Erstellt am: 7. 10. 2009 - 19:29 Uhr
Wortlaut 09 - der zweite Platz
"Ich hab ja die ganze Zeit gewartet, wann bei dem Thema endlich mal 'Golden Shower' kommt", meinte ein Jurymitglied bei deren Sitzung. Und dann war die Jury voll des Lobes:
"Ich hab bei dem Text das Schlimmste befürchtet, nämlich so eine Sex-Angebergeschichte - 'wir trieben es gleich auf dem Klo' oder sowas in die Richtung und war dann angenehm überrascht, weil es eine doch zarte Geschichte ist - bis zum dicken Ende. Was ich auch interessant fand, ist, dass ich lange gerätselt habe, ob es zwei Jungs sind."
"Ich fand, es war die rundeste Kurzgeschichte, mit einem ganz klassischen Kurzgeschichten-Thema, wo ich in jedem anderen Kontext sagen würde, ja, diese leisen, homosexuellen Annäherungsgeschichten, die alle so traurig sind, hab ich jetzt schon ein bisschen zu oft gehört, aber in dem Kontext fand ich sie dann sehr wohltuend; einfach mal einen gutgemachten Text zu lesen."
"Wenn man jetzt das Modell einer Kurzgeschichte heranlegt, dann war das der stringenteste Text, wo Figurenzeichnung und Geschichte stimmen, wo es einen spannenden Moment gibt."
Gregor Locher - einer der "Großen Zehn von Wortlaut 09": "Allgemein handeln meine Geschichten von Jungen, die wie ich um das Jahr 1984 auf dem Land geboren sind. Meistens kommen sie zudem aus dem Schwäbischen, was ebenfalls autobiographische Anklänge hat. Man soll eben darüber schreiben, was man kennt. Nichtsdestotrotz sind die Geschichten weit davon entfernt, autobio-graphisch zu sein. Nach jahrelangem Stadtleben finde ich es dennoch seltsam, dass eine Jugend auf dem Land weit inspirierender ist, als ein Studium in irgendwelchen Großstädten."
Georg Locher / Radio FM4
"Golden Shower"
In "Golden Shower" erzählt Gregor Locher die Geschichte, von einem jungen Mann, der von einem anderen jungen Mann ganz fasziniert ist, sich in den auch verliebt, aber gar nicht genau weiß, was der denn nun wirklich von ihm will.
"Du bist halt doch vom Land, sagt er dann, und manchmal streichelt er mir dabei über die Haare und sagt, ich sei süß, während ich mich bemühen muss, nicht die Fäuste zu ballen. Stattdessen lache ich dann meist, weil es mir hilft, nicht zu weinen.
Manchmal erzählt er von der Familie, die er einmal haben wird. Von den Namen, die seine Kinder bekommen werden, und trotzdem lässt er zu, dass ich meinen Kopf auf seinen Bauch lege. Wie sein Vater will auch er einmal ein Haus auf dem Land besitzen. Zwar wird er meist im Einsatz sein, aber seiner Frau und seinen Kindern will er ein schönes Zuhause bieten. Er selbst ist in der Stadt aufgewachsen, dass will er seinen Kindern einmal nicht zumuten.
Eigentlich beneide ich dich, sagt er und streicht über meine Haare. Seine Mutter hat er seit Jahren nicht mehr gesehen."
Er habe sich einfach überlegt, was man mit dem Thema "gold" anfangen kann und das Thema einer Schatzsuche in Oberschwaben habe sich für ihn schnell erledigt, weil er das nicht so spannend fand, erzählt Gregor Locher.
"Golden Shower" habe er schon mal gehört, findet das interessant. Und weil das wohl die wenigsten schon mal praktiziert haben, das von den meisten Medien verteufelt wird - "Deswegen wollte ich mal kucken, wie kann man das 'schön' darstellen. Jetzt nicht unbedingt auf die Feuchtgebiete-Charlotte Roche tour – also nicht einfach so 'hohoho, krasskrasskrass', sondern dass es vielleicht auch einfach ganz normale Menschen sind, die das praktizieren. Dass nichts Bösartiges, nichts Böswilliges dahinter sein muss, sondern dass es einfach eine normale Spielart der Sexualität ist."
Diesen feinen Grad kann Gregor Locher beschreiben.
"Wenn es das braucht, dann soll das sein."
Fesselnd und schrecklich genau.
Das gehöre zu der Unsicherheit des Icherzählers. Der Erzähler will die Liebe des anderen. Das ist das Entscheidende.
Er schreibe, weil er das Bedürfnis hat, etwas zu Papier bringen zu müssen, erzählt Gregor. Weil es Dinge gibt, die müssen raus.
luftschacht
Gregor Locher live
Gregor Locher liest "Golden Shower" am Donnerstag, 8. Oktober im Rahmen der Wortlaut Buchpräsentation im Phil in Wien.
Ebenso wie die Drittplazierte Cornelia Travnicek.. Und auch die oder der Erstplazierte. Wer das ist, wird morgen, am Donnerstag, in der Homebase verkündet.