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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

29. 9. 2009 - 13:57

Fußball-Journal '09-89.

Von der Verkniffenheit zur Selbstsicherheit. Was eine simple Vertragsverlängerung alles ausmacht. So lässig, wie er immer getan hat, war Constantinis Feuerwehrmann-Status also gar nicht.

Der ÖFB-Kader für die beiden letzten WM-Quali-Spiele, am Samstag, den 10.10. in Innsbruck gegen Litauen und am Mittwoch, den 14.10. in St. Denis gegen Frankreich:

Tor: Helge Payer (Rapid), Christian Gratzei (Sturm), Andreas Schranz (Kärnten).

Verteidigung: Franz Schiemer, Andreas Ulmer (Salzburg), Aleksandar Dragovic, Manuel Ortlechner (Austria), Jürgen Patocka (Rapid), Christian Fuchs (Bochum), Paul Scharner (Wigan).

Mittelfeld: Julian Baumgartlinger (Austria), Yasin Pehlivan, Christopher Drazan (Rapid), Andreas Hölzl, Jakob Jantscher, Daniel Beichler (Sturm Graz), Thomas Prager (LASK), Ekrem Dag (Besiktas).

Sturm: Erwin Hoffer (Napoli), Stefan Maierhofer (Wolverhampton), Marc Janko (Salzburg), Roman Wallner (LASK).

Auf Abruf: Florian Klein, Markus Suttner (Austria), vielleicht auch Lexa (Ried), Saurer (LASK) und Pichlmann (Grossetto).

Vom U21-Team werden David Alaba (Bayern) & Veli Kavlak (Rapid) nach Frankreich zum Schnuppern mitgenommen.

Es fehlen: Ivanschitz (Mainz) wegen der erwähnten Streitereien. Garics (Atalanta) hat sich die Erlaubnis zur Auszeit geholt, ebenso wie Ibertsberger (Hoffenheim), der jetzt eh verletzt wäre. Manninger (Juve) ist zurückgetreten.

Verletzt/rekonvaleszent sind: Pogatetz (Boro), Prödl (Werder), Stranzl (Spartak), Junuzovic, Okotie (Austria), Trimmel (Rapid), Manuel Weber, Kienzl, Haas (Sturm) und Arnautovic (Inter).

Beobachtet wird Gspurning (Xanthi), bei Macho hofft man, dass er bald einen Klub findet.

Aus diversesten Gründen nicht auf der Liste: Korkmaz (Frankfurt), Linz (Gaziantep), Säumel (Torino), Hoheneder (Sparta), Bahadir (Bursa), Harnik (Düsseldorf), Stankovic (Triest), Dober, Katzer (Rapid) und auch Leitgeb (Salzburg).

Der U21-Kader fürs EM-Quali-Auswärsspiel in Azerbeidjan am Samstag, den 10.10. wird morgen bekanntgegeben -> das Fußball-Journal dazu und zu den U19/U17-EM-Quali-Spielen und den anderen Nachwuchs-Auswahl-Begegnungen folgt dann.

Die Weiterbestellung von Dietmar Constantini als österreichischer Teamchef hat zumindest eine sinnreiche Konsequenz nach sich gezogen: aus dem verkniffenen Feuerwehrmann, der alles, was ihm gegenüber vorgebracht wird, sofort als Rauchgas identifiziert, ist jemand geworden, der konstruktive Dialoge führen kann.
Aus einer Larve, die ihre Unsicherheit hinter nur für den sehr oberflächlichen Beobachter unsichtbaren Verbissenheit versteckte, ist ein selbstsicherer Akteur geschlüpft. Nein, von einem Schmetterling möchte ich nicht reden, aber: es hat sich sowas wie Normalität eingestellt.

Ich muss jetzt nicht Clausewitz oder Sun Tzu zitieren um zu verdeutlichen wie wichtig ein selbstbewusster General ist und wie schwer eine verbiesterte Abwehrhaltung lasten kann und sich auch auf die Kombattanten, also Spieler und Umfeld auswirkt.

