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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 10. 2009 - 15:41

Journal '09: 7.10.

Kolumne.

"Blumenau!" schreit die Kolumnistin, "I halt des net aus!" Die Koluministin hat einen Nachnamen, bei dem ich sie auch gerne nenne und sie ist gerne laut. Zartbesaitete halten unsere Dialoge schon einmal für Streit, dabei sind sie, selbst dann, wenn wir nicht einer Meinung sind, was oft der Fall ist, eigentlich Wertschätzungs-Bezeugungen.

"Blumenau!" schreit die Kolumnistin also, "Das is zu lang, zu viel und zu persönlich! Ich will das alles nicht wissen!" Sie will nicht fünf lange Absätze lesen, ehe sie zum Punkt kommt, wo's dann um das geht, was sie interessiert. Im konkreten Anlassfall ist es das, was ich vom neuen Schalko-Buch halte. Sagt sie.

Ich sage, dass mich dieser Rezensionismus der alten Schule nicht so interessiert, nein, genau gar nicht mehr interessiert. Das das Wie und das Dahin viel wichtiger wäre, dass die Auswirkungen und die Rezeptionsbetrachtung mehr Bedeutung haben.

Bledsinn, sagt die Kolumnistin. Sie wolle wissen was ich in meiner Kolumne über dieses und jenes zu schreiben wisse. Und der Weg dahin ist ihr wurscht.

Keine Kolumne

Im übrigen hab ich da - unabsichtlich - gelogen: ich schreib sowohl auf Zeichen, problemlos, als auch Kolumnen, manchmal. Allerdings tendenziell für Fachmedien wie z.B. Mitglieder-Zeitschrift der Berufsfußballer Österreichs. Wo ich von einer gewissen Grundkenntnis etlicher Dinge, die ich in den breiten angelegten Journalen dann auch ausholender erläutere, ausgehen kann.

Es ist aber keine Kolumne, sage ich, ganz im Gegenteil. Erstens, weil ich das nicht kann, Kolumnenschreiben und zweitens, weil das ein altes Format der alten Holzklasse-Medien ist.

Von mir aus, sagt die Kolumnistin, dann ist es halt ein Blog. Trotzdem will ich deine Schritte bis zu dem was mich interessiert nicht immer lesen müssen.
Und dann zitiert sie lang und ausführlich eine Geschichte aus dem Objekt unserer Diskussion, die sie da meinen würde. Sie erzählt die Geschichte, die ich verwendet habe um einen zentralen Faktor zu illustrieren (nämlich die - seltene - Fähigkeit fertige, und an sich gute Arbeiten auch wegzuschmeissen), durchaus farbenfroh und liebevoll nach. Sie hat sie also nicht nur gelesen, sondern auch verinnerlicht, so wie ich das von einer guten Leserin haben will.

Ich hake aber nicht da ein. Weil unser Dialog ja kein Beißen, sondern ein gegenseitiges Überzeugen-Wollen ist, also positiv angelegt ist, immer.
Ich hake auch nicht bei einem anderem Satz von ihr ein, den mit dem "Blog, halt." Später werde ich draufkommen, dass das falsch war, weil genau hier der Hund begraben liegt.

Ich sage also weiter, warum mich alte Kolumnen-Formate nicht interessieren und warum die Netz/Blog-Freiheit kein "Auf-Zeichen-Schreiben"-Denken braucht.

Keine Befindlichkeit

Die Kolumnistin sagt dann, dass das alles viel zu sehr Spex-80er-Jahre-Befindlichkeits-Zeug wäre.
Ich sage, dass das erstens immer noch deutlich über das zu stellen wäre, was heute an (großteils strunzlangweiligem) Musikjournalismus passiere, und dass meine "wie's dazu kommt"-Einleitungen ja nicht für Leute wie sie, die eh schon alles wissen (oder das glauben), sondern für ein (jüngeres) Publikum da sind, das sich sonst viel zu schnell mit vorgegebenem zufriedengibt und diese Anstöße (in dem Fall: die Dekonstruktion des Denkfehlers Nepotismus) dringender braucht, als etwa eine Meinung über ein Buch. Auch wenn es meine oder ihre ist. Denn das wäre eigentlich genau die Befindlichkeit, die sie doch nicht will, während es mir um ein Instrumentarium der Herangehensweisen geht.
Ich will den Menschen keine Rezension mitgeben, sondern ein Tool, mit dessen Hilfe sie mehr als nur eine Zugangsmöglichkeit eröffnen können.

Der Kolumnistin ist das egal. SIE will, dass ich schneller zum Punkt (also der Rezension) kommen soll, und sagt sie würde mir gern ein Zeilenlimit geben.
Ich sage dann wieder, dass das hier eben keine Kolumne wäre, sondern fast eine Art Gegenmodell, und ab da drehen wir uns dann argumentativ natürlich im Kreis.

Kein Blog

Der Punkt an dem ich einhaken hätte sollen, war der der missverstandenen Begrifflichkeiten, der des "Blogs halt".

