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Ballesterer FM

Artikel aus dem Magazin zur offensiven Erweiterung des Fußballhorizonts.

7. 10. 2009 - 12:10

Es gibt immer was zu tun

Der ÖFB will mit seinem neuen "Projekt 12" die individulle Förderung der besten Nachwuchsspieler verbessern und in den Vereinen verankern.

von Reinhard Krennhuber & Emanuel Van den Nest

Willi Ruttensteiner

ÖFB

Willi Ruttensteiner weiß sich und seine Arbeit zu verkaufen. "Challenge 2008 war ein Riesenerfolg", sagt der langjährige Technische Direktor des ÖFB, das sei auch durch die Evaluierung der Sporthochschule Köln bestätigt. "Nimmt man das Abschneiden der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft als Gradmesser, interpretiert das der eine oder andere vielleicht nicht so", meint Ruttensteiner. "Ich glaube aber, dass Challenge 2008 den österreichischen Fußball wesentlich weitergebracht hat. Von den aktuellen Nationalspielern haben fast alle dieses Projekt durchlaufen." Die 2002 formulierten und im Folgejahr erstmals angewandten Ansätze konzentrierten sich neben der verstärkten Einbindung von Sportmedizin, -motorik und -psychologie auf die Individualisierung des Trainings im technischen und taktischen Bereich. In einem weiteren Schritt sollte das Konzept in die Klubs getragen werden. Und da begann es sich zu spießen, wie nicht zuletzt die Meinungsverschiedenheiten zwischen Rapid-Trainer Peter Pacult und dem Verband offenbarten.

Eine Million für die Perspektive

Das soll nun anders werden. "Die Vereine haben das 'Projekt 12' mitentwickelt und erhalten bei Erfüllung gewisser Kriterien eine zielgerichtete Förderung", streicht Ruttensteiner die wichtigsten Neuerungen hervor. Kern von "Projekt 12" ist der sogenannte Techniktrainer-Topf, durch den hauptamtliche Techniktrainer in den Vereinen und Nachwuchszentren finanziell gefördert werden, die die individuelle Verbesserung von zwei bis acht Talenten mannschaftsübergreifend übernehmen. Die Trainer müssen zumindest über die UEFA-A-Lizenz verfügen und ihre Arbeit in der Online-Datenbank des ÖFB dokumentieren. Daneben soll die Qualität der Betreuung in den Teamlehrgängen erhöht werden – durch Einsatz zusätzlichen Personals und neuer Methoden wie regelmäßiger Labortests durch Experten der Uni Salzburg und eine Haltungsanalyse aller Auswahlspieler durch Ärzte und Physiotherapeuten.

Willi Ruttensteiner, Leo Windtner, Norbert Darabos, Martin Pucher

APA

v.l.n.r. Willi Ruttensteiner, Leo Windtner (Vorsitz, ÖFB-Präsident), Norbert Darabos (Sportminister), Martin Pucher (Bundesliga-Präsident)

Im vorläufigen Kader von "Projekt 12" finden sich 40 Perspektivspieler – 31 Burschen und neun Mädchen – im Altersbereich zwischen U16 und U21 (siehe Kasten). Insgesamt werden für das Modell jährlich 1,06 Millionen Euro aufgewendet, allein 440.000 Euro liegen im Techniktrainer-Topf für die Bundesliga-Klubs bereit. 580.000 Euro kommen vom Bund – Steuergeld, dessen ordnungsgemäße Anwendung einem verstärkten Controlling unterzogen werde, wie Sportminister Norbert Darabos bei der Präsentation betonte. "Mit jedem Klub wurde ein eigenes Konzept erarbeitet, das von den Nationaltrainern begleitet wird", sagte Ruttensteiner zum ballesterer. "Didi Constantini ist für das BNZ Tirol zuständig, Heinz Peischl für die Akademie Vorarlberg, Andi Herzog für die von Rapid. Die Trainer beobachten, bringen sich ein und liefern vor der Geldvergabe einen Bericht ab, ob die Anforderungen erfüllt wurden."

Rapid ist nicht Wiener Neustadt

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Als ersten Erfolg des "Challenge 2008"-Nachfolgers wertet Projektleiter Ruttensteiner die Teilnahme sämtlicher Bundesliga-Klubs. Die entsprechenden Verträge wurden bereits unterschrieben und unterscheiden sich von Verein zu Verein. Bei Rapid, das wegen seiner Akademie 50.000 Euro pro Jahr aus dem Projekttopf erhält, verhelfen die Fördergelder Zoran Barisic zu einem Comeback. Der ehemalige Co-Trainer ist als Technikcoach zuständig für alle Spieler bis zur Kampfmannschaft, für die sein Nachfolger als Pacult-Assistent, Leopold Rotter, die Verantwortung übernimmt. "Hätte Rapid gesagt, Rotter allein übernimmt das Techniktraining, hätten wir das abgelehnt", erklärt Ruttensteiner die Förderungsanforderungen.

