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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

30. 9. 2009 - 20:13

Fußball-Journal '09-90.

Sich nix denken, Mannhaftigkeits-Probleme und Reflexions-Unlust. Aus gegebenem Anlass: ein paar prinzipielle Vorwürfe an die ÖFB-Betreuer und ein aktueller Nachwuchs-Round-Up.

Von der Verkniffenheit zur Selbstsicherheit. Was eine Vertragsverlängerung alles ausmacht. So lässig, wie er immer getan hat, war Dietmar Constantinis Feuerwehrmann-Status also gar nicht. Das Fußball-Journal von gestern, aktuell zur Kader-Nominierung.
Mehr wie immer unter fm4.orf.at/fussballjournal09.

Der durch die Vertragsverlängerung aus der Vorhölle der ewigen Feuerwehrmänner entkommene, neue, und auf angenehme Art plötzlich selbstsichere und nimmer patzige Teamchef Didi Constantini hat seinem Hollodrio-Image alle Ehre getan und sich zielsicher in einen dicken Fettnapf manövriert.
Die Causa Ivanschitz sieht nämlich interessanterweise nicht (wie erwartet) den ehemaligen Teamkapitän als Verlierer, sondern läßt eher den Teamchef alt aussehen. Er trägt nämlich die Beweislast der Behauptung, mit deren Hilfe er den Neu-Mainzer recht logisch aus dem aktuellen Kader rausgehalten hat.

Nun mag die persönliche Geschichte der beiden eine voller Missverständnisse sein, es kann auch mit einem prinzipiellen Problem einer seltsamen Mannhaftigfkeit zu tun haben, die mir bei der aktuellen ÖFB-Trainergilde aufgefallen ist - die zentrale Aussage dieser ohne Not losgetretenen "Affäre" ist eine andere.

Herbergsvater im Durchgangszimmer

Der U21-Kader findet sich unten im Haupttext.
Der andere Kader mit den vielen U21 und U20-Spielern, der des A-Teams ist hier anzusehen.

Die U20 spielt (danke an ÖFB-Pressesprecher Klinglmüller) im Oktober nicht, der Test der U18 folgt später: am 21. 10
Zuletzt wurden (für beide Kader ist Hermann Stadler zuständig), für die U20 folgende junge Herren berufen (damit wir den Nachwuchs einmal gebündelt betrachten:

Tor: Markus Egger (Wattens), Heinz Lindner (Austria), Pirmin Strasser (Pasching), Jörg Siebenhandl (Neustadt).

Verteidigung: Sebastian Radakovics, Maximilian Karner, Markus Neunteufel (Salzburg), Leonhard Kaufmann (Kärnten), Christoph Kobleber (LASK), Jürgen Prutsch (Altach),Kevin Hacker (Sturm), Florian Hart (LASK), Rifat Sen (Dornbirn), Andreas Simma (Altach).

Mittelfeld: Thorsten Schick (Gratkorn), Stefan Schwab, Marcel Holzmann, Philipp Zulechner (Salzburg), Georg Grasser (West Ham/ENG), Benjamin Freudenthaler (Austria Lustenau), Ali Hamdemir (LASK), Christoph Kröpfl (Salzburg),Markus Obernosterer, Thomas Löffler, Benjamin Pranter (Wacker Innsbruck), David Harrer (Austria), Thomas Hopfer (Admira), Thomas Salamon (Mattersburg).

Angriff: Dieter Elsneg (Frosinone/ITA),Georg Gravogl (St. Pölten), Deniz Mujic (Dornbirn), Philipp Vorraber (Gratkorn), Phlilipp Hosiner (Sandhausen/DEU).

Verletzt ist Rene Pitter (KSV)

In der nächsten Woche stehen sehr wichtigen EM-Qualis der U19 und U17 an.

Die erste U19-EM-Qualifikationsrunde findet in Kärnten statt, man trifft auf Armenien (10.10.), Rumänien (12.10.) und Schottland (15.10.):

Tor: Philip Petermann (Austria), Christian Petrovcic (GAK)

Verteidigung: Michael Schimpelsberger (Twente/NED), Mahmud Imamoglu (Vienna), Lukas Rath (Mattersburg), Richard Windbichler (Admira).

Mittelfeld: Marcel Büchel (Siena/ITA), Robert Gucher (Frosinone/ITA), Stefan Hierländer (Kärnten), Philipp Huspek, Marcel Ziegl (Ried), Tobias Kainz (Heerenveen/NED), Christian Klem (Sturm), Manuel Sutter (St. Gallen/SUI), Georg Teigl (Salzburg).

