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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 10. 2009 - 19:41

Fußball-Journal '09-92.

Die europäische Normalisierung des heimischen Fußballs weist den logischen Weg zu einer 16er-Liga.

Diesen Herbst hält ja die internationale Normalität Einzug in den österreichischen Fußball: Die Liga begreift sich endlich als Ausbildungsliga und darf (auch deshalb) ihre Top-Vereine in den sehr clever neuaufgestellten internationalen Bewerben mitspielen lassen. Weil alle sehr brav waren, sind es heuer alle 4, die das Potential dazu haben - wenn alle gut arbeiten, wirtschaften und lernen, wird das in den nächsten Jahren fortgesetzt werden: es werden im Schnitt zwei bis drei Ö-Clubs den Herbst über in CL oder EL agieren.

Damit wird ein Zustand erreicht, der für die europäische Mittelklasse (an die man ja andocken möchte) normal ist. Türken, Griechen, Belgien, Schotten, Tschechen, Bulgaren oder Rumänen uvam haben in etwa diesen Schnitt.

Das bedeutet aber auch, dass die österreichische Liga reagieren muß.

Bislang war sie nämlich ab meist schon August dazu verdammt dem heimischen Fan eine Art Placebo-Kost zu bieten. Während die anderen in der Sandkiste Burgen bauen, war die Bundesliga am Rand und spielte mit den eigenen Zehen - was für genugsame Gemüter auch reicht, vor allem, wenn einem gleichgeschaltete Medien erklären, dass Zehenspielen eine extratolle Sache wäre.

Damit ist es vorbei.

Das Problem der Alltagskost

Jeder der mag, kann jetzt anhand der Großen Vier (Rapid, Salzburg, Sturm, Austria, um in der Reihenfolge ihrer EL-Erfolge zu bleiben) nämlich eine Menge wirkliche Sandkasten-Burgenbau-Fußball sehen, also hohe Kunst.
Das nimmt der Liga-Alltagskost natürlich eine Menge weg.

Einerseits ist das gut, weil dann die Partie Kapfenberg - Mattersburg nicht zum Hit hochgejubelt werden muß, sondern als das genommen werden kann, was sie ist: ein Treffen der heimischen B-Klasse.
Andererseits stellt sich die Liga durch die vermehrte Ansicht und Ausstellung der internationalen Partien auch quasi von selber in die zweite bis dritte Reihe.

Es wird schneller fad und interessant.
Klar, wenn man nichts außer den eigenen Zehen zur Verfügung hat, kann KSV-SVM eine abendfüllende Sache sein - wenn sich davor Klasseteams die Klinke in die Hand gegeben haben, geht dieser fromme Selbstbetrug aber gar nicht mehr; weil die Trixerei der Lizenzhalter und der medialen Aufplusterer dann auch von den bereits erwähnten Genügsamen sofort durchschaut wird.

Fadgas-Alarm

Man merkt das sehr schön an der aktuellen Runde: die ist, aufgrund des nur zehn Teams umfassenden Feldes, mit der letzten identisch, nur die Platzwahl wurde gedreht.
Früher wurde das als Cup-mäßige Superspannung verkauft, heute ist das außer langweilig nur uninteressant. Einzig bei Ried gegen LASK bzw LASK gegen Ried fällt das auf - da kommt der Derby-Faktor dazu. Gegen wen die großen Vier morgen antreten müssen, interessiert aber eigentlich niemanden. Weil es eh immer dieselben sind.

Also: es gehört Abwechslung in die enge Suppe.

Europäisch schaut das aktuell so aus: England, Spanien, Italien und Frankreich leisten sich eine 20er-Liga, spielen im Winter ziemlich durch.
Deutschland, die Niederlande, Rumänien und die Türkei haben eine 18er-Liga, und sind da auch recht winterfest.
Die Mehrheits-Führerin 16er-Liga gibt es in: Griechenland, Portugal, Serbien, Kroatien, Bosnien, Belgien, Israel, Ukraine, Russland, Schweden, Norwegen, Polen, Tschechien, Ungarn und Bulgarien.
Eine 14er-Liga haben Zypern und Finnland, eine 12er-Liga Dänemark, Schottland, die Slowakei und ein paar Fußball-Zwerge, eine 10er-Liga Slowenien, die Schweiz und Österreich; und eine ganze Menge Zwerge.

Je tiefer das Niveau also, desto weniger Vereine in der obersten Spieklasse. Ausnahme: Schottland, wo man aber auf ein vierstufiges Profi-Modell zurückgreift. Und eben die beiden zentralen Alpenländer.

Zumal der viel zu enge Spielplan für österreichische Vereine ohnehin entlüftet gehört. Bei einer Zehner-Liga sind 36 Runden zu spielen (weshalb man im Juli bereits beginnen muß, anstatt, wie in Resteuropa eine seriöse Vorbereitung spielen zu können), eine 16er-Liga mit 30 Runden würde die alten Fehler ausbügeln.

Vorteil: durch die neuen Teilnehmer (die dann Vorarlberg und Tirol wieder auf die BL-Landkarte brächten) gibt es nicht mehr Abwechslung und mehr Derbies, es würde sich auch eine Dramaturgie entwickeln, die ernsthaften Stoff für mehr als nur die omnipräsenten Top 4 und die ärmlichen Low 6 bietet. Es könnte sich endlich ein Mittelfeld bilden, in dem sich die jungen Talente ohne hysterischen Abstiegsstress entwickeln würde.

Plädoyer für die 16er-Liga

Aktuell hat Österreichs Fußball eh nur genau 17 Mannschaften, die ansatzweise Profi-Fußball spielen können: und das sind, welche Überraschung, die 10 Bundesligisten und die ersten 7 der zweiten (1.)Liga. Dahinter mühen sich die drei Regionalliga-Aufsteiger (und die überflüssigen B-Teams).

Eine 16er-Liga mit einem Unterbau einer aufgewerteten dreigeteilten Regionalliga (die auch im zunehmend wichtigeren Regional-TV verankert sein könnte) - das bringt allen was.
Was die kurzfrist-Denker und -Handler an der Liga-Spitze aufgrund ihrer Panik TV-Gelder zu verlieren, noch nicht so recht erkennen können. Bloß: lange wird sich Sky Austria eine zweite (1.) Liga nicht mehr leisten können, es heißt also vorbauen, die Bundesliga als langfristiges Projekt positionieren, auch in den TV-Rechteverhandlungen.

Ich wüßte also nicht, welche seriösen Gründe gegen eine 16er-Liga sprechen, außer vielleicht dem Einwand des Amateur-Bereichs, der die semiprofessionellen Strukturen von Regional- und Landesligen seriös geregelt haben will; was für mich zu einer umfassenden Lösung dazugehören würde.

Da sind allerdings, zuständigkeitstechnisch, ÖFB und Bundesliga zuständig, müßten also über Schatten springen und sich in Bereichen einigen, wo jahrelanger Zank das Klima vergiftet hat.
Da aber in recht kurzer Zeit soviel weitergegangen ist, in einer sinnvollen Neuausrichtung des heimischen Kicks, der da endlich aus dem letzten Jahrtausend ins aktuell rübergekommen ist, habe ich auch in dieser Hinsicht durchaus Hoffnung. Es wäre nicht nur der neuen Realität, dem Eintritt in die europäische Normalität geschuldet, es wäre auch eine Weichenstellung für künftige Generationen.