Erstellt am: 28. 9. 2009 - 15:46 Uhr
Journal '09: 28.9.
Zu den Wahlen in Deutschland hier mehr, die Nachlese zu den Wahlen in Oberösterreich erschöpft sich, wie erwartet, in einer SPÖ, voll arg!-Debatte, die zwar nötig, aber deutlich zuwenig ist, wie ich hier gestern abend bereits deutlich angemerkt habe.
Lechts und rinks sind selbstveständlich keine seriösen politischen Kategorien mehr.
Das weiß an sich jeder, der sich damit ein bisschen beschäftigt, es wird aber von einigen Übergestrigen immer noch eilfertig vor sich hergetragen, weil sie nur in Anwesenheit eines ideologisch total simpel (nachgerade primitiv) auszumachenden Feindes politisch existieren können (weil aus sich selber heraus nix geht).
Insofern kann man rechts/links maximal als Punkte verwenden an denen aktuell Parteien verortet werden; in einer kollektiven Zuschreibung, nicht mehr.
Und da passiert gerade Interessantes, gestern gleich an zwei Tatorten, nach zwei Wahlen.
Weiterführendes, empfohlen: Eberhard Lauths Österreich bliebt Österreich und Philipp Sondereggers Ausländerfreundlich Wahlen gewinnen.
Heinz Christian Strache nämlich sieht seine Partei (Zitat aus "In Zentrum" von gestern abend) als soziale Heimatpartei, die die Existenz einer linken Protestbewegung/partei wie "Die Linke" in Deutschland komplett überflüssig mache.
Und er hat recht.
Die soziale Heimatpartei
Zieht man die Ex-DDR-Vorgeschichte der Linken ab, ist sie das Reservoir für verunsicherte Modernisierungsverlierer, das Auffangbecken für die Überfremdungsbefürchter aus der Hartz4-Klasse und die xenophobe Mittelschicht. Die sind weder links noch sozial noch sozialistisch, nicht einmal mehr im Alt-DDR-Sinn - die sind angstgetrieben und kuscheln sich deswegen an den, der ihnen Wärme verspricht. Wärme, die sich nicht in Almosen erschöpft (wie es die SPD unter Schröder in einem System installierte, das die Partei letztlich auf die 23% geführt hat), sondern Wärme in Verbindung mit einer gefühlten Stärke gegen die da oben.
Die Autorin Thea Dorn hat das gestern abend im ZDF-Nachtstudion prima zusammengefasst, diese hermetische Realität, in der sich "Die Linke" bewegt, beschrieben, deren bewusste Verweigerung allem gegenüber, ihre ausschließliche Destruktionsanspruch, vor allem der SPD gegenüber.
Nun hat die FPÖ, um beim Strache-Bild der sozialen Heimatpartei und seiner Vereinnahmung der Position der "Linken" zu bleiben, mehr als nur diesen einen Lebenszweck, sie ist historisch aus der VdU, also der Sammelbecken der Nationalen, der rasch Entnazifizierten gewachsen, und wird dem deutschnationalen Paintballspielen nie entkommen können, aber um diese Abrissarbeiten an der SPÖ geht es zumindest auch.
Und die Feststellung, dass die FPÖ in vielen Bereichen, vor allem in Sozialfragen "linker" ist als die nominell dafür Zuständigen, fällt hier nicht das erstemal.
Das mag einem nicht gefallen - mit den herkömmlichen R/L-Kriterien ist diese Politik allerdings nicht einzuordnen.
Deutschland rückt nach links
Im bereits angesprochenen Nachtstudio des ZDF, einer der herausragenden Diskussionssendungen der deutschen öffentlich-rechtlichen, wo jede Woche relevante Themen gewitzt und querdenkerisch angegangen werden, dass es eine echte Freude ist, hatte Moderator Volker Panzer eine Runde beisammen, die bereits vor 4 Jahren die damalige Wahlnacht besprach.
Vor vier Jahren war auch Juli Zeh dabei, die sich allerdings diesmal, wie Panzer anmerkte, "im Ausland" befand. Nämlich in Wien, bei einem Auftritt der Konzert/Lesetour gemeinsam mit Slut. Ich war gestern den gesamten Tag verhindert und habe dringend angeregt, die Autorin noch am Abend zum Outcome zu interviewen, auch was ihr Spezialthema des Überwachungsstaats betrifft. Ist leider nicht passiert - offenbar kein Interesse der Redaktion.
Neben Thea Dorn war das vor allem der Dramatiker Moritz Rinke, ein Steinmaier-Unterstützer, und Ulf Poschardt, der neoliberale Poptheoretiker, der sich nach seiner Zeit im SZ-Magazin vor allem aber als stv. CR der Welt am Sonntag profiliert hat.