Angriff: Marco Djuricin (Hertha/DEU), Markus Pink (Kärnten), Andreas Tiffner (BW Linz).

Auf Abruf: Tor: Lorenz Höbarth (LASK) - Abwehr: Ervin Bevab (FC Lustenau), Emir Dilaver (Austria), Lukas Gabriel (Ried), Luca Tauschmann (Sturm) - Mittelfeld: Miodrag Vukajlovic, Eric Plattensteiner (Austria), Michael Ambichl (St. Pölten), Muhammed Ildiz (Rapid), Marco Meilinger, Rene Zia (Salzburg), Michael Schildberger (Ried) - Angriff: sonst niemand.

Coach: Andreas Heraf.
Auffällig auch hier: kaum echte Verteidiger (außer auf der Abrufliste), tolle Mittelfeldakteure, viele davon schon in Ausland ausagebildet.

Der U18-Kader folgt Mitte Oktober.
Man darf die Tormänner Georg Blatnik (Kärnten) und Günther Arnberger (Austria) erwarten, Stefan Lainer, Philipp Offenbacher, Lukas Gunzinam ua aus Salzburg, Verteidiger Bernhard Janeczek (Gladbach/DEU), Spielmacher Moritz Leitner (1860/DEU), Angreifer Christian Knasmüllner (Bayern/DEU) und Daniel Luxbacher (Rapid)

Der Kader für die erste U17-EM-Qualifikationsrunde, die in Polen statfindet, und zwar gegen den Gastgeber (09.10.), Israel (11.10.) und Armenien (14.10):

Tor: Michael Höfler (FAL Linz), Maximilian Penz (Hoffenheim/DEU).

Verteidigung: Stefan Petrovic (Hertha/DEU), Fabian Hafner (Kärnten), Markus Keusch (St. Pölten), Andreas Pfingstner (Salzburg), Marvin Potzmann (BNZ Burgenland), Alexander Staudecker (Salzburg), Dominik Traunmüller (FAL Linz).

Mittelfeld: Raphael Holzhauser, Kevin Stöger (VfB Stuttgart/DEU), Marcel Ritzmaier (Kärnten), Patrick Haas (Rapid).

Angriff: Dominik Burusic (Bayern/DEU), Toni Vastic (Blackburn/ENG), Philipp Prosenik (Chelsea/ENG), Jannick Schibany (St. Pölten), Peter Zulj (Rapid).

Coach: Ernst Weber.
Auffällig hier: viele extrem hoffnungsfrohe Talente, fast alle allerdings im Offensivbereich zu finden. Mit Penz und Petrovic werden erstmals zwei junge Legionäre ausprobiert.

Ebenso wie die überwiegenden Mehrzahl der beim ÖFB beschäftigten Coaches denkt sich Constantini bei dem, was er tut, nix. Er spekuliert damit, dass ihm (dem eigentlich-eh-Städter, dem Innsbrucker) das als bergbäuerlicher Charme durchgelassen wird. Was auch meistens funktioniert, weil sich Constantini instinktsicher auf populäre, um nicht zu sagen, populistische Trends draufsetzt, seine Dogmen von gestern bereits heute über Bord wirft und eine Art Herbergsvater im Durchgangszimmer gibt.

Das läßt natürlich jegliche Reflexionfähigkeit verkümmern; und ist dann, wenn einem sowieso davor graut, besonders hilfreich.
Und genau das ist es, was die modernen jungen Trainer im Ausland von der neuen Generation hiesiger Coaches noch brutal unterscheidet - mittlerweile sind sie (theoretisch) womöglich wirklich gut ausgebildet, mit den aktuellen Lehren versorgt und vielleicht sogar gut vernetzt, aber über sich und ihre Taten (und deren Folgen) nachzudenken, das schaffen sie noch nicht wirklich gut. Und genau das ist vielleicht die Hürde, die verhindert, dass österreichische Coaches mehr als einen deutschen Drittliga-Verein und einen slowakischen Grenzklub trainieren, sondern in Österreich pickenbleiben müssen, weil sie international (noch) kein Land sehen.

Der ÖFB geht da mit schlechtem Beispiel voran.
Das reflexionslose Gehabe der meisten seiner Coaches ist mein Hauptvorwurf.

Zum Beispiel: Constantini - Ivanschitz.

