Erstellt am: 6. 10. 2009 - 19:22 Uhr
Wortlaut 09 - der dritte Platz
Das Telefon läutet zwei mal.
"Travnicek."
Zita Bereuter begrüßt und eröffnet Cornelia Travnicek, dass sie nicht nur unter den besten 10 von Wortlaut ist – nein, sie ist Dritte.
"Dritte!? (seufzt kurz) Ok ... es ist nur schlimm, weil ich immer so knapp dran vorbei bin. Es ist nämlich so: Ich bin lieber ganz oder gar nicht dabei, weil sonst ärgert man sich immer. Ich freu mich eh, es ist super. Aber der Erstplatzierte kommt in den Standard, in den Volltext usw., der zweite Platz ist dann schon egal ... Denn wenn man so knapp dran war, denkt man sich, dass man es ja eigentlich können müsste und kann dann nicht aufhören. Dann sitzt man das nächste Jahr wieder zu Hause und denkt sich, dass man ja nicht schon wieder einschicken kann und tut es dann doch. Ich bin jetzt schon das dritte Mal auf der Shortlist und zwei Mal unter den besten Drei gewesen. Jetzt muss ich dann irgendwann mal aufhören! (lacht)
Bereits beim Wortlaut 2006 hat Cornelia Travnicek den 2. Platz erreicht.
Man versteht ja auch die Leute, wenn man die Kommentare im Forum liest von wegen ‚Es machen ja immer die Gleichen mit‘. Bei uns hat es auch einmal einen regionalen Wettbewerb gegeben und da hat viermal hintereinander die gleiche Person gewonnen und jedes Mal wenn sie auf die Bühne gekommen ist, wollte ich ihr schon was nachwerfen, weil man sich denkt: ‚Hast du nicht auch irgendwann mal genug? Möchtest du den anderen nicht auch mal die Chance geben?‘. Wenn man schon einmal gewonnen hätte, dann könnte man ja aufhören, dann hat man es geschafft und etwas erreicht und könnte weitergehen."
So aber schreibt sie weiter. Nicht nur für Wortlaut, schon einige Bücher hat die 22jährige mittlerweile veröffentlicht: "Aurora Borealis", "Die Asche meiner Schwester" oder zuletzt "Fütter mich", vor kurzem erschienen beim Skarabäus Verlag. Nebenbei studiert die Niederösterreicherin Sinologie und Informatik.
Cornelia Travnicek - eine der "Großen Zehn von Wortlaut 09":
geboren 1987 in St. Pölten. Lebt in Traismauer, Wien und im Kopf oft in Asien. Schreibt mittlerweile Romane und kann die Frage nach dem Grund noch immer nicht leiden. In Kürze wird sie sich in Therapie begeben, da sie eine gewisse FM4-Wortlaut-Obsession nicht mehr abstreiten kann. Im Herbst hoffentlich endlich die ersten beiden Bacherlorabschlüsse und viel zu viele Pläne für das weitere Studium. Neueste Veröffentlichung: Fütter mich im Verlag Skarabaeus. Verschiedene Auszeichnungen: u.a. Autorenprämie des BMUKK und das Hans-Weigel-Literaturstipendium des Landes Niederösterreich.
hermann rauschmayr
Das Thema "gold" hat sie in der Kurzgeschichte „Aurum metallicum Oder Was für ein Kind ich bin“ verarbeitet.
Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die mit Punks auf der Straße abhängt und die Geschichte ihres Bruders erzählt. Ihres Bruders, der als Kind an Krebs gestorben ist.
"Aurum metallicum Oder Was für ein Kind ich bin"
Der passende Soundtrack zum Text ist für Cornelia Travnicek:
Amanda Palmer: "I Will Follow You in The Dark" (eine Death Cab For Cutie-Coverversion)
und
Okkerville River: "Black Sheep Boy"
Ich war dreizehn Jahre alt, dieses unheilvolle Alter, in dem sowieso auf einmal alles zusammenbricht und man in den Trümmern sitzt, mit einem Bauplan wie von Ikea, einem einzigen kleinen Inbusschlüssel, und das alle wieder in Ordnung bringen soll, irgendwie. Die Augen meiner Mutter waren müde, jedes Mal wenn sie meinen Vater anschrie. Mein Vater war müde, sobald er nach Hause kam, was nicht oft war. Die meiste Zeit war mein Vater auf Dienstreise und grundsätzlich ist nichts auszusetzen an Vätern, die auf Dienstreisen sind, sobald sie nachher gut gelaunt und mit kleinen Geschenken zu ihrer Familie zurückkehren und ihre Frauen auf die Münder küssen. Mein Vater brachte nie etwas von seinen Dienstreisen mit, bis auf das eine Mal, versehentlich eines der Höschen seiner Nutten, im Koffer. Da nahm meine Mutter diesen Koffer und stellte ihn wortlos vor die Tür und meinen Vater dazu. Da waren wir. Ich und meine Mutter im Haus, mein Vater und sein Koffer davor, im Schuhregal immer noch dieses eine Paar Chucks, eine Tür im oberen Stock, die nie jemand öffnete und die kleinen Fläschchen mit den weißen Kügelchen im Medikamentenschrank.
Jurykommentare
Damit konnte sowohl die Vorjury als auch die Hauptjury überzeugt werden:
"Eine sehr anrührende, sehr literarische Geschichte mit Sätzen und Bildern, von denen ich sicher ein paar in Erinnerung behalten werde. Etwa die roten Chucks, die sich im Regal berühren oder die der Bruder im Krankenhaus trägt. Diese Erkenntnis, dass die Chucks eigentlich viel zu teuer waren, aber wenn ein Kind nicht mehr wächst, dann helfen nur mehr Geschenke. Das sind lakonische, anrührende und sehr richtige Beobachtungen. Ich war wirklich skeptisch was das Thema anging aber dann im ICE, wo ich den Text las, war ich den Tränen nahe."
"Ich fand das Motiv mit diesen homöopathischen Kügelchen sehr schön, die soweit verwässert sind und dann trotzdem noch gegen Traurigkeit helfen sollen. Dass die Familie mit dem Bruder dasselbe macht und versucht ihm den Krebs auszuwaschen, bis nur noch er da ist."
"einer der elaboriertesten Texte, auf eine klassische Art und Weise."
Es fasziniert sie immer, wie die Leute auf die Straße kommen. Sie setze sich auch immer wieder zu Punks und unterhält sich mit ihnen. Fasziniert sei sie von den verschiedenen Lebensgeschichten, die man durchaus nicht dort verorten würde, erzählt sie. Umso glaubwürdiger liest sich "Aurum metallicum Oder Was für ein Kind ich bin."
luftschacht
Cornelia Travnicek live
Den ganzen Text gibt es am Donnerstag, 8. Oktober von Cornelia Travnicek zu hören. Sie liest ihn im Rahmen der Wortlaut Buchpräsentation im Phil in Wien.
Und zum Selbstlesen im Wortlaut-Buch, das im Literaturverlag Luftschacht erscheinen wird und ab 9. Oktober im Handel ist.