Erstellt am: 1. 10. 2009 - 18:42 Uhr
What happened to The Simpsons?
Keine Ahnung, wie der Impact derzeit über die deutschsprachige Fernsehlandschaft zu spüren ist, aber seit dem Kinoerfolg von The Simpsons Movie ist es in den USA verdächtig ruhig geworden um unsere gelben Freunde aus Springfield.
Die Sitcom läuft zwar weiterhin prominent am Sonntagabend im Rahmen der Fox-Animation Domination. Doch die Ratings sind seit längerem rückläufig. Das Season-Finale der 20. Staffel Ende Mai hatte weniger Zuseher als sämtliche Vorgänger in der Geschichte der Serie. Nichts Ungewöhnliches in Zeiten der fortschreitenden medialen Ausdifferenzierung sollte man meinen, würde er im direkten Vergleich dazu nicht viel besser abschneiden. Aber dazu später.
Fox
Viel schwerer wiegt, dass die Simpsons als Zitat verschwunden sind, wenn es um die Auseinandersetzung mit der amerikanischen Alltagskultur geht. Die ewig sprudelnde Quelle der Simpsons-Referenzen in Pop, Medien und Diskussionen, sie scheint versiegt.
Überhaupt, die dysfunktionale Vorzeigefamilie wirkt zunehmend unzeitgemäß. Als wären dieser Monumentalserie nicht nur die guten Geschichten, der unter der Brachialität vergrabene Humanismus und der Charakter der Figuren über die letzten paar Staffeln abhanden gekommen, – all das sind Vorwürfe, die Fans seit Jahren erheben – es ist viel schlimmer: Die Simpson scheinen die Fähigkeit verloren zu haben, uns die Welt erklären zu können.
Springfield droht in der jetzigen Machart allmählich zur Museumsstadt der eigenen, glorreichen Vergangenheit zu verkommen. *Snief I*.
Sync 1: Folge eins der akutellen Simpsons-Staffel, die ebenfalls letzten Sonntag auf Fox ausgestrahlt wurde, stammt aus der Feder von Seth Rogen. Vielleicht erinnerte Homer The Whopper ja deshalb an bessere Zeiten, was das Storytelling betrifft. Rogan nutzte übrigens die Gelegenheit, seinen Cock-Fight mit der Entourage Posse über die Simpsons fortzusetzen.
Springfield vs Quahog
Schuld daran ist (auch) Peter Griffin. Ihr kennt ihn sicher, den Family Guy. Er geistert seit Jahren mehr oder weniger erfolgreich durch deutschsprachige Kanäle. In den USA läuft die Cartoon-Serie in indirekter Nachbarschaft zu den Simpsons auf Fox und übertrifft die Konkurrenz am eigenen Sender mittlerweile in allen Bereichen.
Tatsächlich wirkt "Family Guy" beim Erstkontakt wie ein billiger Rip Off der Simpsons. Sowohl das Setting als auch die Anlage der Charaktere gemahnen an die übergroße Familiengeschichte aus Springfield. Allerdings gibt es der Family Guy noch eine Spur überdrehter und anarchischer.
Familienoberhaupt Peter Griffin ist derber und dümmer als Homer, Ehefrau Lois nachgiebiger und aufgesexter als Marge und der übergewichtige Sohn Chris womöglich gar ein verkappter Schwuler (jessas!).
Fox
Eine typische Family Guy Episode besteht in der Regel aus der Aneinanderreihung von Gags, die die Storylines eher aushebeln, als sie voranzutreiben – ein Umstand, auf den in diversen South Park und Simpsons Folgen in Form von Seitenhieben hingewiesen wurde, die vom Family Guy prompt zurückgespielt wurden.
Sitcom Populismus pur
Die Serie ist ein Feuerwerk aus popkulturellen Referenzen, Brachial-Zoten, aberwitzigen Musical-Einlagen und absurden Rückblenden, die selten oberhalb der Gürtellinie angesiedelt sind und zielsicher den guten Geschmack torpedieren.
Wo die Drastik bei den Simpsons als Stilmittel die Brutalitäten, das Absurde, die Langeweile und den Horror der durchschnittlichen amerikanischen Mittelklasse-Existenz entblößt, den Menschen dabei aber immer wieder über das gute alte Konzept der Liebe mit sich und den anderen versöhnt, steht sie bei Family Guy kontextlos im leeren Raum und ist einzig der Übertretung verpflichtet. Family Guy, das ist Sitcom-Populismus pur.
So entsprechen die Abenteuer der Familie Griffin perfekt den viral zirkulierenden Web 2.0 Kicks zwischendurch, den Videos von Spei-Orgien, brutal-lustigen Unfällen, peinlichen Momenten der Selbstentblößung und so weiter und so youTube. Keine Comic-Serie bildet das derzeit besser ab als Family Guy, niemand ist da dichter dran als Seth MacFarlane.
