nach der Pause kommt Armenien wieder gut ins Spiel, innerhalb weniger Minuten erarbeiten sie sich einige gute Torchancen und erzielen verdientermaßen den Anschlusstreffer. Das österreichische Team ist in dieser Phase defensiv einigermaßen überfordert, schafft aber in der armenischen Drangperiode in der 63. Minute das 3:1. Das sollte dann auch tatsächlich das Spiel entschieden haben. Die Österreicher kontrollieren in weiterer Folge das Spiel, zeigen viel Übersicht und dominieren jetzt auch athletisch und läuferisch. Die generell sehr diszipliniert agierende österreichische Mannschaft, kassiert in den letzten Minuten wegen Ball-Wegschießens bzw. Reklamierens noch zwei Gelbe Karte, ehe in der Nachspielzeit, gegen eine sich durch Auflösungserscheinungen auszeichnende Mannschaft Armeniens, noch zwei Treffer zum 5:1 Endstand gelingen.

Fazit: Österreich ist dem Gegner über weite Strecken überlegen - was vor allem auf die Athletik zurückzuführen ist - hat aber zu Beginn der jeweiligen Halbzeiten etwas Glück und wird von der Spielstärke der Armenier überrascht. Das 5:1 fällt zu hoch aus, vor allem im Spielaufbau und in der Rückwärtsbewegung werden doch einige Mängel sichtbar. Gegen die kommenden Gegner (Schottland!) ist sicher eine Steigerung notwendig.

Die Spieler in der Übersicht:

Christian Klem (bester Österreicher!) – linke Abwehrposition (offenbart das eingangs genannte Problem, er spielt bei seinem Verein im Mittelfeld…) viel Offensivdrang, erzielt zwei Tore, immer wieder gutes Wechselspiel und Rochieren mit dem linken Mittelfeldspieler Philipp Huspek.

Marcel Ziegl (SV Ried) – spielt auf der rechten Abwehrposition, zuletzt bei Ried im zentralen Mittelfeld (wo sind die Abwehrspieler im Kader??); defensiv gut, viel Übersicht, offensiv aber kaum vorhanden.

Österreichs U19, Samstag gegen Armenien, taktisch.

fercher

Österreichs U19, Samstag gegen Armenien, taktisch.

Im Tor, kaum beschäftigt, Petermann.
Innenverteidigung: Kapitän Michael Schimpelsberger (Twente), bei Standards offensiv gefährlich, gute Übersicht, im Spiel 1 gegen 1 mit Schwächen, im Spielaufbau noch Potenzial, Antreiber für die Mannschaft
Lukas Rath (Mattersburg) – spielt auch nicht auf seiner Idealposition, ist eher unauffällig, mimt aber immer wieder auch den linken Mann in einer 3er Abwehrreihe, passabel im Spielaufbau.

Der Vollständigkeit halber: die von Ernst Weber hervorragend eingestellte U17 gewann ihrer Erstrunden-Gruppe klar. Auswärts, in Polen. Die Spiele gegen Polen und Israel wurden gewonnen, gegen Armenien begnügte sich das berits als Sieger feststehenede Team um Kapitän Raphael Holzhauser mit einem Remis.
So gehörts gemacht.

Mittelfeld: Huspek wie erwähnt links, besticht wie immer durch seine Schnelligkeit, technisch diesmal aber mit einigen Fehlern, phasenweise wenig Durchschlagskraft, trotzdem zwei Tore erzielt.

Marcel Büchel (Siena) – sehr starke Leistung! Enorm ballsicher, kämpferisch stark, gute übersicht. Spielt fast so was wie einen klassischen 10er, schafft es zwischendurch auch das spiel zu beruhigen, etwas mehr Offensivdrang, torgefahr wäre noch gefragt. (nach knapp 60 Minuten durch Tobias Kainz von Heerenveen ersetzt, fügt sich gut ein, im vergleich zu Büchel eher wuselig und technisch sehr ausgereift – manchmal ein wenig überhastet…)

Robert Gucher (Frosinone) – der klassiche 6er vor der abwehr, ballsicher, gutes zusammenspiel mit Büchel, versucht Linie in das Spiel zu bekommen. Gute Leistung.