Wiener Neustadt muss mangels einer eigenen Akademie mit 40.000 Euro das Auslangen finden, auch hier werden die Aufgaben verteilt: Ansprechpartner des ÖFB ist Leo Schlögl, der von Manfred Schmid und Mario Posch Unterstützung erhält. "Es ist sinnvoll, wenn mehrere Trainer die unterschiedlichen Einheiten übernehmen", so Magna-Chefcoach Helmut Kraft zum ballesterer, "so vermeiden wir eine einseitige Sicht auf die Dinge." Kraft lobt die Vorgehensweise des ÖFB: "Es gab von Anfang an eine sehr gute Gesprächsbasis, wir wurden ausreichend über das Projekt informiert und unterstützen es vollkommen." ÖFB-Konditionstrainer Roger Spry hat beim Aufsteiger bereits gezielte Trainingseinheiten abgehalten. Kraft zum Ablauf: "Er wollte unsere Spieler spritziger machen. Vor dem Match gegen die Austria hat er zwei Einheiten geleitet, die auf die Schnelligkeit und Konzentration der Spieler ausgerichtet waren." Mittelfeldspieler Guido Burgstaller, einziger Wiener Neustädter im "Projekt 12"-Kader, kommt durchschnittlich dreimal pro Woche in den Genuss zusätzlichen Individualtrainings. "Es werden Technik, Schnelligkeit und Kopfball geübt, manchmal gibt es ein Kraftzirkeltraining", so der 20-Jährige. "Wir machen auch eine Videoanalyse und arbeiten dann an den Mängeln. Das ist für meine Weiterentwicklung sehr förderlich."

Schweizerische Karriereplanung

Anerkennung für die ÖFB-Pläne kommt auch aus dem Ausland. "Auf dem Papier ist das ein sehr, sehr gutes Projekt. Wirklich zählt aber die Umsetzung", meint Hansruedi Hasler, Technischer Direktor beim Schweizerischen Fußballverband. Der SFV gibt mit vier Millionen Franken (rund 2,65 Mio. Euro) pro Jahr deutlich mehr aus, um die Nachwuchsförderung bei den Vereinen gezielt zu unterstützen. Ansonsten ähneln die Konzepte einander. "Die individuelle Förderung ist eine zentrale Maßnahme in der Altersgruppe U15 bis U21. Wir machen das mit wenigen Unterschieden so, wie es im Projekt 12 angedacht ist. Pro Jahrgang werden die vier bis sechs talentiertesten Spieler ausgelesen, wir nehmen sie nach der U17, also nach der ersten EM-Qualifikation", erklärt Hasler. Die Spieler werden zu diagnostischen Abklärungen aufgeboten, auf deren Basis Trainingspläne ausgearbeitet werden. Im Unterschied zu Österreich gehen aber die Schweizer Verbandstrainer damit zu den Vereinen und sorgen dort für die Umsetzung.

Hansruedi Hasler, Technischer Direktor beim Schweizerischen Fußballverband

Ballesterer

Bei den Klubs stößt Hasler weitgehend auf offene Ohren: "Die Zusammenarbeit funktioniert perfekt bis zu dem Zeitpunkt, wo Spieler in den Kader der ersten Mannschaft kommen." Das hänge einerseits von der Klubpolitik ab, so der SFV-Direktor. "Wenn die Vereine wirklich auf die Ausbildung eigener Spieler setzen, gibt es kein Problem." Der andere Faktor sei der Trainer: "In zwei von zehn Fällen ist der Trainer ein Ausländer, der hierherkommt, um die erste Mannschaft zu trainieren, und alles andere interessiert ihn nicht groß. Ich habe von den Problemen zwischen Rapid und dem ÖFB gehört und war etwas erstaunt, weil es sich ja auf beiden Seiten um Österreicher handelt, die eigentlich zusammenfinden müssten."

