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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

27. 9. 2009 - 14:41

Yes we gähn!

So langweilig war schon lange kein Wahlkampf mehr.

Endlich ist es vorbei - heute wird gewählt. So langweilig war schon lange kein Wahlkampf mehr mit seinen Talkshows, Parteitagen, Expertenrunden und Politikerporträts. Selbst das Fernsehduell vor zwei Wochen geriet zur schnarchigen Angelegenheit - von vier Sendern zeitgleich übertragen standen Kanzlerkandidat und Kanzlerin den wichtigtuerischen Anchormen und -woman gegenüber, steif an ihren Rednerpulten und tauschten vorgefertigte Statements aus.

„Yes, we gähn!“ titelte tags drauf auch die Bildzeitung. Aber so ist das halt: Wenn man vorher vier Jahre in einer großen Koalition zusammen regiert hat, kann man den anderen nicht so richtig schlecht machen. Die Leidenschaftslosigkeit kann auch daher rühren, dass man von Regierungsseite aus gar nichts dagegen hätte, wenn alles so bliebe, also noch mal vier Jahre große Koalition.

CDU Plakat Vera Lengsfeld

CDU

Das war noch das Aufregendste des Wahlkampfs: Das umstrittene Plakat der Kreuzberger CDU-Frau
Wahlplakat Die Linke

Die Linke

Auch nicht so richtig originell: Der Konter der Linken

Ein kleines bisschen Aufregung gab’s in Berlin noch wegen der Plakate. Zuerst kam das Kreuzberger Dekolletee-Plakat. Kanzlerin Angela Merkel und die Kreuzberger CDU-Kandidatin zeigten sich recht offenherzig über dem Spruch „Wir haben mehr zu bieten“. Die Linke konterte mit dem Schriftzug „Socialist“ der anstelle eines Arschgeweihs den Steiß einer Jeansträgerin zierte. Dann hüllte die CDU noch unerlaubter Weise ein ganzes Baugerüst mit dem größten Wahlplakat Deutschlands und dem sinnigen Spruch „Wir haben die Kraft" ein.

Größtes Wahlplakat Deutschlands

CDU

Plakat-Aufregung Teil 2: Das größte Wahlplakat Deutschlands war an dieser Stelle nicht genehmigt.
Wahlplakat Stöbele

Die Grünen

Schon Tradition: Comiczeichner Seyfried gestaltet das Wahlplakat des letzten deutschen aufrechten Grünen-Kandiaten Christian Ströbele

"Ach, was soll man denn bloß wählen?", seufzte in den letzten Wochen jeder. "Weißt du schon was du wählst?“
Für jeden der irgendwie links ist haben es die Sozialdemokraten spätestens seit Schröder und Hartz 4 verschissen. Die Grünen? Sie sind längst zur Partei der Ökobourgeoisie geworden, koalieren in Hamburg mit der CDU und haben dem Afghanistaneinsatz zugestimmt. Die Piraten? Haben außer der Freiheit des Internets kein Programm. Ein gutes Programm hat die Linke wiederum, aber viele ihrer Mitglieder haben auch eine Stasivergangenheit...

Was ist da das geringere Übel?

Wahrscheinlich wird es heute Schwarz-Gelb werden, eine Koalition vor der man Angst haben kann. Die unternehmerfreundlichen Christdemokraten sind gegen Mindestlöhne, aber für Atomkraft und Familienwerte, die Freien Demokraten stehen für den neoliberalen Backlash, das heißt Privatisierung, Studiengebühren, Kürzung der Sozialleistungen.

„Längerfristig denken!“ mahnen die linken Pragmatiker in den Feuilletons. Vier Jahre Gelb-Schwarz führt zu Umverteilung von unten nach oben, so wächst der Unmut der Bevölkerung danach kommt Rot-Rot-Grün, vielleicht sogar mit unserem schwulen Berliner Bürgermeister als Kanzler.