Wer es nicht schafft, eine wenig glaubwürdige Wendung in einem Gesprächsverlauf (dessen Auswirkungen ja medial dokumentiert waren) aufzuzeichnen, sondern auf die Macht des eigenen Narrativs exklusivvertraut, der ist - im Sinn einer Medien/Kommunikations-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts kommunikationsuntüchtig und nicht führungsbefähigt. Man kann ein wichtiges, klärendes Telefonat wie das mit Ivanschitz via Skype, oder per Lautsprecher-Funktion mit Zeugen führen, oder auch (mit entsprechendem Hinweis) aufzeichnen, man kann mündlich vielleicht missverstandenes per Mail klarifizieren etc - es gibt dutzende Möglichkeiten der "Hat er gesagt - Hab ich nicht gesagt!"-Zwickmühle, in der der Didi jetzt wie der Ochs vorm Tor sitzt, zu entgehen.

teamchef constantini

oefb

Die Ablehnung von sinnreichen Tools ist ein sehr deutlicher Aspekt einer inexistenten Grundhaltung der Reflexion. Wer sich - vor allem in einem Beruf, in dem es um die Anleitung jüngerer Menschen geht - nicht ständig die Frage nach seiner Position und deren Richtichkeit stellt, neue Hilfsmittel und Kommunikationskanäle zumindest erprobt, der ist in Wahrheit wenig gut geeignet für einen solchen Job.

Gelebte Reflexions-Unlust

Ich kann jetzt nicht beurteilen, wie das im konkreten Einzelfal aussieht - das, was immer wieder an die Öffentlichkeit oder zumindest an mein Ohr dringt, erzählt tendenziell davon, wie es nicht geht. Constantinis anfängliche Jugend-Feindlichkeit (die er innerhalb von kürzester Zeit ins Gegenteil drehte), seine Techno-Ablehnung und seine vorsintflutliche Kommunikationsstrategien sind allesamt deutliche Anzeichen von "Sich-nix-Denken", also Reflexions-Unlust.
Das mag bei älteren Funktionären, die in einem Hudriwusch ihre geheime (und natürlich falsch verstandene) Rebellions-Sehnsucht abarbeiten, funktionieren - im Arbeitsalltag klappt das mäßig; im Arbeitsalltag des Fußball-Auslands etwa geht das gar nicht.

So durchtrieben oder slick die Mirko Slomkas dieser Welt (um da jetzt jemanden herzunehmen, der einmal seriös im Gespräch war) auch sein mögen - das können sie: evaluieren im besten Sinn.

Die unsrigen hingegen tappen in jede Falle wie der Yogibär in den Honigtopf. Heimo Pfeifenberger erzählt in wirklich jedem Interviews, wie sehr er, aktuell Assistent des U21-Teamchefs, sich nach einem richtigen Job im richtigen Fußball sehnen würde; und fügt damit seinem Amt permanenten Schaden zu.

Das unvereinbare Experten-Gehechel

Andreas Herzog (U21) und Andreas Heraf (U20) haben zwar langfristige Verträge, fühlen sich aber - ebenso wie bislang Constantini - als Nebenjobber, die sich hauptsächlich als Experten für Sky Austria profilieren; auch alles mit dem Hecheln nach einem Liga-Job.
Und in voller Unvereinbarkeit: wie soll ein Jugendteamchef Tacheles reden können über Menschen, mit denen er intensiv arbeiten muss? Wie ehrlich kann er da sein? Wenn das Taktieren, das die Andis auf ihre gewundenen Aussagen zu Spielern, die in ihrer Obhut sind, verwenden, in dieser Stärke auch aufs Spiel ihrer Teams aufgewendet wäre, sie würden jede Partie gewinnen.

Noch offensichtlicher unvereinbar ist da nur das, was der ehemalige ORF-Experte Peter Stöger macht: er ist nicht nur Vienna-Trainer, sondern auch "Sportmanager" der Hagmayr Sportmanagement GmbH, einem der beiden großen Player im heimischen Spielerberater-Business. Wie seriös das ist, dutzende Spieler, mit denen man beruflich engstens verbandelt ist, zu bewerten, muss ich wohl nicht näher ausführen.

Insofern ist die Entscheidung des ORF-TV Stöger nichte mehr als Experten einzusetzen, dringend nachvollziehbar. Und die lange anhaltenden Retourkutschen, von Stöger und befreundeten Moderatoren live geritten, umso unverständlicher.

