Erstellt am: 1. 10. 2009 - 20:06 Uhr
Fußball-Journal '09-91.
Man muss sich entscheiden in dieser Europa League: Es finden zeitgleich ja immer zwei Spiele statt. Und wer sich da aufs Zappen oder gar auf die angebotene TV-Konferenz verlegt, der sieht zwar alle Spielstände und Tore, kann aber das Spiel nicht ernsthaft lesen. Es geht ja auch nicht, dass man zeitgleich zwei Filme in Konferenz sieht. Das heißt: gehen tut's schon; nur bliebt jedes darüber verlorene Wort halt an der Oberfläche kleben.
Natürlich gehe ich davon davon aus, just das falsche Spiel erwischt zu haben. Im Horr-Stadion scheint nämlich Ungewöhnliches zu passieren bei Austria Wiens Spiel gegen Nacional Funchal aus Madeira.
Und ich hab mich für die Heimspiel-Premiere von Salzburg entschieden, ihr Spiel gegen das gelbe Unterseeboot des Villareal CF.
Salzburg gegen Villareal
Langsam lichten sich die Nebel.
Und das, was man bislang nicht wahrhaben wollte, zeigt sich jetzt offen. Es ist nicht schön, im Gegenteil, es ist potthässlich, aber es bringt das, was bislang gefehlt hat: internationale Erfolge.
Rasenball Salzburg hat jetzt, mit Huub Stevens, ein Team, ein System, das in Österreichs Liga (gegen schwächere Gegner) so halbwegs das Spiel machen kann (wiewohl das gegen gleichwertige manchmal kaum reicht), und sich in Europa, gegen die besseren Teams, eine destruktive Defensive, reinen Konterfußball spielt. Nur noch Tchoyi, Svento und Janko sind um Angriffsfußball bemüht, der Rest blockt.
Lange hatte sich das Personal, hatten sich die Spieler, gegen dieses neue, hässliche Spiel, quergelegt. Aber der Coach hatte freie Hand und den Persilschein des zunehmend geschwächten Sportdirektors. Es gab also keine Einspruchsmöglichkeit gegen das System Stevens.
Und man hat sich gefügt. Selbst Rebell Janko ist mittlerweile auf Linie.
Es ist im übrigen ein System, dem ich nicht im entferntesten die Professionalität absprechen möchte. Wenn ich höre, dass Stevens seinen Spielern DVDs mit Villareal-Spielen mitgegeben hat und von seinen Spielern dann eine Verschriftlichung des Gesehenen (Stärken/Schwächen-Analyse) fordert, dann bin ich entzückt. Das ist ein Ansatz, der dem Locker-vom-Hocker-Constantinismus hierzulande (der bei allem, was mit zuviel Schriftzeichen agiert, gleich bösen Intellektualismus unterstellt, seine Unterlegenheit offen anzeigt.
Trotzdem ist das, was rauskommt, das Spiel an sich, großteils grauenvoll anzusehen, wie zuletzt in Rom, wie heute gegen Villareal; aber es bringt die internationalen Punkte.
Dass Mateschitz' Spielzeug sein Stadion mit diesem Kick nicht ausverkaufen kann, versteht sich: attraktiv ist das nicht; mit der Verve von Rapid, Sturm und auch der Austria kann dieser Reißbrett-Kick nicht mithalten.
Aber diese Strategie lässt Salzburg punkten und im Ranking aufsteigen.
Interessanterweise hat die Destruktiv-Defensiv-Taktik (DDT) gegen Mannschaften auf Augenhöhe (und auch drunter) nicht (Maccabi) oder nur hauchzart (Zagrab, auch Dublin) gereicht - weshalb man auch nicht mit der Champions League-Gruppenphase (dem eigentlichen Ziel) belohnt werden konnte.
Dort sollte ja die DDT eigentlich greifen - jetzt wird sie halt in der Euro-Liga probiert.
Spannend, was das wahre Gesicht dieses Teams betrifft, wirds in den Spielen gegen Lewski Sofia - da wird man nämlich zeigen müssen, was man wirklich kann.
Die schmächtige Salzburger Fan-Kurve hatte im übrigen folgendes unfreiwillig witziges, hatschert formuliertes Sprechband ausgestellt: "WM-Land geschlagen - das EM-Land folgt!"