Fox
The Biggest Loser
Dabei hat alles mit einer Niederlage begonnen. Der mit allen popkulturellen Wassern gewaschene Schöpfer der Sitcom musste seinen Family Guy bei Erstantritt Ende der 90er Jahre nach kurzer Zeit wegen schwächelnder Quoten in den vorläufigen Ruhestand schicken. Wie seinerzeit bei Star Trek generierte jedoch die Syndikatisierung der Serie und der DVD-Verkauf der ersten Staffeln einen Hype, der 2004 zur Wiedereinsetzung durch Fox führte.
Mittlerweile regiert Family Guy dort den Sonntagabend. Popstars wie Moby zählen zu den größten Fans, Venezuela will Stationen bestrafen, die die Serie spielen und Stewie, das sardonisch-clevere Baby der Griffins, mausert sich zu einer Art Kinderstar – oft zitiert, immer häufiger auf T-Shirts auftauchend.
Homer goes Peter?
Und die Simpsons? In einer fatalen Strategie scheinen die Macher die Charaktere nun umgekehrt am Humor der Konkurrenz auszurichten, während Family Guy mit zunehmenden Erfolg bessere Stories entwickelt und mittlerweile auch schlagendere Einblicke in die kollektive Psyche der Jetztzeit gewährt.
Doch MacFarlane will mehr: mit American Dad installierte der neue Comic-Zampano 2005 eine zweite Serie auf Fox, die ganz im Zeichen der dunklen Bush-Jahre stand und noch immer steht. Selbst in dieser Serie, in der sich alles um den patriotischen Familienvater und CIA-Agenten Stan Smith dreht, überblendet die Drastik der Darstellung sämtliche politischen Implikationen, seien sie noch so aufgelegt; wiewohl MacFarlane seine Sitcoms generell eher am Zeitgeist des Marktes auszurichten scheint, als einer küntlerischen Vision zu folgen.
Change for America: The Cleveland Show
Vergangenene Sonntag lief dann auf Fox erstmals The Cleveland Show, ein Spin-Off von Family Guy.
Und auch hier hängt MacFarlane seine Nase in den Wind des Zeitgeschehens: Cleveland Brown ist ein Stammtischfreund Peter Griffins und er ist schwarz. Nun hat er seine eigene animated Sitcom. "It's about time", wie er am Ende der ersten Folge mit Blick in die fiktive Kamera sagt. Vom Präsidenten zur Sitcom.
Auch hier wagt MacFarlane weniger, als der erste Blick vermuten lässt. Cleveland, der bei Family Guy aufgrund seiner verschleppten Sprechweise einem altem rassistischen Stereotyp entsprechend zurückgeblieben, aber gutmütig angelegt ist, darf jetzt schlauer und offensiver agieren. Die Handlung wurde von New England in den Süden der USA verlegt. Dort lässt sich das Thema Rassismus brachial aber auch risikofrei abhandeln, schließlich ist man aus dieser Ecke nichts anderes gewohnt.
Fox
Sync 2: Arianna Huffington, Gründerin der Huffington Post, leiht in der Cleveland Show der Frau eines Nachbarn ihre Stimme. Jener ist - nicht ungewöhnlich für MacFarlene-Sitcoms - ein sprechender Bär with some kind of germanic accent.
No King Of The Hill (no more)
Der frisch geschiedene Cleveland, der zu Beginn von Folge eins von den Family Guy Protagonisten in Rhode Island verabschiedet wird, plant mit seinem Sohn nach Kalifornien zu ziehen, landet aber schlussendlich in den Armen der Highschool-Liebe aus seinem Heimatkaff im Süden. Dort gilt es nun eine Familie zu gründen und die Wirren des Alltags zu entflechten.
Noch fällt es schwer, sich ein Urteil über die Cleveland Show zu bilden. Serien haben es ja so an sich, dass zunächst die Protagonisten eingeführt werden, ehe ihre Geschichten in Fahrt kommen.
Fakt ist, dass MacFarlane ab nun drei von vier Cartoon-Sitcoms bei Fox am Start hat, denn der von mir heiß geliebte, aber für den Murdoch-Sender wohl schon immer zu subtile und leise, King Of The Hill musste der Cleveland Show weichen und wurde endgültig eingestellt. *Snief II*.
Einzig verblieben im Umfeld der MacFarlane Shows sind die Simpsons, die trotz Quotenrückgang noch immer über eine solide Fanbasis verfügen. Doch schon munkelt man, dass der Dauerbrenner nach der vertraglich zugesicherten Season 22 eingestellt werden könnte.
Dann wird man möglicherweise die Antwort kennen auf die Frage: What the f..k happened to the Simpsons?