Erstellt am: 2. 10. 2009 - 21:49 Uhr
Gereifte Herren im Cyberspace
Bis zum eigentlichen Tag des Konzertes war ich mir nicht sicher, wo Yello überhaupt spielen würden. Eine große, fulminante Show in Berlin wurde angekündigt, das Wörtchen "virtuell" blieb von einem Interview in einem Tage zuvor in Wien gelesenen Zeitungsartikel hängen. Den Rest ließ ich auf mich zukommen. Abends, am Weg zum Austragungsort - dem Kino International, nahe dem Alexanderplatz - stand fest, dass die Premiere von "Touch Yello" mit einem Konzert im herkömmlichen Sinne wenig zu tun haben würde.
Lars Borges
Nun habe ich das Schaffen von Yello selbst nie aktiv verfolgt, und doch ist schon lange dieses vertraute Gefühl da, zu wissen, was diese Band ausmacht. Die Grundlage dafür bot eine Mitte der 1990er erschienene Remix-CD, die unter anderem die damaligen, gerade frisch in den Mainstream geschwappten deutschen Elektronikgranden, von Westbam bis Jam & Spoon, versammelte. "Hands on Yello" war publicityträchtig und kommerziell erfolgreich. Die ewigen Dauerbrenner "Oh Yeah" und "Bostich", deren markante Vocals auch jenen bekannt sind, die noch nie etwas vom Schweizer Duo gehört haben, sind auch darauf zu finden.
Yello sind Boris Blank und Dieter Meier, der eine Soundbastler mit Pencil Moustache, der andere Konzeptkünstler und Sänger mit viel zurück gestrichenem Haar im Genick, beide stets adrett gekleidet und ausdrucksstark. Die Performance steht bei Yello im Vordergrund und rückt die Band mit ihren aufwändig gestalteten Musikvideos Anfang der 1980er Jahre in die Aufmerksamkeit der aufkeimenden MTV-Ära.
Lars Borges
Cool, hip oder gar ambivalent waren Yello nie, dafür waren Blank und Meier immer zu klassisch-elegant - bei gleichzeitigem Hang zum expressiven Klamauk. Sie sind die noblen Clowns mit Technologievorsprung, verortet in einer hellen und jugendfreundlichen Gesamtästhetik. Cleaner Pop vielleicht, aber nicht hohl, sondern in einen durchdachten Kunstkontext eingebettet. Der hat es Yello allerdings immer auch verwehrt, in der hochgradig verzweigten Genese der elektronischen Musik wahrgenommen zu werden, in denen die Schöpfer stattdessen Afrika Bambaata, Kraftwerk oder Giorgio Moroder heißen. Yello standen und stehen immer ein bisschen außen vor, verfügen dafür in stilistischer als auch kommerzieller Hinsicht stets über ein solides Fundament.
Das erklärt wohl auch den begeisterten Empfang, den Yello bei der Premiere ihres Konzertfilms von einem Publikum bestehend aus Musikindustriemenschen, Journalisten und einigen Kartenkäufern und -gewinnern im Kino International bekommen. Dieter Meier rappt den "Bostich"-Text zur Begrüßung und spricht dann in altersweiser Ruhe und Gerührtheit über das audiovisuelle Wunderwerk, das wir bald genießen dürfen. Davor gibt's noch Appetizer mit kurzen Liveauftritten der beiden Gastmusiker auf dem neuen Album "Touch Yello", Heidi Happy und Til Brönner.
Lars Borges
Meine Vermutung vorab war, dass es - was auch immer auf der Leinwand passiert - eine Verbindung vom Film zur echten Welt geben würde. Also dieser alte Kindheitstraum (bzw. das Trauma), dass jemand aus dem Bild herauskommt oder uns hineinzieht. Oder zumindest der Dieter aus dem Film mit dem Boris im Kinosaal etwas ganz Verrücktes macht. Doch dazu kommt es leider nicht. "Touch Yello" ist die mindestens zehn Jahre zu späte Entdeckung des virtuellen Raums. Blank, Meier, Happy und Brönner singen, tanzen und spielen im Film auf einer leeren computergenerierten Bühne und entdecken ein paar Songs später die unendlichen Weiten der digitalen Möglichkeiten. Es ist wie "Tron", nur mit Gesangsauftritten statt Virenjagd, aufgenommen in Highest Definition, wo man in jedem Close-Up die gekonnte Arbeit der Visagisten erahnen kann.
"Touch Yello", den Film, als groß angelegte Promotion-Aktion für das diese Tage erscheinende gleichnamige Album abzutun, wäre zu kurz gegriffen - auch wenn ich nach dem gerade mal eine Stunde dauernden "Konzert" den stürmischen Jubel und die Standing Ovations so gar nicht nachvollziehen kann.
Lars Borges
Es ist Yello Respekt dafür zu zollen, dass sie ihr originäres Wesen in Optik, körperlichem Ausdruck und Musik auch 30 Jahre später glaubhaft umsetzen können, ohne dabei abgehalftert oder einfallslos zu wirken. Das Problem ist, dass sich das Duo damit gleichzeitig in eine starre und unantastbare Konservendose begibt, die Einflüsse und Inspiration von außen weitgehend ausblendet. Das ist gut, wenn man jung losstartet und sich noch auf die Kraft des eigenes Pioniergeistes verlassen kann. Drei Dekaden später genügen eine Sängerin und ein Trompeter nicht mehr.
Alle Fotos: Lars Borges, Electronic Beats
Das spiegeln auch die Stücke auf dem neuen Album wider: Es sind perfekt produzierte, in einem Sumpf aus belanglosem Lounge-Gesäusel und Cocktailparty-Beschallung steckengebliebene Songs, die sich viel zu leise auf die Tugenden der zwei charismatischen Schnauzbartträger berufen.