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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 10. 2009 - 15:37

Fußball-Journal '09-93.

Ist Salzburg angekommen? Zur Personalentscheidung Beiersdorfer/Hochhauser. Und: was das eigentlich für den ÖFB bedeuten sollte.

Irgendwie finde ich es jetzt fast schade. Dass Heinz Hochhauser geht.

Ich halte den oberösterreichischen Lehrer für einen der besten Fußball-Nachwuchs-Experten des Landes; und auch für einen durchaus guten Coach. Als er 2006 zum sportlichen Leiter des neuaufgezogenen Nachwuchs/Akademie-Konzepts von Red Bull Salzburg bestellt wurde, hab ich das Licht gesehen, für kurze Zeit nur, aber immerhin.
Denn als es selbst Hochhauser nicht einmal im Ansatz gelang, den Übergang der Akademie/Amateurspieler in auch nur die Nähe der ersten Mannschaft zu finden, war klar, dass es keinen gibt, dass es sich um ein Alibi/Renommier/Feigenblatt-Projekt handelt.

Dann, vor zwei Jahren, wurde Hochhauser zum Sportdirektor bestellt. Auch um sich vom Jara-Kurs von davor, einer Phase von Mittelsmännern, Unterhändler, Konsulenten und viel seltsamen Geldfluß überdeutlich abzusetzen. Weil Hochhauser als Synonym für Anstand galt.

Das führte zu einer Verbesserung der Politik und des Klimas, aber auch zu einem rast- und ruhelosen Hinterherwirtschaften, einem dauernden Zuspätkommen, das sich in hektischen Philosophie-Wechseln, planlosen Transfers, und einer in den wichtigen Phasen nie rundlaufenden Mannschaft manifestierte.
Sicher war das immer auch Schuld des (immer auf den Chef schielenden, und dadurch leicht gelähmten) Managements bis ganz hinauf zum genannten Big Boss, dessen Sprunghaftigkeit über Salzburg hinaus bekannt ist. Sicher war das auch die Schuld der Coaches, die zu sehr im letzten Jahrtausend lebten, zu stark an der eigenen Karriere basteln wollten oder zu stark eigene Suppen kochten.

Hochhauser geht...

Aber natürlich blieb vieles an Hochhauser hängen.

Sein Fehler war es wohl als Sportchef-Interimslösung nach dem Weggang von Oliver Kreuzer zu vollmundig in ein ihm unbekanntes Feld losmarschiert zu sein: "Ich weiß, was auf mich zukommt, und muss mich darauf einstellen", sagte er damals. Gestern, in einem TV-Talk, klang viel Überforderung durch, kam die Ausrede vom Einspringer und anderes Eingestehen hier etwas angegangen zu sein, was schlicht eine Nummer zu groß war.
Das ist natürlich auch mutlos sowas erst im Nachhinein zu erkennen und nicht schon davor reagiert zu haben.

Die große Nummer heißt jetzt Dietmar Beiersdorfer, ehemals Verteidiger beim HSV und Werder, zu Unrecht mit nur einem Länderspiel bedacht, der seine schon als Spieler deutlich ausgewiesene Besonnen- und Klugheit in ein BWL-Studium sowie Praxis in der Privatwirtschaft steckte, um dann sofort sein Ziel, den Sportdirektorenjob beim HSV, zu erreichen. Das machte er fast 7 Jahre lang, und es gelang ihm den Traditionsverein im vorderen Teil der deutschen Bundesliga zu etablieren. Der HSV ist wieder ein Big Player und spielt regelmäßig um die Champions League mit.
Ende letzter Saison gab es wohl auch aufgrund von Abnützungserscheinungen eine tränenreiche Trennung. Seitdem war Beiersdorfer allerorten im Gespräch - seit Sommer auch schon in Salzburg.

Und jetzt ist er da.

Dass man jetzt, genau gestern, also mitten in der Saison einen Wechsel nicht nur bekanntgibt, sondern auch operativ durchführt, ist zwar haarsträubend, soll und muss aber der letzte diesbezügliche Fehler sein, den die RB-Partie da anstellt. Weil ab jetzt ja jemand da ist, der derlei Blödsinn verhindern wird.

... Beiersdorfer kommt.

Beiersdorfer ist Sportchef für den gesamten Red Bull-Fußball-Bereich. Das umfasst die Standorte Salzburg, New York und Leipzig, sowie die Nachwuchs-Akademien in Ghana und Brasilien.

Beiersdorfer ist jemand, der's kann.
Wirtschaftlich sowieso, auch vom sogenannten Fußball-Sach/Fachverstand her, aber auch was Kontakte (sieben Jahre HSV bieten da wohl alles, was man braucht) und weltläufiges Auftreten betrifft.
Etwas, was z.B. in Leipzig, beim Red Bull-Outlet, das aus sportpolitischen Gründen nur RasenBall Leipzig heißen darf, dringend gebraucht wird, Die bisherigen Mateschitz-Statthalter hatten dort bislang keinen Fettnapf ausgelassen, auch aufgrund der Unkenntnis des Terrains. Was bereits lokale Kriegszustände nach sich gezogen hat, die Beiersdorfer jetzt appeasen muss.

