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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 10. 2009 - 17:31

Journal '09: 2.10.

Drinnen Spott für jedes Wort. Über die Begleitstudie zum schwelenden Thema des Generationen-Konflikts.

Die angesprochene Studie heißt „Die anti-revolutionäre Generation“ - Selbstverständnis und Grundbefindlichkeit Jugendlicher 40 Jahre nach Woodstock; Berichtsband zur Eigenstudie des Instituts für Jugendkulturforschung 2009, verfasst von Dr. Beate Großegger.

Am Mittwoch haben wir gelernt, was das ist "post-heroisch" - und deshalb ist die Gebrauchsanleitung, die Verfasserin Beate Großegger hier ihrer Studie "Die antirevolutionäre Generation" beistellt, auch bitter notwendig, wenn man sich ausführlich mit diesem Round-Up aktueller Zustände befassen will.

Der andere vom Institut für Jugendkulturforschung war am selben Tag in einer TV-Diskussion zu sehen, in der Jugend-Vertreter von SP, FP und Grünen (interessanterweise allesamt Burschen mit zumindest migrantischen Elternteilen, was der FPler allerdings als einziger sorgsam verschwieg...) über ein wenig präzisiertes Thema zu reden hatten, und er (Bernhard Heinzlmaier) war insofern ein rettender Anker, als er sich in aller Offenheit Einschätzungen wie "Die FPÖ ist eine inhaltsleere postmoderne Marketingpartei" durchaus gewagte Meinung anzubringen traute.
Damit eröffnet Heinzelmaier eine Art des Meta-Dialogs, der nötig ist, um zumindest die diskursfähige Minderheit der Jungen (und auch die entsprechende Minorität der Alten) zu einer Debatte ins Boot zu holen, einer Debatte, die - so denke ich - auch FP-Strategen wie Generalsekretär Kickl eigentlich gern führen würde; zumindest lassen jüngste Interview-Aussagen von ihm eine gewisse Sehnsucht nach mehr Reibung auf einer intellektuellen Ebene spüren.

Zurück zum Thema.

Antirevolutionäre Post-Heroen also...

Nein, die Studie sagt nichts Sensationelles.
Das geht nicht, auch weil die Entwicklungen global doch irgendwie konzertiert ablaufen und die österreichischen Jugend-Spezifika sich in Grenzen halten.
Ich glaube trotzdem, dass einzelne Passagen der Studie jeder, der mit den Themen Ausbildung, Jugendarbeit, Popkultur etc. zu tun hat, lesen und wissen sollte. Auch wenn es bei jedem dieser Punkte dutzende "Wissmaeh!"-Aufstöhner gibt - auf die jedoch immer Hunderte "Aso?"-Ahnungslose kommen.

Das beginnt damit, was für die heute 16- bis 26-Jährigen die "gestrigen" Jugendkulturen sind, die für sie heutiges Erwachsensein repräsentieren: die Grunge/Slacker-Bewegung, der eine "emotionale Erdigkeit" zugeschrieben wird. Gegen die wehrt man sich also, instinktiv. Mit den Mitteln des "Stylers", und der kann nicht viel.

Dass die Öffnung der Welt, ihr Zusammenwachsen mittels Globalisierung die allermeisten, auch die allerallermeisten Jungen, eher überfordert, einschüchtert und fertigmacht, ist mittlerweile auch klar - selbst wenn das für die Vorgänger-Generation, die das noch nicht so fertigmenümäßig serviert bekommen hat, völlig unverständlich daherkommt. Die hat das alles genau andersrum angenommen.
Daraus resultiert (unter anderem) die Identitätsdiffusion und Planlosigkeit, die es den heute U30-Jährigen so schwer macht mit den Vorgängern, bis rauf zu den heute herrschenden Baby-Boomern auch nur ansatzweise konkurrieren zu können.

Sie haben die Struktur, in der sie stecken, nicht geschaffen

Das "man kann eh nix tun", das "es sollt was passieren" kommt zu matt daher - weshalb die Gruppe aus dem allgemeinen Diskurs rauskippt. Der altersübergreifende ist zu divers, um einen einheitlichen Mainstream der Minderheiten ergeben zu können. Im Studien-Sprech ist das eine fehlende "generationenbezogene Vergemeinschaftung". Das bedeutet, das man nicht gehört wird. Und das ist eine gefährliche Situation.
An der die Jungen selber nur bedingt schuld sind - sie haben das System, die Struktur, in die man sie hineingeboren hat, nicht geschaffen.