Hermann Stadler, Manfred Zsak oder Heinz Peischl sprechen nicht; nicht als Experten und auch sonst wenig. Sie würden, wenn sie könnten - einfach weil die Arbeitsauffassung der meisten ÖFB-Auswahl-Coaches die hier von mir beschriebene reflexionslose ist.

Apropos U21:

Die fährt, wie schon gehabt, ohne die besten nach Baku, wo am 10. 10. das nächste EM-Qualifikationsspiel stattfindet. Der U21-Kader muß ohne Christopher Drazan (19), Aleksandar Dragovic (18), Julian Baumgartlinger (21), Daniel Beichler (20), Jakob Jantscher (20) und Yasin Pehlivan (20) auskommen.

Nicht mir vorwerfen, dass ich das jedesmal aufs Neue betone: ich zitiere nur die ÖFB-Website, die das immer, wenn Andreas Herzog sein Team bekanntgibt, ganz von selber ausstellt. Sicher nicht gegen den Willen des U21-Teamchefs. Ich weiß nicht, ob der weiß, dass sich seine Qualifikation auch auf eine eventuelle Teilnahme beim prestigeträchtigen Fußball-Turnier in London, anläßlich Olympia 2012, auswirkt. Aber er weiß, dass jeder Drazan oder Baumgartlinger auf der A-Team-Bank seine Chancen mindert.

David Alaba und Veli Kavlak rücken danach zum A-Team auf, Marko Arnautovic (Inter) ist noch nicht echt fit, Michael Madl (Austria) rekonvaleszent, Fröschl und Schößwendter fehlen und Tanju Kayhan (Rapid) wird offenbar der Türkei, die auch um ihn buhlt, überlassen (als ob man soviele beidseitig einsetzbare Außenverteidiger zu verschenken hätte).
Der "schwierige" Adthe Nuhiu ist, das hab ich verschwitzt, gesperrt.

Der Kader in aller Ausführlichkeit:

Tor: Lukas Königshofer (Rapid), Wolfgang Schober (Salzburg).
Auf Abruf: David Schartner (Salzburg).

Verteidigung: Christopher Dibon (Admira), Fabian Koch (Wacker), Georg Margreitter (LASK), Christian Ramsebner (Neustadt).
Auf Abruf: Mettin Copier (Alkmaar/NED), Manuel Wallner (Austria), Dominic Pürcher (Hartberg).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern/DEU), Haris Bukva (Sturm), Guido Burgstaller, Alexander Grünwald (Neustadt), Anel Hadzic (Ried), Stefan Ilsanker (Salzburg), Veli Kavlak (Rapid), Thomas Piermayr (LASK), Manuel Seidl (Mattersburg).
Auf Abruf: Patrick Salomon, Mario Leitgeb, Benjamin Freudenthaler (Austria Lustenau) Robert Gruberbauer (St. Pölten), Christoph Mattes (Admira).

Angriff: Julius Perstaller (Wacker), Marc Sand (Kärnten), Andreas Weimann (Aston Villa/ENG).
Auf Abruf: Benjamin Sulimani (Austria).

Bemerkswert: die weiterhin nicht wirklich behobene Absenz echter Außenverteidiger und die große Anzahl hochtalentierter Mittelfeldspieler in diesem Jahrgang (Geburtsjahr 88 + 89).

Groteskes PS: die Lage von U21-Ex-Teamspieler Ken Noel ist sehr dubios. Seine Agentur (die nämliche, bereits erwähnte) hat einen Transfer nach Italien, zu Brescia gemeldet. Dort scheint der talentierte Stürmer aber weder in der Rosa noch in der Primavera. Die Agentur erklärt das mit einer Freigabe-Verzögerung.

Es steht zu hoffen, dass die U21 im November, wenn das A-Team sich einem schönen Freundschaftsspiel gegen Spanien, stellt, in den beiden Spielen gegen Albanien (auswärts, 13.11.) und Azerbeidjan (daheim, 18.11) auf tatsächlich alle U21spielberechtigten zurückgreifen kann.
Wenn das nicht möglich ist, weil sich ÖFB-Präse und Oldschool-Kommunikator Constantini selbst bei Tests im Lichte ihrer neu erworbenen, im Kern jedoch eher nur populistischen Jugendförderungs-Kompetenz sonnen wollen, dann würde das alles aussagen über die Reflexions-Unlust. Auch die an der ÖFB-Spitze.