Mit einem Vier-Säulen-Modell hat der Schweizer Verband jüngst vor allem die Karriereplanung seiner besten Nachwuchsspieler ins Visier genommen. Neben verstärkt auf die Position abgestimmten Übungen – beispielsweise durch ein eigenes Stürmertraining durch den Ex-Dortmund-Angreifer Stéphane Chapuisat – soll ein eigenes Vertragsmodell für 16-Jährige garantieren, dass sich die Jungprofis in diesem Übergangsabschnitt ausschließlich auf den Fußball konzentrieren können. Außerdem will man dem Szenario vorbeugen, dass die Talente überstürzt ins Ausland wechseln und dann von ihrem neuen Verein fallengelassen werden. "Es geht nicht darum, dass die Spieler nicht ins Ausland wechseln, sondern dass sie zu einem guten Ausbildungsverein gehen. Wir versuchen, die Spieler, ihre Eltern und die Agenten zu informieren und zu beraten, worauf sie achten müssen. Wenn der ausländische Verein in der Betreuung dieselbe Qualität aufweist wie unsere besten, dann ist nichts gegen einen Wechsel einzuwenden", sagt Hasler.

Die Problematik der Betreuung von Spielern bei ausländischen Vereinen kennt auch Willi Ruttensteiner. Zehn Spieler und drei Spielerinnen aus dem 40-köpfigen "Projekt 12"-Kader stehen bei ausländischen Vereinen unter Vertrag, erst kürzlich hat Ruttensteiner bei Chelsea in Sachen Philipp Prosenik vorgesprochen. "Bei diesen großen Vereinen dürfen wir natürlich nicht selbst mit den Spielern trainieren", sagt Ruttensteiner. "Wir versuchen aber engen Kontakt mit ihnen zu halten, damit sie uns alle erhobenen Daten zukommen lassen." Die Kooperation mit den meisten Klubs laufe gut, wie auch die Teilnahme von Bayern-Nachwuchsleiter Werner Kern an der Präsentationspressekonferenz gezeigt habe.

Verzögerte Wirkung

Insgesamt sieht Ruttensteiner sein Projekt und den österreichischen Fußball auf einem guten Weg. "Die Verantwortlichen haben begriffen, dass Österreich nur als Ausbildungsland eine Chance hat, Europas Spitze wieder näher zu rücken", so der Technische Direktor des ÖFB. Die Voraussetzungen dafür seien geschaffen. "Wenn ich mir die neue Akademie im Burgenland anschaue, sehe ich von der Infrastruktur keine Unterschiede zu Topklubs wie Arsenal London." Verbessern will Ruttensteiner als Nächstes die Qualität der Trainer. "Wir müssen sie noch besser schulen, sie zu noch größeren Spezialisten der Spielerentwicklung machen. Dazu muss der internationale Austausch noch mehr gefördert werden als bisher."

Am Titel von "Projekt 12" lässt sich ablesen, worauf es abzielt. Auch wenn ÖFB-Präsident Leo Windtner die Teilnahme an der EM 2012 nicht zwingend fordert, soll doch ein Fortschritt zur aktuellen WM-Qualifikation zu sehen sein. Ob das "Projekt 12" schon entscheidend dazu beitragen kann, ist fraglich. "Bei der Ausbildungsarbeit dauert es immer sieben bis acht Jahre, bis im A-Team eine Wirkung festzustellen ist", sagt Hasler. Zumindest "Challenge 2008" sollte also bereits Früchte tragen.

Projekt 12 – Die Kader:

Frauen (9): Lisa Makas (SKV Altenmarkt), Heike Manhart (LUV Graz), Laura Feiersinger, Sarah Zadrazil (USK Hof), Jennifer Pöltl (FC Südburgenland), Deniz Kuyucaklioglu (SC Stadlau), Viktoria Schnaderbeck, Carina Wenninger, Sarah Puntigam (Bayern München)

Männer (31): Christopher Dibon (Admira), Stefan Hierländer, Georg Blatnik, Marcel Ritzmair (Austria Kärnten), Günther Arnberger, Julian Baumgartlinger, Aleksandar Dragovic (Austria Wien), Lukas Rath (SV Mattersburg), Georg Margreitter (LASK), Ervin Bevab (FC Lustenau), Veli Kavlak, Yasin Pehlivan, Christopher Drazan, Muhammed Ildiz (Rapid Wien), Philipp Huspek, Atdhe Nuhiu (SV Ried), Daniel Offenbacher (RB Salzburg), Daniel Beichler, Jakob Jantscher, Christian Klem (Sturm Graz), Guido Burgstaller (Wiener Neustadt), Andreas Weimann (Aston Villa), David Alaba, Dominik Burusic, Christoph Knasmüllner (Bayern München), Bernhard Janeczek (Borussia Mönchengladbach), Philipp Prosenik (Chelsea), Dieter Elsneg, Robert Gucher (Frosinone), Marko Arnautovic (Inter Mailand), Raphael Holzhauser (VfB Stuttgart)