Die Aufgeklärtheit der modernen Gesellschaft, die Kommerzialisierung des Tabubruchs führt zu einer Verweigerung, die maximal als "nichts" provoziert. Sämtliche Landkarten sind aller weißen Flecken beraubt, kaum ein Aufbruch lohnt noch.

Was nicht heißt, dass da inhaltlich nix mehr geht, eher im Gegenteil. Zitat aus der Studie: "wenn sich heutige Jugend bewusst mit Politik und Gesellschaft auseinandersetzt, hat dies eine andere Qualität als noch in ihrer Elterngeneration." Es stehen nicht mehr System-Fragen im Vordergrund, sondern die Verwertbarkeit innerhalb des eigenen Bezugsystems. Das ist in Wahrheit ein großer Sprung nach vorne, den allerdings die aktuelle politische Kultur schwer mithüpfen kann, weil er ihre Bedeutung in Frage stellt.

Der Individualismus der Mitte

Die fünf Typen im post-heroischen Zeitgeist
1) die politisch passive Fun-Fraktion
2) die gleichgültigen Scheißdrauf-Typen/Philosophen
3) ergebnisorientierte PragmatikerInnen
4) Reflektiert-Selbstbestimmte
5) Hedonistisch-idealistische Rebellen

Interessant ist - im langjährigen Vergleich dieser Cluster-Gruppen, dass die zahlenmäßig größeren ersten drei früher kleiner oder gleich groß wie die beiden letzten, kleineren, politisch aktiveren Gruppen waren.

ist etwas, was man früher für unmöglich gehalten hat: die Mitte war Synonym für Stillstand und Konformität, die Ränder hielten die Aufregung bereit (egal ob politisch oder gesellschaftlich). Das hat sich gedreht - heute geht das überall, vor allem in der Mitte der Gesellschaft.
Das Spiel mit Symbolen der Alten spiegelt das wieder: Man macht sich eher lustig über das "Immernoch"-Pseudo-Randgehabe der Vorgänger-Generation, indem man ihre Idole und Ikonen durch den Fleischwolf dreht. Der Begriff "Revoluzzer" bedeutet heute "Wichtigtuer".

Die Maßnahmen der Political Correctness, die noch von den Ausläufern der 80er/90er-Aktivisten stammen, werden ironisiert und ignoriert - da derlei oft den einzige Alltags-Praxistest darstellt (Darf ich Pommes vom Maci essen?), findet genau hier der Abgrenzungskampf statt.

Das alles mündet in ein deppensicheres Chart, das ich hier kurz verschlagworten möchte:
(links/früher - rechts/jetzt)

sozialutopisch - sozialutopielos
Selber handeln - Hoffen, dass jemand anderer handelt
Verweigerung - Mitmachen
zukunftsorientiert - gegenwartsbezogen
Aufbegehren - Stylen
Oppositionswille - Selbstgestaltungswille

Ergebnis-Orientierung

Diese Trennung von Selbst und Gesellschaft, also das totale Auseinanderhalten von dem, was allen was bringt (also auch mir) und dem, was ich für mich erkämpfe, ist eklatant - und für die Oldies nur in geringem Maße nachvollziehbar.

Dass sich die rein ergebnisorientierten, resultsfetischisierten Jungen sich sozialutopisch nicht mehr als Speerspitze betrachten, sondern sich einem ihnen vorgesetztem System ergeben, das sie zur Leistung (in weltweiter Konkurrenzsituation) zwingt, ist ein Fakt, an dem alle Über-30-Jährigen nicht vorbeikommen, auch wenn sie's nicht kapieren wollen.

Man kann das jetzt als nutzenorientierten Konsumismus diffamieren oder zur Kenntnis nehmen, dass die Welt, die die Alten den Jungen hingestellt haben, keinen Anlass gibt soziale Utopien zu entwickeln. Weil wir mittlerweile den Soma-Zustand von Brave New World erreicht haben.

Die "Was ist los mit der Generation 20-29"-Frage, die sich seit Jahren stellt, die hierzulande erst seit Kurzem diskursiv wahrgenommen und dem Pathos-Boulevard-EinWahnsinndasalles!-Mainstream entrissen wird, zeigt in jedem Fall, dass es sich in Wahrheit um ein Problem der Vorgänger-Generation handelt, die eine mittlerweile fremde Sprache spricht, und sich nicht umstellen kann/mag.
Sie, die Oldies, erwarten von den Jungen, dass sie sich integrieren, ja am besten assimilieren, und beschweren sich dann genau darüber. Schwierige Ausgangsposition also.