Denn die glückliche Fügung, dass man sich gegen zwei akut in der Krise (Lazio ist daheim aktuell nur 10., Villareal gar vorletzter) befindliche Teams aus großen Ligen mit dieser Nadelstich-Taktik durchsetzt, ist nicht der Normalfall, definiert diese Mannschaft nicht.
Was die aktuelle Formkurve von Tchoyi-Svento-Janko nicht negieren soll. Die drei verdienten aber mehr Mitarbeit ihrer Kollegenschaft, so wie das zu Adriaanse-Zeiten üblich war, wo letztlich acht Spieler offensiv dachten und handelten.
Aber weil man nicht kriegt was man verdient, hat Salzburg derzeit halt mit hässlichem Spiel auch Erfolg.
Aber eben auch ein nicht ausverkauftes Stadion. Und keine Fans, sondern nur Zuschauer.
Die Pechmarie
Diese Rolle fällt offensichtlich der Wiener Austria zu: da geht, nach Murphys Gesetz, halt schief, was nur schiefgehen kann. Zuerst ist man in Bilbao von einer extrem gut eingespielten Truppe überfordert, dann lässt man sich von den kompakten Insel-Kickern aus Madeira (gut, sind in der Hauptsache Brasilianer) so verunsichern, dass es nur zu einem Remis reicht.
Egal.
Ich darf an mein Diktum vor der Euro-League, ja bereits vor der entscheidenden Quali-Runde erinnern: es ist egal welche Ergebnisse hier in der EL erzielt werden. Wichtig ist es, sich anständig aus der Affäre zu ziehen und noch wichtiger ist es zu lernen (für den Verein, und für jeden einzelnen).
Und das tun sie alle, auch die Austria-Pechmarie.
Die Gegen-Modelle
zu Salzburg sind aktuell vor allem Rapid und Sturm. Und wieder muss ich mich entscheiden. Ich lasse den Rekorder das Spiel in Istanbul ansehen und zappe nach Glasgow. Auch weil ich davon ausgehen muss, dass wesentlich mehr Menschen Celtic gegen Rapid im frei empfangbaren Puls-TV sehen werden als Galatasaray vs. Sturm im Abo-Funk von Sky.
Im übrigen rumort es ob der Übertragungs-Politik der Sender-"Familie" (Sky, Sat1, Puls) ordentlich - dort konzentriert man sich total auf Rapid, was naturgemäß alle anderen verärgert.
Celtic gegen Rapid
So kann man Defensive auch auslegen: mit einem rigorosen 4-2-3-1, das bei Bedarf aber mehr Leute in die gegnerische Hälfte schickt als Salzburg sich im eigenen Stadion traut. Rapid Wien spielt, seit man sich vom nur vorgeblich offensiven und flügellahmen 4-4-2 zu einem 4-2-3-1 mit echten Flügeln und einem endlich freigespielten Hofmann entschlossen hat.
Und so kann man mit Celtic Glasgow mitspielen. Wirklich mitspielen. Nicht destruktiv im selben Seil hängen, sondern spielen, mitspielen, Fußball spielen.
Deswegen hat die Mannschaft und deswegen auch der Zuschauer nie das Gefühl, dass Rapid in der Schlußphase noch einbrechen kann.
Mitspielen, auf gutklassigem Niveau und dabei punkten - besser gehts nicht.
Galatasaray gegen Sturm
Da hab ich jetzt außer dem Tor in der Nachspielzeit (die Grazer führen 0:1, dem Spielverlauf nach nicht völlig unverdient) nichts gesehen, aber Franco Foda lässt ja seit Jahren im selben System, einem hochflexiblen 4-2-2-1-1 spielen, mit jungen schnellen Akteuren, die ihre Freiheiten nützen. Und so selbst in der Fremde beim Gruppen-Favoriten mitspielen, wirklich mitspielen etc.
Mitspielen und (durchaus verdient) punkten - das geht sich auch hier aus. Auch in der zweiten Halbzeit seh ich nur die Schlussphase, höre vom üblichen mutigen Spiel der Grazer nach vorne und sehe, wie auch hier eine willensstarke, mutig ein- und aufgestellte strukturell junge Mannschaft nicht wirklich in Gefahr kommt.
Das macht...
... zwei gefühlte Siege an gefürchteten Orten, einen mit absichtlich inszenierter Hässlichkeit ernudelten Heimsieg und eine gefühlte Niederlage. Also den ganzen Bogen der möglichen Emotionen. Und einen weiteren Schritt nach Europa.