Erstellt am: 11. 10. 2009 - 15:31 Uhr
Song Zum Sonntag: Goldene Zitronen
Heute jährt es sich zum ersten Mal, dass der Kärtntner Landeshauptmann Dr. Jörg Haider bei einem (durch Alkohol und überhöhte Geschwindigkeit selbstverursachten) Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist.
Posthum wurde er mit Einigem in Verbindung gebracht, das der von ihm zu Lebzeiten propagierten Moral im Widerspruch stand, vor allem Alkoholexzess und bisexuelle Promiskuität.
Nach seinem Tod hatte sich um den erfolgreichsten rechten Politiker Europas eine beispiellose Medienpräsenz aufgetürmt, die seine populistischen Erfolge zu Lebzeiten fast noch in den Schatten stellte. Diese reichte von Heldenverehrung bis Häme, von Verschwörungstheorie bis posthumem Outing.
Über allem, zum Teil in echter Lady-Di-Kollektivität, zum Teil auch im Hinblick auf zukünftig zu schlagende Wahlen von seiner Partei bestärkt, bildete sich eine Trauergemeinde, die auf rätselhafte Weise das ganze Land Kärnten, auch viele seiner politischen Gegner, einzuschließen schien.
Davon handelt "Des Landeshauptmanns letzter Weg" vom neuen Goldenen Zitronen Album, eine im Hölderlin'schen Odenstil über einen hektischen Krautrock - Track gelegtes Rezitativ.
Goldene Zitronen
Der Chef der Goldenen Zitronen, Schorsch Kamerun, gefragt nach dem wohl auffälligsten Lied auf deren neuer Platte : "Das ist eine Collage, die eher aus Pressesamples kommt [...] Man hat einfach das Gefühl, dass das in Österreich ein Teil der Identität geworden ist. Deswegen hat das wohl auch für Leute, die den Mann politisch und ideologisch sehr ablehnten, irgendeine Art von Vakuum hinterlassen. Oder man hat sich dann doch so "mein liebster Feind"-mäßig damit beschäftigen wollen. Und hatte zum Beispiel überhaupt keine Lust auf irgendeine Einmischung von Außen. Ich versuche das ja möglichst reflektiert zu betrachten, und es scheint so zu sein, dass da jetzt irgendetwas fehlt, das man zwar abgelehnt hat, das aber nun mal vorhanden war. Faktisch ist das trotzdem sehr merkwürdig, eben auch wie er gestorben ist. Quasi jede Moral, die der Mann vertreten hatte, wurde mit seinem Tod komplett über den Haufen geworfen, Law and Order wurde eigentlich vollkommen außer Kraft gesetzt. Und das ist schon lustig, dass das trotzdem zum Helden reicht."
Ich möchte heute nur ohne weiteren Kommentar den Text wiedergeben, den Text eines Kommentars, der keines weiteren Kommentars bedarf:
Des Landeshauptmanns Letzter Weg
Der Text:
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
"Die Stadt, die die Klage schon im Namen trägt, harrte wie gebannt, ernst und ehrlich, für einmal echt, durch Trauer und Schmerz verwandt, dem König der Herzen zu huldigen, der Sonne des kleinen Landes.
Und ein Schweigen war und ein Schwelgen.
Und für einmal ließ sich auch kein anderer Schuldiger finden, kein Verschwörer aus der Fremde, so sehr man auch suchte. Verleumder und Beschmutzer die Wenigen genannt, die eins und eins zusammen zählten, was offensichtlich und bekannt, beim Namen nannten, und verweigerten das Lob ihm mitzusingen auf den ... und das Ressentiment. In der Stadt der Klage, bei den Millionen im Land war man berauscht von soviel Schicksal. Und der Trauerverband, die ordnungsliebenden Bürger, trotzen aller unschöner Details. Heimlich fasziniert von soviel Spitzbüberei. Durch den Nebel bricht plötzlich die Sonne hervor, Autos stehen still, sich verneigend das einfache Volk.
Und ein Schweigen war und ein Schwelgen.
Und ein Weinen immerfort. Goldhaubenfrauen, Schützengardisten, Brauchtumsgruppen, Kavalleristen, der Bischof und die Burschenschaftler, der Kanzler im prächtigen Meer aus Kränzen, Uniformen und Fahnen.
Etwas lag in der Luft, das ließ auch die Jüngeren vergangene, glorreiche Zeiten erahnen.
Vergessen war der Zwist und der arisierte Grund. Und die Begabung ward lobend genannt, ohne zu sagen, worin sie eigentlich bestand. Und findig eine Pilgerstätte geplant, wo Phaetons Rausch sein Ende war."