Antwortete Constantini seit März auf Fragen bestenfalls mit einer Gegenfrage (schlechtestenfalls wischte er sie mit einer Politiker-Antwort einfach beiseite) und bemühte sich strikt nicht auf den Sinn oder gar Hintersinn des Themas einzugehen, sondern es so effektiv wie möglich ins Abseits zu schlagen, so artete die erste Begegnung nach seiner Bestellung bis zum Ende der EM-Quali für 2012 in einem veritablen Dialog aus. Immer wenn der Tiroler in seine alten Muster verfiel und (quasi versehentlich) die Gegenfrage rausschoss, fing er sie wieder ab und ging dann doch drauf ein. Manchmal sogar unter Benutzung einer Verständnis-Nachfrage.

Was simple Psychologie doch alles bewirken kann.

Die Neubewertung des Ivanschitz-Problems

Die neue (nicht per Strategie, sondern via Entsperrung eines Kopf-Problems vorgegebene) Linie zeigte sich bei der heutigen Ivanschitz-Diskussion. Der Teamchef hatte den Ex-Kapitän, der bei Mainz in der deutschen Liga seit Wochen eine hervorragende Rolle spielt und in den Teams der Runde und an der Spitze der Scorer-Liste steht, eigentlich einberufen wollen, als der plötzlich - laut Constantini, Ivanschitz sieht das anders, woraus noch ein Clinch werden wird, der mich jetzt schon nicht interessiert - eine Art Stammplatzgarantie forderte. Was, nach längerer Überlegung, eine Ausladung zur Folge hatte.

Der alte Constantini hätte auf jede Nachfrage zum Thema patzig reagiert, überall Beleidigungen und Unterstellungen gewittert, deshalb den Ablauf der Geschehnisse nie richtig erzählt, sondern in kleine Rausplatz-Teile portioniert, die ein wirres Bild ergeben hätten. Besser: ergeben haben. Es gab ja ein paar solcher Fälle samt verkniffener Reaktion.

Der (durch eine bloße Vertragsverlängerung) erneuerte Constantini berichtete ruhig von den Vorfällen, erläuterte seine Überlegungen, zeigte Alternativen auf (ein Ivanschitz auf der Bank, der dann reinkommt und den Umschwung bringt, hätte ihm etwa glaubwürdig gut gefallen) und ging auch auf Relativierungen ein, stellte seine Entscheidung so auch indirekt in Frage.

Genauso wie in der Frage ob es klug wäre, den bei Napoli gerade schlecht gestarteten Hoffer zu holen oder nicht. Er wisse nicht, sagt der Teamchef, in aller Offenheit, ob seine Aktion hilfreich sei oder nicht.

Das Vorher-Nachher-Spiel

Mir stellt dieses absurde Vorher/Nachher schon die Frage welcher Art die Reflexionsfähigkeit des Teamchefs ist. Die Erklärung, dass die Dauer-Unsicherheit eines Feuerwehrmann-Daseins, also eines Leasing-Jobs, sich auf die Psyche niederschlagen, ist - finde ich - ein wenig dürftig.
Vor allem, wenn man weiß, dass Constantinis Butter-aufs-Brotjob ja seine erfolgreichen Kinder-Camps sind.
Was dazu führte, dass er im kleinen Kreis und augenzwinkernd von seinem Nebenberuf als Teamchef sprach - und es offenbar bis zu einem gewissen Grad ernst meinte.

"Nur" als Kurzzeit-Einspringer, als Feuerwehrmann geholt zu werden, hat doch mehr Probleme verursacht, als die rauhe Schale nach außen erkennen ließ.
Die nur mühsam durch einzelne, auch meist gar nicht lustige sogenannte Wuchteln getarnte Schmallippigkeit des Frühjahrs und Sommers ist einer neuen Offenheit gewichen.

