Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Journal '09: 26.9. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 9. 2009 - 23:02

Journal '09: 26.9.

Endlich Strache.

Politische Satire ist ja nur scheinbar eine einfache Sache. Auch weil wir alle viel zu oft tatsächliche Geschehnisse vorschnell in den Rang der Realsatire erheben, wiewohl der einzige Satz meines Onkels Karl für eine Beurteilung eigentlich reichen würde: "Des is die Wirklichkeit!".

Politische Satire ist eine hohe Kunst, was vor allem von den Hinterglasmalern dieser Branche, den Villacher Narren, den "Give the People what they want"-Clowns oder den Gagschreibern populistischer Volksredner, liegt. Die zeigen ja so offensichtlich vor, wie's nicht geht, dass man die anderen, die Minderzahl der seltenen und differenziert vorgehenden Aufzeiger, die Lachen-im-Hals-Steckenmacher, diejenigen, die dir deine eigenen Faschismen gnadenlos um die Ohren watschen, dann umso mehr schätzt.

Von solchen Könnern war vor einer guten Woche hier eh grade die Rede, weil "Bei Faymann" und die neueste Variante der Harald Schmidt-Show ihre Premiere hatten.

Satirische Utopien

Ich kann nichts dafür, dass ich Mittwoch etwas in der Post vorgefunden habe, was dran anknüpft.

Nader hat durch seine (in sich richtige, aber taktisch dumme) Präsidentschafts-Kandidatur den Wahlsieg von George W. Bush gegen Al Gore erst möglich gemacht und so die Rutsche für acht verheerende Jahre gelegt.

Ich meine damit nicht den Schelmenroman von Ralph Nader, der großen tragischen Figur jüngerer US-Politik, dem grünen Volksamwalt und Verbraucherschützer. Der heißt Only the Super-Rich Can Save Us! und beschreibt ganz unironisch wie ein paar Superreiche die Welt zum Guten wenden. Und es sind nicht die Gates oder Bono, sondern sonst eher als anstrengend empfundene Figuren wie Warren Buffet, Ted Turner oder Yoko Ono, die das Werkl herumreißen, in einer Dramaturgie, die an die naive Version von Meet John Doe erinnert, den großen Capra-Film mit Gary Cooper, dem dazumals ja auch schon Naivität vorgeworfen wurde, obwohl er nur sehr anschaulich von Populismus und Medienmacht erzählte.

In diesem Buch schlägt Warren "Red" Beatty Schwarzenegger in der Wahl zum Governor.
In dem, das ich gelesen habe, ist John "Scientology" Travolta Vize-Präsident, und - nach einem Jagdunfall von Sarah Palin - Chef der freien Welt.

Keine Angst, es handelt sich nicht um glitzende satirische US-amerikanische Utopie, es ist ein simpler Österreich-Roman.

Eine Reportage aus der Zukunft

Buchcover "Endlich Strache!"

ueberreuter

Er heißt "Endlich Strache", stammt von den Herren Hannes Vogler und I Stangl, und ist mehr als gelungen, eben große satirische Kunst, Verdichtung der "Wirklichkeit" des Onkel Karl und bei aller Groteske eine deutlich prophetischere Vision der Zukunft als das, was von sich durch Umfragen und anderen bedeutungslosen Kram absichernde selbsternannte Trendforscher, dafür ausgegeben wird.

Ich kenne Vogler nicht, weiß nur, dass er als Autor für Kabarettprogramme aktiv ist. Ich kenne Stangl aus den Medien und konnte mit seinem clownesken Stil bislang wenig anfangen. Ist aber wurscht.

Denn: bei einem Buch, das 2017 spielt und den Weg des Bundeskanzlers HC Strache an die Staastspitze beschreibt, kann man so viel falsch machen, dass da auch Menschen, die ich unendlich schätze, glorios scheitern hätten können, ohne dass man ihnen böse sein kann.

Vogler-Stangl scheitern nicht.

Unter anderem deshalb, weil sie so nah an der Onkel Karl-Wirklichkeit dranbleiben, dass es weh tut.

In realistischen und nur selten wirklich überhöhten Szenen und Aufzügen beschreiben sie, das was passiert ist, so ab 1999, und - mit derselben bitteren Unerbittlichkeit das, was von jetzt an bis 2017 passieren kann/wird/muss.

2017 ist Strache Bundeskanzler

Natürlich artet und franst die Satire irgendwann auch in höheren Blödsinn aus. Andererseits beschreiben die Autoren das in "Endlich Strache!" (Eine Reportage aus der Zukunft, erschienen bei Ueberreuter) nur als konsequente Folge dessen, was aktuell passiert.

Und auch wenn man wie ich, nur eine Handvoll der Player, die im Buch als absichtliche und unabsichtliche Wegeebener für die Regierung Strache vorkommen, kennt: die Beschreibung ist zugespitzt, die Tonalität schriller, die Konturen comichafter - inhaltlich aber, grundsätzlich jedoch ist nichts wirklich falsch an den Beschreibungen der Geschehnisse, an den Dialogen rundherum.
So (oder so ähnlich) reden die wirklich.
So (oder so ähnlich) spielt es sich wirklich ab.

Das ist der Grund dafür, dass es für gute politische Satire weder den Holzhammer braucht, noch den allzufeinen Pinsel, sondern den nur leicht in eine Parallelwelt verschobenen Blick.

Ein Blick in die 3. Republik

Hier eine Sammlung von Journalen zum Thema.

Das ist auch der Grund dafür, warum das, was "Endlich Strache!" ankündigt, nämlich ein selbstverschuldetes Kippen in eine nicht mehrheitlich gewollte, aber unvermeidliche dritte Republik, auch tatsächlich passieren wird.

Natürlich nicht so, aber aus ganz ähnlichen Gründen. Vielleicht nicht 2017, aber womöglich auch schon früher.

"Endlich Strache!" (Eine Reportage aus der Zukunft), von Hannes Vogler und I Stangl, erschienen bei Ueberreuter.
Es gibt auch eine Website zum Buch.

Das ist übrigens der entscheidende Unterschied zu Naders Buch: dass die Superreichen die Welt retten, das geht wie das Kamel durchs Nadelöhr. Dass die zaudernden Austro-Demokraten der sogenannten Altparteien den seit Haider eingeschlagenen Weg des nationalen Schulterschlusses gegen Feindes-Konstrukte noch zu ihren Gunsten umleiten können, ist nicht so unmöglich, würde aber ein gehörig' Stück Arbeit bedingen.
Wenn man "Endlich Strache!" fertiggelesen hat, will man daran noch eine Spur weniger glauben. Wohl deshalb sollten es auch nur die Hartgesottenen unter euch lesen.