Georg Teigl, rechtes Mittelfeld (Juniors) – unauffällig, spielt im Klub offenbar im linken Mittelfeld (kein rechter Mittelfeldspieler im kader?? Hierländer könnte die Position wohl auch spielen – ist aber wieder heimgeschickt worden).

Stürmer: Andreas Tiffner (BW Linz; von Salzburg Juniors ausgeliehen) – körperlich stark, viel in Bewegung; Zug zum Tor hat ein wenig gefehlt.
Marco Djuricin (Sohn von Co-Trainer Goran Djuricin; spielt bei Hertha in der A-Jugend) – auch er athletisch stark, sehr viel in Bewegung,
Stürmer rochieren gut, oft anspielbar; in den letzten 12 minuten spielt dann Markus Pink (Kärnten) – er vergibt 2 große Chancen, zeigt aber mit viel Einsatz und Laufarbeit, sowie gutem Spielverständnis auf.

Soweit Wolfgang Fercher.
Nun die Leistungssteigerung erfolgte nicht - gegen Rumänien setzte es, mit dem personell identischen Team, eine deutliche Niederlage, offiziell hieß es dazu glücklos gespielt.

Ich denke, dass der Armenien-Bericht die Gründe für die Schlappe schon in sich trägt:

Fazit

Andererseits: warum sollte Heraf etwas machen, was auch Constantini ablehnt - nämlich Vorbereitung und Beshcäftiugung mit dem Gegner. "Das bringt doch nichts", ist da die gängige ÖFB-Meinung...

Das letzte Spiel gegen Schottland gewann die U19 mit 1:0, was zwar nur für den 3. Tabellenplatz reichte, aber die Hoffnung für einen Aufstieg in die Elite-Runde nicht komplett beendet: die zwei besten Dritten kommen nämlich weiter. Das Team wurde verändert: Petermann; Ziegl (32. Windbichler), Schimpelsberger, Rath, Imamoglu; Meilinger, Gucher, Kainz, Klem (90. Pink) - Tiffner (70. Teigl), Djuricin. Torschütze Klem (84. Min) durfte endlich im Mittelfeld spielen, wodurch dieses ebenso stabiler wurde wie die Abwehr. Noch ist Hopfen&Malz also nicht komplett verloren.

1) Auffällig ist die schlechte Vorbereitung des Trainerteams. Man weiß nichts über die Gegner. Für Armenien geht sich das - mit Glück - noch aus, gegen Rumänien läuft man ins Debakel.

2) Ebenso aufällig: die schlechte taktische Einstellung. Eigentlich spielt man (wie die restliche Fußball-Zivilisation) mit einer Vierer-Abwehr, daraus wird dann aber im Lauf des Spiels eine Dreier-Abwehr - wie soll ein junges Team da stabil agieren?

3) Gleich drei Leute in der Vierer-Abwehr spielen bei ihren Vereinen in anderen Positionen. Dasselbe gilt auch für die Mittelfeldspieler. Wie sollen sie hier ein Optimum abrufen?

4) Die Qualität der Einzelspieler ist in Ordnung - es fehlt aber sowohl eine ordnende Hand für eine klare Taktik als auch das Wissen um die richtige Position der Spieler.

5) Die Einberufungs-Politik ist, vorsichtig gesagt, reif für eine Evaluierung.

Es liegt also deutlich am Coaching, nicht an den Spielern.
Wer keine Verteidiger in seinen Kader holt, wer darauf hofft, dass sich aus guten Mittelfeldspielern in einem Kurztrainingslager dann Außenverteidiger schnitzen lassen, wer in der Defensive auf kurzfristige Umschulung setzt, schaufelt sich sein eigenes Grab. Wer sich taktisch nicht auf seine Gegner vorbereitet, ist in meinen Augen kein seriöser Trainer, sondern ein Jugendcoach im herkömmlichen Sinn: ein Ehrenamtlicher, der das nebenbei macht.
Und das ist einer ÖFB-Nachwuchsabteilung, wo Leute wie Gludovatz, Ernst Weber, Ruttensteiner, Schweitzer, Hitzel, Kronjäger arbeiten oder gearbeitet haben, wo man einen Roger Spry auffing, wo man eine auch internationale Reputation hat, wahrhaftig unwürdig.