Lernen von Clausewitz und Co

Die wiederum zeigt, dass der Kern des Constantini-Ansatzes schon derselbe ist: Ein ewiges "Kommen und Gehen" wäre die Nationalmannschaft, weshalb ein permanentes Abwägen und Evaluieren, was aktuell grad für ein Teamgefüge richtig und wichtig wäre, Priorität hat.
Das ist natürlich richtig.
Wenn man die Zeit zwischen den Teamtrainingslagern und Spielen auch dazu nützt sich langfristige Perspektiven und Strategien zu überlegen (und auch hier sollte der Verweis auf Clausewitz und Sun Tzu genügen...).

Das hat Constantini bis lang genau gar nicht getan.

Für mich wird er daran zu messen sein, wie er genau das, die mittelfristige Aktion, künftig handhabt.

Wenn er weiter im Tagesgeschäft pickenbleibt und sich mit VIP-Club-Besuchen und der Beobachtung der Gegenwart begnügt, wird das nämlich auch mit der besten jungen Truppe für 2012 nicht reichen. Für die Euro in Polen/Ukraine.

Für Olympia 2012 reicht es jetzt schon nicht.
Da ist die Unterstützung für die U21 (die das schaffen müsste) zu gering. Klar, war bislang nicht auf Constantinis Agenda, konnte ihm, dem Einspringer, blunzwurscht sein.

Das alles ändert sich jetzt.

Was der Teamchef heute rausließ...

war der Hinweis auf die Beibehaltung seiner prinzipiellen Taktik. Der neu einberufene Thomas Prager wird bei ihm (wenn, dann) zehn Meter weiter hinten spielen, also nicht als offensiver zentraler Mittelfeldspieler hinter den Spitzen/der Spitze. Ebensowenig Paul Scharner, der das zuletzt (fast, in Wahrheit wars eine Art 8er) bei Wigan gespielt hatte. "Der Paul wird nicht wie in England hinter den Spitzen, sondern gegen sie spielen. Der ist Profi genug."

Im zweiten Anlauf wird (endlich, um Eckhäuser zu spät) Ekrem Dag, der einzige österreichische Regular in der Champions League, eingeladen und getestet.

Seltsam mutet die neue Sabbatical-Politik an. Spieler, die unter der Testosteron-Führung Constantini/Zsak/Peischl zwar einberufen werden, dann aber nie spielen (zuvor Ibertsberger, neu: Garics) können sich Auszeiten nehmen; Manninger nahm sich gleich die längstmögliche. Beim Ivanschitz-Wickel lief das ähnlich. Stranzl, Linz passen da auch ins Bild.
Komischerweise ist das ein ähnlicher Spielertypus: intelligente, der Juxerei der Jugend entwachsene und nicht dem klassischen Fußballer-Männerbild entsprechende Typen.
Warum die es schwer haben?
Kann mit etwas zu tun haben, was sich bei zb beim Trainer-Typus Andi Ogris so äußert: Spieler, die er für gscheiter als sich selber hält, fliegen raus. Bei den Jungen (denn Beichler/Jantscher/Okotie wären das natürlich auch) geht sich das noch aus. Ab so 25 aber...

... eine, die andere auch erkennen...

Das ist jedenfalls eine seltsame Tendenz, die mir ein bisserl ungut aufstößt.

Ziel: Dritter werden

Auch das ist neu.
Bislang wurde bei den Zielsetzungen immer herumgeschwafelt.
Jetzt will Constantini Dritter in der WM-Gruppe bleiben. Wofür ein (Heim)-Sieg gegen Litauen Pflicht ist.

Immerhin das ist nämlich schon ein vorausschauendes Ziel. Denn während die Deppen (und wohl auch ein sichnixscheißender Feuerwehrmann) einen "Eh wurscht!"-Ansatz zur (nicht zum Weiterkommen berechtigende) Platzierung in der Qualifikations-Gruppe haben, wissen die, die sich beschäftigen, dass das wichtige Ranking-Punkte für die nächste Auslosung bedeutet.

Dass Constantini für die nächste Euro-Quali nicht mehr aus Topf 5 gezogen werden will, diese Umstellung in seinem Arbeitsverständnis, stellt seine bislang größte Leistung dar.
So gesehen kann es nur noch aufwärts gehen.