Erstellt am: 27. 9. 2009 - 16:00 Uhr
We have a mouse disease
"We have a mouse disease", meint einer der Interviewpartner von Regiesseur Brett Gaylor in "Rip" und nimmt damit Bezug auf die Klage, die der Disney Konzern gegen eine Kindertagesstätte eingebracht hat. Der Hort hatte es gewagt, die Kleinen mit unlizensierten Darstellungen der M.-Maus auf den Wänden aufzuheitern.
Eine Absurdität, da Walt Disney einer der erfolgreichsten Remixartists des 20. Jahrhunderts war, wie "Rip" schlüssig argumentiert. Disney nahm Märchen, adaptierte sie dem Zeitgeschmack entsprechend und zog kulturelle Referenzen ohne Ende. Gleichzeitig sorgte der Disney Konzern dafür, dass niemand in Zukunft diese Strategie anwenden wird. Disney war treibende Kraft ein Gesetz durchzubringen, dass die Zeit, bis ein Copyright verfällt mehr als verdreifacht. Diese "Mouse Disease" ist nur einer der Fälle, die in der Dokumentation "Rip" unter die Lupe genommen wird.
Copyright vs Copyleft
Sein Geburtsjahr ist das gleiche wie das des Internets, stellt Regieseurs Brett Gaylors im Intro fest und mit der Entschlossenheit eines Don Quichotte verkündet er uns seine Mission - und die des Films. Das Web ist das wichtigeste Werkzeug geworden, um mit anderen Menschen in Verbindung zu treten. Es ist die Nabelschnur einer Genration, die während des Aufwachsens im virtuellen Raum auch ihre eigene Sprache geschaffen hat: den Remix.
Eine Praxis der Kulturproduktion ist entstanden, bei der der Prozess wichtiger ist als das Produkt. Die Hüter der Wahrhaftigkeit bringt das auf die Barrikaden. Ein letztes Aufbäumen von Organisationen, denen Profit wichtiger ist als Fortschritt. Organisationen, die uns zu reinen Konsumenten machen wollen, uns das Schaffen und Arbeiten mit bestehenden Werken verbieten. Es ist ein Krieg um Ideen, so "Rip".
Communities statt Konsumenten
Damit die Form dem Inhalt gerecht wird, ist "Rip" eine, wenn nicht die erste, Open Source Dokumentation. Regieseur Brett Gaylor hat im Laufe von sechs Jahren über seine Webseite Open Source Cinema eingesandtes Bildmaterial bearbeitet und zu seiner Dokumentation zusammengestellt. Die Musik stammt von dem Mash Up Artist Girl Talk, der auch im Film immer wieder auftaucht.
Sehr amüsant ist es, als überschlagsmäßig berechnet wird, dass es zirka 4,2 Millionen Dollar kosten würde, die Samples zu Girl Talks Album "Night of the Ripper" zu klären oder wenn der Regisseur dem Urheberechtsexperten und Creatice Commons Gründer Lawrence Lessig seinen Plan eines Mash Up Films unterbreitet unter Lessig nur schmunzelnd meint: "Highly illegal".
rip
Weniger amüsant wird es, wenn "Rip" Girl Talk zu seinem Brotberuf begleitet. Der Mann ist Biochemiker, bearbeitet bei Nacht Samples und bei Tag DNA-Sequenzen. Es wird an diesem Punkt klar, dass es bei dem Kampf um freies Copyright nicht nur um kulturelle Freiheit und Unterhaltungskultur geht. Patente auf Erbfolgen, Pflanzen und Lebewesen können global existenzbedrohend sein. Girl Talk erzählt, dass man oft nur einen Schritt entfernt ist, Heilmittel für Krankheiten zu finden, aber die das Patent besitzenden Phamrakonzerne einen Forschungstop auferlegen.
2005 bricht Brasilien das US-Patent auf ein Aids-Medikament, um es selber günstiger herzustellen und an die Bevölkerung gratis abzugeben. Es geht nicht um Profit, es geht um Leben, lässt "Rip" Brasiliens Ex-Kulturminister und Tropicalia Legende Gilberto Gil den Versuch des Landes beschreiben, mit Hilfe der digitalen Revolution das Erbe von Kolonialismus und Korruption zu überkommen. Der Kreis zu Girl Talk schließt sich, wenn "Rip" zeigt, wie die ärmsten Gemeinden von Rio unter der Verwendung einer selbstgeschaffenen Remixkultur eine neues Musikgenre - Baile Funk - erschaffen haben.
Momentan wird über die Seite Open Source Cinema von Usern an Remixen von Rip gearbeitet. 2010 soll die Version 2.0 fertig sein. Geremixte und weitergedachte Versionen des Films wurden bereits bei Festivals gezeigt."Rip" kann man sich ebenfalls auf Open Source Cinema ansehen.