Hochhauser war jemand, der's probiert hat.
Auf bestmöglichem österreichischen Level. Und jemand, der immerhin Abgreifer und Zwischenhändler, die in Österreichs Fußball in Doppel- und Dreifachfunktionen überall herumsitzen, hintangehalten hat.

Sich das, was Beiersdorfer jetzt im weltumspannenden Rahmen tut, nämlich das Jonglieren der Fußball-Abteilung, für den heimischen Markt zugetraut zu haben, das war wohl der Fehler Hochhausers. Denn selbst das ist, was einen Verein mit dem Anspruchs-Niveau von Salzburg betrifft, einfach eine Nummer zu groß für wahrscheinlich jeden heimischen Coach, Manager oder sonstwie im Fußball Umtriebigen. Mir fiele jetzt keiner ein, der das geschafft hätte - wie also hätte Hochhauser sollen?

Man könnte also sagen: Salzburg ist angekommen.
Endlich.
Die Entscheidung jemanden zu holen, der dem bisherigen Haufen Struktur gibt, der ein Durchgriffsrecht abseits der bisherigen "Da müssma vorher noch den Chef fragen!"-Feigheit, die den ganzen Betrieb gelähmt (und in eine Dünkelhaftigkeit des vorauseilenden Gehorsams, durch das sich oligarchische Systeme nun einmal negativ auszeichnen, geführt) hatte, auch exekutiert, ist/war überfällig.

... und was das mit dem ÖFB zu tun hat.

Natürlich steckt hinter dem ÖFB nicht die Wirtschaftskraft von Red Bull.

Und, schau an, eben ist vom "Projekt 12" am Rande die Rede und schon ist hier dazu auch die In-Deep-Geschichte vom Ballesterer am Horizont!

Aber er ist genauso ein internationaler Player, es ist genauso wichtig sinnvoll zu wirtschaften, seine Kontakte zu verbessern, die Basis (Akademien, Sonderprojekte wie das Projekt 12 oder neue, sich vielleicht an Pro Rapid orientierende Ideen) zu verbessern.

Dort ist man immer noch im Hochhauser-Stadium. Man begnügt sich damit, dass der von ÖFB-Chef Leo Windtner "Omega-Status" genannte Tiefpunkt überwunden ist und man - nicht aus eigenem Verdienst, sondern wegen einem glücklichen Zusammentreffen mehreren Faktoren - grade besser dasteht als davor.

Investition in zukunftsgeeichtes Führungspersonal steht da aber nicht auf der Agenda.

So kann sich da ein Teamchef ausleben, der zuletzt im APA-Interview auf die Frage "Wäre es sinnvoll, so wie in den Niederlanden ein System einzuführen, das überall vom Nachwuchs bis zur Kampfmannschaft praktiziert wird?" dann ernsthaft mit "Das kann man in einem Verein machen, aber für ganz Österreich funktioniert das nicht. Jeder Club hat eine andere Philosophie. Außerdem: Welche Instanz soll das bestimmen? Die gibt es in Österreich nicht." antwortet.

Die Instanz wäre er. Oder ein ÖFB-Sportchef der Marke Beiersdorfer. Für Zweiteres fehlt der Mut, für Ersteres das Können.

Merke: Der amtierende ÖFB-Teamchef gibt öffentlich zu, dass es ihm nicht möglich ist der Nationalmannschaft eine Philosophie zu verordnen, weil er sich nicht als Instanz sieht. Hallo?

Die Philosophie des Nichtwissens

Da verblassen Details wie die Tatsache, dass Constantini der um die EM-Qualifikation kämpfenden U21 jetzt nach fünf anderen auch noch ihren Chef, Veli Kavlak, wegnimmt, um ihn gegen Litauen auf der Bank zu haben, natürlich.

Constantini weiß oder wusste im Übrigen nicht, dass die U21-EM-Quali auch die für Olympia 2012 darstellt. Das war mir klar. Jemand mit seiner Sich nix denken-Einstellung hat das nicht nötig. Mittelfristige Überlegungen oder gar strategische Planung? Sicher nur was für die Freund' vom Ivanschitz, die intellektuellen Nudlaugen.

Winheims aktueller Kommentar ist leider nicht online. Ein älterer, in dem er auf Olympia hinweist, schon.

Als sich aber unlängst Wolfgang Winheim im Kurier öffentlich verplapperte und aufdeckte, dass auch der U21-Teamchef Andreas Herzog da, als er ihn drauf ansprach, nicht Bescheid gewusst hatte, hat es mich allerdings wirklich gerissen.

Da weiß ein Auswahltrainer nicht, worum es bei der aktuellen Qualifikation, die er mit seiner Mannschaft gerade ausspielt, es in weiterer Folge geht. Noch dazu einer, der so ein bisserl der Hoffnungsträger für Künftiges ist.

Ein Künftiger also, der sich nicht um die Zukunft kümmert.
Gut, einen Gestrigen, dem alles wurscht ist, dem kann man allerlei nachsehen, nachvollziehenderweise. Aber das...

Bei Beiersdorfer hätte übrigens keiner dieser Sorte, egal mit welcher Perspektive, also keiner, der so kurzfristig von der Hand in den Mund denkt, einen Vertrag.
Was immerhin für Salzburg hoffen lässt.