Im ersten Moment klang es verblüffend, worauf sich die drei Erwähnten, Panzer und auch der ebenfalls anwesende Kabarettist (es war noch ein fünfter Gast zugegen, das allerdings nur körperlich) einigen konnten: dass nämlich die meisten Parteien allesamt deutlich nach links gerückt waren. Was sie meinten, ist, dass von allen, auch von der als selbstsüchtig dauerverarschten FDP, die Solidargesellschaft, also das Soziale, in den Mittelpunkt des Handels gestellt wurde.
Bei Linken und Grünen ist das sowieso Programm, die SPD versucht den Hartz-Flop Schröders wieder wettzumachen und die Merkel-CDU wäre, so der Nachtstudio-Konsens, christlich-sozialer denn je.
Sozial = solidarisch, und das ist kein exklusiv linkes Thema.
Das hat natürlich seine Gründe im aktuellen Zustand des Landes, wo eine Fehlsteuerung zu einem Bruch, einer echten Zweiu-Klassen-Gesellschaft samt Zwei-Klassen-Medizin uä geführt hat. Weil davor selbst Teilen der FDP graust (auch weil alle wissen, wo das mittelfristig hinführt - hier hat man, im Gegensatz zu Österreich, aus der Geschichte gelernt) steuern alle dagegen. Jeder auf seine Art.
Das führt dazu, dass eine schlaue, intellektuelle und hinterfragende, politisch divers zusammengesetzte Runde das Gegenteil von dem konstatiert, was die Boulevard-Presse heute draus macht.
Es gibt keinen Rechtsruck in Deutschland.
Die neue Mitte-Rechts-Regierung wird sich im Sozial-Bereich keine Blöße geben, wird (hopperdatschig zwar) Wärme versprühen, um ihre leise auseinanderdriftende Nation wieder zusammenzukleistern.
Im strikten Eigeninteresse. Weil die politischen Mehrheiten dort liegen.
Dieser soziale Kurs führte dazu, dass in Deutschland die sonstwo topgesetzten Themen einer krankhaften xenophoben Angst vor Zuwanderung, im Wahlkampf kein Thema waren.
Weil das auch kein A-Thema ist.
Zum einen, weil man in Deutschland da viel richtig gemacht hat, langfristig, was Sprache/Bildung/Integration betrifft.
Zum anderen, weil man (im konkreten Fall die Rot-Grüne-Regierung, auf Antrieb der Fischer-Grünen) sich zu dem bekannt hatte, was man ist: ein Einwanderungsland.
Sozial = Zugeben, dass man ein Einwanderungsland ist.
Das ist es, was in Österreich fehlt.
Die Bekenntnis zur Wirklichkeit.
Dass Österreich ohne Zuwanderung nicht nur ausstirbt (ganz langfristig), sondern kurzfristig zu einem ökonomischen Minderleister wird, zu einer absurd überalterten Gesellschaft, die die Grundversorgung nicht mehr derhebt.
Die Unterschiede zwischen der deutschen und der österreichischen Situation sind zu gewaltig, um sie jetzt hier, wo es nur drum geht den Grundgedanken des sozial agiernden deutschen Grundkonsenses auszuführen, aufzudröseln.
Es ist auch nichts übertragbar - die durchaus lebendigen Osterfahrungen der Deutschen haben andere Gefühligkeiten nach sich gezogen als die jahrzehntelange Outpost-Situation im toten Winkel hierzulande.
Die SPÖ mag beratungs-resistent sein - die lachhaften, an Fußball-Trainer-Interviews gemahnenden Mantras, dass man nur hart genug arbeiten müsse, werden aber von einer genauso planlosen Öffentlichkeit entsprechend eingefordert.
Deshalb ist diese völlig gegenteilige Entwicklung, die die Proteststimmen/stimmung nehmen, nicht mit einfachen Rezepten, wie sie seit gestern allerorten angestimmt werden, umzukehren.
Das, was die vielen sozialen Heimatparteien in Deutschland ihrer Schwester-Bewegungen in Österreich voraushaben ist das Bewusstsein, dass es keinen Sinn hat ausschließlich gegen die Bevölkerung zu arbeiten - weil man dadurch die Kuh schlachtet, die man melkt.
Das hat nichts mit Gutherzigkeit oder wahrer Menschlichkeit zu tun, sondern ist schlichte Strategie.
Aber das ist etwas, was politischen Zirkeln hierzulande ausschließlich als Spielgeld sehr schmaler Lobby-Gruppen gilt - und für die Staatsraison zu selten zum Einsatz gebracht wird, politische Unvernunft höchsten Grades.