Die Kolumnistin hält nämlich z.B. das hier für ein Blog. Nun ist das, ebenso wie die meisten der Links, die die (sehr typische) Blogroll hier bereithält, aber kein Blog, sondern ein Missverständnis: ein Abspiel-Friedhof für Print-Erscheinungen, ein Lagerplatz für anderswo Erschienenes, alles mögliche, vielleicht sogar ein lässiger Yunkyard, aber kein Blog.

Das ist ein Blog. Oder das. Und das.
Das hier ist eine Bloggergemeinschaft modernen Zuschnitts, ein Blogzine wenn man so will.

Selbst das ist in seiner schlauen Mischform deutlich mehr ein Blog als das hier was sich zwar mit dem Begriff im Titel schmückt, aber eine ausschließliche Zusatz-Ausspielstation für ein Print-Outlet ist.
Und das ist nicht das Wesen eines Blogs.
Das bedingt stetige und exklusive Auseinandersetzung mit dem Alltäglichen oder der Expertise des Autors/der Autorin, samt Leser-Input, Repliken und Diskurs.
Ein Blog lebt und atmet, deutlich hörbar. Eine im WWW abgelegte Seite mit 0 Kommentaren ist wie Einhand-Klatschen im Wald - sie existiert nicht. Und schon gar nicht als Blog.

Ich führe hier im übrigen kein klassisches Blog, dazu fehlen zu viele Merkmale - Niko Alm hat das einmal schon schön analysiert, fragt bei ihm nach, wenn ihr Details wissen wollt.
Mein Journal wird von den "richtigen" Bloggern deswegen als artverwandt akzeptiert, weil es schon vor ihnen da war und vieles vorweggenommen hat, was heute auf ihren Seiten Standard ist.
Dazu gehört unter anderem auch der analytische Ansatz, der sich deutlich stärker mit dem Wesen des Themas beschäftigt als mit seiner puren Abbildung oder einer ordinären Rezension.

Keine Rezension

Mit jemandem, der diese Begriffe - egal aus welchem Grund - seit jeher falsch verwendet und zb sein Netzarchiv für ein Blog hält, ist die Kommunikation über diese Formate naturgemäß schwer.
Weil ich das weiß, bin ich auf diesen Blog-Irrtum der Kolumnistin nicht eingegangen.

Fehler.

Genau anhand dieses Beispiels hätte ich nämlich gestern beispielhaft erläutern können, warum die 5 Absätze zu Schalko und dem blödigem Nepotismus-Konstrukt (das ja nur aus der Angst Menschen in der Umgebung offen die Meinung zu sagen, geboren ist) der Depro-Denker, deutlich wichtiger waren als der eine Absatz über das Buch selber.

Genauso nämlich, wie sie/wir in unserem schönen lauten Dialog eigentlich zuerst über das gemeinsame Verständnis der verwendeten Begriffe einigen hätten müssen, um überhaupt sinnvoll über die Beschaffenheit des Textes reden zu können, genauso ist es immer (und immer stärker) wichtiger, vorab zu klären, was, warum, wie, in welcher Stoßrichtung ansteht, ehe es ans Eingemachte geht.

Sonst bleibt man nämlich an der Oberfläche picken.
An der Oberfläche einer Rezensions-Kommunikation, die dann zu leblosen Online-Archiv-Friedhöfen bar jeder Bedeutung und Konsequenz führt.
Und an der Oberfläche einer Kultur der begrenzten Zeichen, die sich deswegen glaubt nicht über die Bedeutung der Kürzel, die sie verwendet, einigen zu müssen.

Die Kolumne

an sich, zumindest die österreichische, neigt nämlich sehr zu einer recht unbedachten Übernahme von bewußt und gezielt hingesetzten Begriffen - das hier war ein jüngstes Musterbeispiel des Versagens nicht nur der Berichterstattung, sondern vor allem der Kolumnisten und Leitartikler.

Die haben sich selber in einer Zeichen- und Begriffserklärungs-Enge gefangengesetzt, die ihnen die alten Medien, die Holzklasse eben, aufzwingt. Und dort, in dieser käfiggleichen Enge herrscht mehr Befindlichkeit im alten Spexschen Sinne als bei mir in endlosen geschichtenerzählenden Einleitungen, die mir von manchen sogar eher als puritanisch ausgelegt werden.
Wenn ich jetzt sage, dass ich auch eher die offensive Nicht-Analyse und die beiläufige Begriffsschluderei der klassischen Kolumnisten als Problem sehe, ist das dann puritanisch genug?

Im übrigen ist meine Kolumnistin da, was ihre Print-Sachen betrifft, durchaus eine Ausnahme: sie erfüllt die eigenen Ansprüche klar, befindlichkeitstechnisch.
Aber dort will und kann ich nicht (mehr) hin.

Wir haben uns am Schluss im übrigen drauf geeinigt, dass ich meinen Ansatz nicht ändern werde, und dass sie sich weiter über Längen/Zugänge beschweren wird. Solange sie es offen und vor allem laut tut, bin ich zufrieden.